Maskulistische Umtriebe und antifeministische Hetze

Rabia Emanzotti über die Männer- und Väterrechtsbewegung.

Als Mitte Juni 2010 österreichische Väterrechtsbewegte europaweit zur Daddy's Pride-Demo nach Wien aufrufen, kommt es erstmals zu einer breiteren Thematisierung der Forderungen und Positionen der sogenannten maskulistischen Männerbewegung innerhalb linker Zusammenhänge. Viel ist nicht bekannt – doch dank Internetrecherche kann sich rasch in die krude Gedankenwelt der Männer- bzw. Väterrechtsbewegung eingelesen werden.
Auf diversen Websites mit klingenden Namen wie http://www.genderwahn.com/, http://www.vaterverbot.at/, http://www.maskulist.de/, http://www.pappa.com/ oder http://www.manndat.de/ finden sich vor allem zutiefst misogyne und antifeministische Inhalte mit atemberaubenden Verschwörungstheorien und selbstmitleidigem Männergejammere.

Dabei sieht auf dem ersten schnellen Blick alles so engagiert und egalitär aus. Mann wolle endlich auch Verantwortung für die Kinder übernehmen, nicht länger nur »Zahlvater« sein, sondern auch regelmässig Kontakt zum Kind haben anstatt nur ein »Besuchsrecht«, in sämtlichen Entscheidungen eingebunden sein und außerdem nicht länger zusehen, wie Kinder, die ohne Väter aufwachsen müssen, drogensüchtig, kriminell oder selbstmordgefährdet werden.

Kratzt mensch an der Oberfläche der Bewegung, wird bald erkennbar, unter welchem Deckmantel die Maskulisten tatsächlich arbeiten: Sexismus, Antifeminismus, Homophobie, Biologismus und vor allem enorme finanzielle Interessen sind Kernelemente ihrer reaktionären Politiken.

Dabei fing alles so gut an

Die Wurzeln der »Männerbewegung« gehen zurück auf linksradikale, profeministische Selbsterfahrungsgruppen, die ab Mitte der 70er Jahre vor allem in Deutschland – durchaus in Begleitung von autonomen Feministinnen – ihre Rolle als Mann in der Gesellschaft zu hinterfragen begannen. Themen, die behandelt wurden, waren z.B. radikale Selbsttherapie, Homophobie und versteckte Homosexualität, Verhütung, Kinder(erziehung) oder die Thematisierung von sexistischen Strukturen.
Ab Mitte der 80er entwickelte sich, beginnend in der USA, Kanada, Australien oder Großbritannien, eine neue, konservative Männerrechtsbewegung, die die männliche Vorherrschaft als »naturgegeben« betrachtet und auf das »natürliche Gleichgewicht der Geschlechter« pocht. In Analogie zum verhassten Feminismus, der als Grundübel und Sündenbock für sämtliche Ungerechtigkeiten herhalten muss, bezeichnen sich die Aktivisten dieser Bewegung als »Maskulisten«. Da aufgrund der feministischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte wie beispielsweise erleichterte Zugänge zu Abtreibung und Scheidung, Einführung von Frauenquoten, Gender Mainstreaming, Initiativen gegen Gewalt an Frauen oder allgemeine Mädchen- und Frauenförderungsprogramme das »Gleichgewicht der Geschlechter« außer Kontrolle geraten sei, gelte es nun, dieses wieder herzustellen.

Die bedeutendste Ausprägung der Männerrechtsbewegung ist die Väterrechtsbewegung, die medial durch spektakuläre Aktionen wie z.B. ein als Batman verkleideter Vater am Balkon des Buckingham Palace oder militantes Auftreten gegen RichterInnen*, Feministinnen oder PolitikerInnen* für Aufsehen sorgt.
Insbesondere durch die »verweiblichte« Justiz und eine Rechtssprechung, die ab Ende der 80er Jahre durch beispielsweise juristische Anerkennung von Gewalt gegen Frauen tendenziell frauenfreundlicher agiert, fühlen sich diese Männer bezüglich Obsorge- und Unterhaltsregelungen benachteiligt und als »Zahlväter« missbraucht. Die »Auswüchse« dieser familienrechtlichen Entscheidungen sei eine völlige Abwesenheit von männlichen Vorbildern und weiters eine »Verweichlichung« der Burschen, was das vorherrschende »Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern« noch weiter vorantreibe.

Väterrechte oder rechte Väter?

Die Väterrechtler organisieren sich vor allem in Vereinen und Parteien und suchen ohne Berührungsängste nach links oder rechts nach Bündnispartnern für ihre Interessen. Dennoch kann behauptet werden, dass der wichtigste politische Partner der Väterrechtler die FPÖ ist, da vor allem einzelne Vertreter wie z.B. der Nationalratsabgeordneter Norbert Hofer immer wieder die Anliegen der Väterrechtler aufgreifen und somit auch in einen wirksameren öffentlichen Diskurs bringen. Im Speziellen für die Website http://www.trennungsopfer.at/, die eigentlich den eigenen Angaben zufolge eine »unabhängige Plattform gegen Unrecht« sein will, fungiert als Medieninhaber der Freiheitliche Parlamentsklub. Als Aktivisten finden sich allerdings Männer aus sämtlichen Spektren der Gesellschaft in den diversen Gruppierungen wieder, wo sie ihren Hass auf den Feminismus mit anderen Brüdern im Geiste zelebrieren können.

