Welsches und Kauderwelsches

Warum die Kritik an den Sprachfehlern der FPÖ eine Falle sein kann, warum Rechte aufklärungsresistent sind und mitunter auch ihre Aufklärer, und wie man die rechte Gefahr doch bannt.

Das Wort Welsch ist ausgestorben, bloß im Kauderwelsch, dem Ausdruck für unverständliches Geschwafel, lebt es fort. Dessen Bedeutung kennt man zwar, nicht aber seine Herkunft. Als welsch bezeichneten die Deutschsprachigen einst romanische Idiome, und als Welschen die Romanen, besonders Italiener, manchmal weitete sich der Begriff zum Synonym für Süd- und somit Femdländisches aus. Dies muss man wissen, um Karl Kraus’ ewig gültigen Aphorismus über die Sprachdummheit der Verteidiger der Heimat gegen Fremde und Fremdwörter zu verstehen: »Dem Kampf gegen das Welsche scheint eine heimliche Sympathie für das Kauderwelsche zugrunde zu liegen.«
Bei den letzten Gemeinderatswahlen lud die FPÖ mit so vielen Sprachschnitzern Spott auf sich, dass man nicht umhin kam, an satirische Sabotage zu denken. Karl Kraus hätte in seiner Sprachkritik auch vor den Aufklärern nicht halt gemacht und deren Phrasengebrauch härter geahndet als Tippfehler auf FPÖ-Plakaten, welche ja bloß beweisen, dass die rechten Stammtische so fleißig bis zur Sperrstunde agitieren, dass sich das Lektorat ihrer Druckwerke nicht mehr ausgeht. Er wusste aber auch, dass dem rechten Pöbel die Liebe zum Eigenen bloß als Vorwand zum Hass auf das Fremde dient.
Der Spott der sprachlich selbst dürftigen politischen Mitte über die Sprachschwäche des rechten Mobs geht diesem seit Jahren auf den Leim. Wenn sich die FPÖ Loosdorf auf einem Wahlplakat als FPÖ Loosdof entlarvt und eine andere Sektion ihre Heimatgemeinde Pyhra zu Phyra macht, hält man es entweder für unfreiwillige Satire oder aber Streiche listiger Saboteure, doch niemand käme auf die Idee, dass die funktionalen Analphabeten aus freien Stücken die Hose runter- und es frei rinnen lassen. Denn beim ersten Mehrheitssieg ihrer Partei würde den Besserwissern ohnehin das Lachen vergehen.
Der steirische FPÖ-Abgeordnete Zanger zum Beispiel wusste seine Forderung, Migranten müssten die Sprache lernern, in einen Marketingvorteil zu wenden: »Was meint ihr? Hätten wir ohne den Druckfehlerteufel auch eine halbe Seite Gratiswerbung in der ,Kleinen Zeitung’ bekommen?«, fragte er augenzwinkernd auf Facebook. So unabsichtlich die Fehler am Anfang gewesen sein mögen, keine individuelle Schwäche, die sich nicht zur kollektiven Stärke bündeln ließe, kein Einzelgestank, der in der Meute nicht Parfum sein darf. Die Orthographiefehler avancierten in einer eigentümlichen Verquickung von spaßkultureller Gleichgültigkeit, gekränktem Stolz und Kalkül zu Wiedererkennungskokarden einer Bewegung. Das erinnert an den ehemaligen Wiener FPÖ-Chef Hilmar Kabas, der, um einer Ehrenbeleidigungsklage zu entgehen, darauf insistierte, Präsident Klestil nicht Lump, sondern Hump oder Dump genannt zu haben. Diese charaktertypische Mischung aus Feig- und Dummheit ging prompt in die Offensive, als die FPÖ Wien Wochen später bei Wahlveranstaltungen bunte aufgeblasene Humpis und Dumpis verteilen ließ.
Kritik greift bei den Rechten ins Leere, und die satirische Fingierung von rechter Sprachdummheit ist gleichfalls nicht klüger als diese, weil sie das Kritisierte nur infantil verdoppelt und dadurch den wahren Charakter des rechten Ressentiments verkennt. Der einzelne Rechte weiß sehr gut, dass er ein Hosenscheißer ist, eben deshalb braucht er das Kollektiv, das ihm seine Würde wiedergibt. Kein rechter Hooligan, der den Ausländer mit gepflegtem Deutsch nicht mehr hassen würde als den mit gebrochenem – prügeln will er beide. Und kaum ein Fehler in rechten Broschüren, ob echt oder fingiert, der nicht Klartext spräche: Egal ist’s uns, ob wir die Sprache, welche die verdammten Ausländer gefälligst zu lernen haben, können oder nicht. Auch wenn wir sie nicht können, beherrschen können wir sie allemal. Es ist unsere Sprache, und mit ihr werden wir tun und lassen, was wir wollen. Auch foltern und vergewaltigen, denn sie ist unser Privatbesitz, und nichts anderes tun wir tagtäglich. Wir lieben sie nicht, aber wir hassen die der anderen, schließlich lieben wir uns selbst nicht, dafür wissen wir, wen wir hassen. Die Ausländer können vielleicht unsere Sprache imitieren, aber unsere Sprachfehler erlernen sie nie. Sie haben ihre eigenen Deutschfehler, an denen wir sie erkennen. Die fremden Stammler können bestenfalls sprachgewandte Klugscheißer werden, die wir auch nicht mögen, aber niemals werden sie einheimische Stammler wie wir, welche einzig und allein das Anrecht auf eine stacheldrahtbewehrte Volksgemeinschaft haben.

