Editorial

Zwischen seinen niedrigen Kais erstreckte sich der Hafen langhin wie eine Straße aus Wasser, worauf das Licht des Abends glänzte. Hier blieben die Vorübergehenden stehen, um die versammelten Schiffe anzustaunen, als seien es Fremde, am Abend gekommen und gewillt, morgens weiterzureisen. Diese aber ließ die Neugier, die sie bei der Masse erregt hatten, gleichgültig, denn sie schienen deren Niedrigkeit zu verachten oder deren Sprache nicht zu kennen, und so bewahrten sie in der feuchten Herberge, wo sie sich für eine Nacht aufhalten sollten, ihre schweigende, unbewegliche Haltung. Der solide Bau des Vorderstevens sprach nicht minder von künftigen weiteren Reisen als von Seeschäden der Ermattung, die sie auf ihren gleitenden Straßen schon hinter sich gelassen, Straßen, die so alt waren wie die Welt und so neu wie die Passage, die über sie hinführte und deren Spur verging. Schmächtig und doch voll Widerstand hatten sich diese Schiffe mit ernster Kühnheit gegen den Ozean hin gedreht, den sie beherrschen und der sie doch vernichtet. Das wunderreiche, sinnvolle Takelzeug spiegelte sich im Wasser, wie eine präzise, vorausblickende Intelligenz untertaucht in dem ungewissen Schicksal, das sie über kurz oder lang zertrümmern wird. Eben erst hatte man sie aus dem Bereich des schönen wilden Lebens gezogen, wohin sie morgen von neuem den Weg antreten sollten, und so waren ihre Segel noch geschmeidig von dem Wind, der sie eben noch gebläht, ihr Bugspriet schnitt schräg gegen das Wasser ab – wie gestern noch während der Fahrt, und vom Vorderschiff bis zum Heck schien das Muschelrund die geheimnisvolle und biegsame Grazie der Fahrt bewahrt zu haben.

Marcel Proust

Für das Linzer Kulturmagazin Spotsz (Oktober 2006 bis Dezember 2010), das mangels gehöriger Wertschätzung durch die Politik aus Stadt und Land mit seiner Dezember-Nummer den Betrieb einstellen muss, als leises

Servus.

k.

p.s.

Für das spooky Donauschiff im Nebel auf dem Cover dieser Ausgabe zeichnet der Künstler Leo Schatzl verantwortlich, dem hiermit herzlich gedankt sei!

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