Take a closer look...

Eine genauere Betrachtung der Forderungen der Väterrechtler zeigt, dass die oft einkommensstärkeren Väter in erster Linie für eine Neuregelung der Unterhaltspflicht plädieren, um weniger Alimente für ihre Kinder zahlen zu müssen. Sie behaupten, dass geschiedene Frauen sich auf Kosten der Väter in Luxus und Wohlstand wälzen und darüber hinaus über ihre dummen, brav zahlenden Ex-Männer lachen. Komisch, dass in der Armutsfalle dann erst recht wieder die alleinerziehenden Mütter landen! Den Vätern geht es nicht um den Kampf für ein Grundeinkommen, bessere Kinderbetreuungseinrichtungen oder die staatliche Zahlung unbezahlter Erziehungs- und Hausarbeit, sondern um die Verbesserung der finanziellen Lage der Männer auf Kosten ihrer Ex-Frauen und Kinder und um die Rückeroberung der Kontrolle über die verlorene Frau.

Gemeinsam mit dem Versuch der Unterhaltspflicht zu entgehen, behaupten die Väterrechtler, dass sie vermehrt an der Obsorge ihrer Kinder beteiligt sein wollen. Konkret geht es aber in der Auseinandersetzung um die gemeinsame Obsorge darum, überall dort Mitspracherechte zu bekommen, wo Männer in das selbstbestimmte Leben ihrer früheren Partnerin eingreifen können. Mit der gemeinsamen Obsorge können z.B. Umzugspläne der Frau wegen eines besseren Job durch den Kindsvater verunmöglicht werden – die Mobilität der Frau ist somit an den »good will« des Ex-Mannes gebunden - und der Kontrolle, Überwachung und Bevormundung der Exfrau steht nichts im Wege.
Diese Väter kämpfen an vorderster Front gegen die alleinige Obsorge der Mutter, die vor allem bei Gewalttätigkeit des Vaters der Mutter nach gründlicher juristischer Prüfung durch das Familiengericht zugesprochen wird. Angestrebt wird eine allgemeine Reformierung des Obsorge- und Unterhaltsrecht an, wonach pauschal nur mehr die gemeinsame Obsorge ausgesprochen werden darf. Dies soll auch für unverheiratete Paare gelten. Umgekehrt werden immer wieder auch maskulistische Stimmen laut, die sich dafür einsetzen, dass eine Frau keinen Anspruch auf Unterhalt haben sollte, wenn sie ein Kind gegen den Willen des Erzeugers austrägt.

Und bist du nicht willig...

Weiters sehen sich Väter oft als pauschale Opfer von Wegweisungen, Betretungsverboten oder einstweiligen Verfügungen bei Gewalt gegen Frau und/oder Kind. Die Väterrechtsbewegung geht sogar so weit, von »unhaltbaren Vorwürfen« in Bezug auf sämtliche Formen männlicher Gewalt gegen Frauen zu sprechen. Besonders gefährlich werden väterrechtliche Positionen spätestens bei der These, dass Männer genauso oft, wenn nicht gar öfter Opfer von »weiblicher Gewalt« werden. Vorherrschende Gewaltverhältnisse und strukturelle Benachteiligungen von Mädchen und Frauen werden dabei negiert und Realitäten einfach umgedeutet. Väterrechtsorganisationen verbreiten in ihren Publikationen, dass Gewalt gegen Männer allgemein akzeptiert sei und für Frauen eine pauschale Unschuldsvermutung diesbezüglich gelte. Die Männer bzw. Väter seien immer die Bösen und hätten generell schlechtere Karten bei der Scheidung.

Dabei gäbe es innerhalb bestehender rechtlicher Grundlagen genug Spielraum für Väter, sich in die Erziehung ihrer Kinder auch nach gescheiterter Ehe oder Trennung von der Partnerin einzubringen. Dies wäre besonders lohnend, wenn Männer endlich beginnen würden, sich mit ihren Vorstellungen von Männlichkeit kritisch auseinander zu setzen und bereit wären, etwas von ihren bestehenden Machtverhältnissen herzugeben – denn dieses System, in dem wir alle leben müssen, nennt sich auch im Jahre 2010 nach wie vor Patriarchat und die Nutznießer dessen sind nun mal allesamt männlich.
Gegen Väterrechtler und jede Form von Antifeminismus!
Für eine freie Gesellschaft und Erziehungsformen jenseits heterosexistischer und kapitalistischer Normen.

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