Gegen das Gesindel, das man selbst ist

Früher einmal hatte man mit dem Rassekonzept ein praktisches Mittel zur Hand, fremdstämmige Träger der eigenen Kultur als unecht auszuschließen. Das Konzept ist etwas aus der Mode gekommen, doch das ihm zugrundeliegende ideologische Bedürfnis weiß sich allemal zu helfen.
Ein rationaler Kern wohnt der rechten Irrationalität bestenfalls in Form von Konkurrenzangst inne. In der Diffamierung syrischer Flüchtlinge als potenziell kriminelles und islamistisches Gesindel übertönt sich selbst die Angst davor, von einer neuen Schicht qualifizierter, anpassungswilliger und kultivierter Arbeitskräfte zu dem Gesindel gemacht zu werden, das man längst ist. Im ausländerfeindlichen Obdachlosen drückt sich diese Verquickung von sozialer Deprivation und ihrer nationalistischen Fehldeutung am klarsten aus: Die eigene Familie habe einen verstoßen und lasse lieber die Kanaken an ihrem Tischchen speisen. Man weiß, dass die neuen Einwanderer, härtere Lebensbedingungen haben sie flexibler gemacht, alsbald ein besseres Deutsch sprechen als man selbst und vielleicht bessere Jobs, sogar bessere Umgangsformen haben werden. Die Verachtung von Weltläufigkeit und Bildung, wichtige Zutaten auch des modernen Antisemitismus, schafft sich den idealen Ausländer im zurückgebliebenen, kulturell differenten Parallelweltbürger, dem man sich ähnlicher und doch überlegen wähnt. Am Verhältnis etwa zu einer gut integrierten iranischen Akademikerschicht ließe sich diese Ambivalenz des Ressentiments schön erkennen. Einerseits muss man diese als die guten Ausländer dulden, andererseits heizt sie eine noch größere Antipathie an, weil sie den rechten Wunschtraum von der Nichtintegrierbarkeit der Fremden unterläuft, deren Integration nicht ernsthaft gewollt, als Disziplinierung und Demütigung aber gefordert wird. Die Attraktivität des alerten Oberarztes iranischer Herkunft lässt den rechten Dünkel zudem mit Sexualneid fermentieren. Deutschlands Ehrentürke und Lieblingsschwiegersohn Errol Sander kann sich noch so sehr abmühen, seine Turkishness vorabendserienkompatibel einzudeutschen, nur die Schwiegermütter wollen ihn, denn wie schon beim Juden damals wie heute muss er ein gut gelackter Fremdkörper bleiben.

Den Mann von der Straße abholen

Hierin gleicht Herr Sander allen Versuchen der politischen Mitte wie der Linken, potenziellen Rechtswählern sprachlich entgegenzukommen, ein geistiger Populismus, der durch Volksnähe punkten will. Eingängigkeit, die sich als antielitär versteht und doch nur vorm Marktgesetz besserer Verkäuflichkeit zu Kreuze kriecht. Linke Volkstribunen, die Kapitalismuskritik im Roland-Düringer-Sprech verkünden und bloß erreichen, dass bald alle Intellektuellen so reden und schreiben, aber kein Rechter zuhört. Mit der Kritik der Obergescheitheit, die dem insgeheim verachteten Pöbel die Angst nehmen will, wird zugleich die Gescheitheit exorziert. Denn der Unterschied zwischen elitärem Jargon und einer möglicherweise sperrigen, aber geistvollen Sprache verschwimmt im Bewusstsein der volksnahen Didaktiker, die den fiktiven Mann der Straße als Ausrede für den eigenen Antiintellektualismus vorschieben. Der Antiintellektualismus aber ist die gefährlichste, weil am meisten vernachlässigte Form des Rassismus. Er durchzieht als einigendes Band die gesamte Gesellschaft und zeigt sich bloß in unterschiedlichen Fratzen. Ihn an den unteren Schichten zu verspotten verrät Bildungsdünkel der Halbgebildeten und täuscht sich über die eigene Mittäterschaft hinweg. Denn Geistfeindlichkeit ist keineswegs nur ein Problem der Rechten, für die sie ohnedies das geringste Problem ist.
In der Abneigung gegenüber sprachlicher Brillanz etwa, dem Gleichklang von Witz, Analyse und Eleganz, von Sätzen, die zum Denken zwingen und das Bewusstsein geschmeidig halten, verbiedert sich markttaugliche Intelligenz mit rechtem Ressentiment. Ersterer, von klein auf gefüttert mit Meinungsprosa und Faktencheck, erscheint sie als eitler Tand, letzterer als Hirnwichserei. Die prekarisierten Intellektuellen, auf die der fiktive Mann der Straße ohnehin runterschauen würde, verbannen diesem zuliebe das Hirn aus dem Kompositum. Der Mann von der Straße aber wechselt die Straßenseite, wenn die volksnahen Intellektuellen ihn in seinem eigenen Argot ansprechen. Denn er durchschaut die Anbiederung. Noch so räudige Wienerlieder können die Bildungsbürger singen, es hallt nur in der hochsubventionierten Kulturblase wider – den echten Wiener schert es nicht, und das Wienerlied ist ihm so egal wie dem Balkanwiener die echte Volksmusik vom Balkan. Wenn die kleinbürgerlichen Intellektuellen auf Prolet machen, weichen die kleinbürgerlichen Proleten eben in den Dadaismus aus und prahlen mit ihren Grammatik- und Tippfehlern. So rutscht alles nach unten und rechts und niemand hat was davon, außer die Zyniker ihren Spaß.

Unbelehrbare Belehrer

Der Rechte weiß nur zu gut, dass er die Muttersprache nicht besser kann als die meisten Migranten, er weiß aber auch, dass Dunkelhäutige nicht stinken, die Juden nicht die Weltverschwörung planen und die syrischen Flüchtlinge des letzten Jahres keine eingeschleusten Gotteskrieger sind.
Völlig sinnlos ist folglich jeder Versuch, ihm mit Argument und Faktencheck beizukommen, denn das Ziel jeder rechten Ordnung ist ja, den zivilen Common Sense von Argument und Faktizität zugunsten einer Hegemonie des Ressentiments abzuschaffen, um von lästiger Ratio befreit eine kollektive Abfuhr destruktiver Gefühle erleben zu dürfen.
Aufklärung hat somit nur als Selbstvergewisserung Sinn, als Vertiefung des bereits Gewussten, als Ohrfeige, um sich aus dem Schlaf der Vernunft zu wecken, als Ermutigung gegen die Schockstarre im Angesicht des Tsunamis der Unvernunft, der am Horizont gegen uns rollt. Sie ist der permanente und notwendige Versuch, sich durch die eigene Ohnmacht nicht verrückt machen zu lassen. Als Sprachkritik aber hat sie die reinigende Funktion, die eigene geistige Konformität, die sich immer auch in Syntax und Wortwahl zeigt und nur zu gerne rechten Prolos in die Schuhe geschoben wird, einzugestehen und zu bekämpfen. Gering stehen die Chancen, nur irgendeinen Rechten von seinem Wahn zu heilen, besser schon die, dass der gesellschaftliche Rest sich davon heilt, was ihn unerkannt mit diesem verbindet.
Egal ob man an das Gute, Schöne, Wahre im Menschen, kurzum: den Engel in ihm appelliert, oder aber resignierend seine ewige Wolfsnatur konstatiert, es wird die rechte Gefahr nicht eindämmen. Eindämmen kann sie nur, das Öl am Auslaufen zu hindern, das sich in Form eines neuen Faschismus entzünden wird und in weiten Teilen Europas längst brennt. Dazu aber muss man sich eingestehen, dass jeder, nicht nur die Pegidaanhängerin und der muslimische Hassprediger, das Wölfische in sich trägt; und nur gesellschaftliche Bedingungen, die dem Menschen seinen Selbstwert restituieren, indem sie ihn davon entlasten, Konsum- und Wertschöpfungsvariable zu sein, in der Lage sind, das Wölfische zu sedieren, das Engelhafte zu wecken und zu fördern. Alle soziologischen Studien sprechen eine klare Sprache: Je größer die Kluft zwischen Einkommen und Chancen, desto größer die soziale Desintegration. Die Lösung liegt auf der Hand: größtmögliche Egalität.
Was die Sprache betrifft, bedeutete Egalität nicht die pseudodemokratische Senkung ihres Niveaus, sondern Zugangschancen aller zu ihrem höchstmöglichen Niveau. Dieses besteht jedoch nicht etwa in hochgestochenem Duktus oder akademischem Insiderjargon, sondern in größtmöglicher Vielfalt und Vertiefung ihrer Möglichkeiten. Deren Konformierung geht einher mit der Konformierung des Bewusstseins. Soziale Egalität und geistiger Individualismus bedingen einander und zeigen sich, die eine auf materieller, der andere auf ideeller Ebene, als einzige Gegengifte zum ideologischen Wahn, zu ihrem Leidwesen aber auch zu jener Ordnung, die in ihrem Selbsterhaltungszwang permanent Öl ins Feuer des nationalen, des religiösen, des faschistischen Wahns gießt.
An der Sprache lässt sich das alles ablesen. Die Intellektuellen, die den Zusammenhang zwischen der vorherrschenden ökonomischen und politischen Irrationalität und dem Erstarken der Rechten in Europa nicht verstehen, bleibt nichts, als sich arrogant über die sprachliche Dummheit der Rechten zu stellen oder ihr missionarisch entgegenzukommen. Dass sie selbst nicht Antithese, sondern Teil eines Kontinuums der Verblendung und Ohnmacht sind, davon legen sie tagtäglich in ihren Kolumnen, Postings, Blogs und Pamphlets Zeugnis ab.

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