[Eine deutlich verbesserte Fassung dieses Artikels ist erschienen in Futurezone: http://futurezone.orf.at/it/stories/224793/ ]
Immer wenn ich den Fernseher einschalte, dann sehe ich, oft zu den besten Sendezeiten, Quizshows, bei denen es etwas zu gewinnen gibt. In großem Variantenreichtum hat man heute diese Wettbewerbe. Da sind solche, bei denen das einfache Beantworten von Fragen schon reicht, um eine Million zu gewinnen, bis hin zu solchen, bei denen man als Möchtegern-Popstar oder Tänzer miteinander konkurriert, um in die nächste Runde zu kommen. Von Leuten, die dann tatsächlich einen Geldpreis gewinnen wird erwartet, zu erröten und einen kleinen Nervenzusammenbruch zu bekommen, so wie man sich eben im Fernsehen bei Preisverleihungen verhält, in diesem quasiprivaten Moment vor Millionen. Doch es geht mir nicht um diese Quizshows und Wettbewerbe, worauf ich hinaus will ist das, wofür deren Beliebtheit steht. Es ist Ausdruck einer Gesellschaft, die den Wettbewerb als Grundform allen Strebens verinnerlicht hat. Seit der konservativen Wende Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre mit Reagan, Thatcher, Kohl, hat sich ein neues Menschenbild etabliert, bei dem der nackte Materialismus als zu den höchsten Eigenschaften gehörig verstanden wird, wo laut Baronin Thatcher und ihrem unverwechselbaren Sinn fürs Pointierte, Gier gut ist und mittlerweile auch in der Mitte Mitteleuropas dem Geiz erotische Eigenschaften zugesprochen werden. Insbesondere seit dem Zusammenbruch der Sovietunion wird nun wieder so getan, als sei dieses Menschenbild nicht mit einem bestimmten Gesellschaftstyp verbunden sondern Ausdruck der menschlichen Natur. Da frage ich mich dann häufig, ob ich nicht in einer völlig anderen Welt lebe.
Ich erwache an einem sonnigen Spätspommertag zu Nachrichten von einer äußerst erfolgreich verlaufenen Demonstration in Berlin mit 15.000 TeilnehmerInnen (siehe Heise Bericht). Es ging bei dieser überparteilich organisierten Veranstaltung um die jüngsten Bestrebungen hin zu weiterer Verschärfung der Überwachungsarchitekturm in Deutschland - so wie das vor allem durch den Innenminister betrieben wird. Danach werfe ich einen Blick auf die Website, die ich gerade baue (sehr wahrscheinlich dieselbe, auf der ich die erste Variante dieses Textes publizieren werde). Ich verwende dazu Drupal, ein "freies" Content-Management-System. Ihr, liebe Leserinnen und Leser, wisst natürlich, was dieses frei bedeutet, ich brauche euch nicht mehr aufzuklären. Von freier Libre Software zu kopierlinkem Gedankengut a la Lessig ist nun schon die ganze junge bildungsbürgerliche Bevölkerung von FLOSSigen Gefühlen bewegt.
Der Paradigmenwechsel hat bereits stattgefunden. Ich merkte es auch neulich auf der Ars Electronica. Als einige der Vortragenden ihre Slides mit Open Office auf einer Linuxplattform präsentierten - und in einem Fall sogar per Shell Script und mit Hilfe eines minmimalistischen Slideshow-Programms - da ging ein ahh durch das Publikum, es wurde positiv aufgenommen. Bei meiner zugegeben recht ungeschickten Drupal-Implementierung habe ich mitunter Fragen und ich muss sagen, in dieser Hinsicht hat sich einiges geändert. Während es früher vielleicht tatsächlich in Linux-Listen und Foren etwas rauher zugehen konnte, gehört ein guter Umgangston bei ernstzunehmenden FLOSS-Projekten heute zum Normalfall.
Um es also zusammenzufassen, wenn ich mir diese eine Welt ansehe, dann sind alle Menschen ungefähr so, wie das auch die Wirtschaftswissenschafter und Spieletheoretiker sehen, nämlich gewinnmaximierende, rationale Optimierer - oder etwas dieser Art. Und wenn ich mich in der Welt bewege, in der ich eigentlich mehr Zeit verbringe, dann arbeiten da Leute freiwillig gemeinsam an riesigen Projekten und sind dann in ihrer Freizeit auch noch bereit, Neulingen geduldig Antwort zu geben. Die Freude am Schaffen und die Zusammenarbeit sind in diesem Fall schon die ganze Motivation und nicht erst ein Geldpreis.
Diese kollaborative Methode ist so erfolgreich in der Software-Welt, dass ihre Tauglichkeit für andere Bereiche auf die Probe gestellt wurde. Naturgemäß ist es auch im künstlerisch, kulturellen Bereich so, dass Copyleft-Strategien auf lange Sicht besser sind. Aber kurzfristig ist es hier viel unklarer, wohl wegen der Propaganda der Copyright-Industrien. Wobei dazu gesagt sein sollte, dass es in allen Bereichen der 'kreativen Industrien' nur ungenau feststellbar ist, wo die Grenze zwischen labour of love und Cyber-Knechtschaft und Prekariat verläuft.
Mir scheint jedenfalls, dass frei nach etwas, das Brian Holmes auf Nettime geschrieben hat, dieser Widerspruch zwischen den Zweckoptimierern und denen, die in kollaborativen Projekten ihre libidinöse Überschussenergie verschwenden, nicht aufzulösen ist (Die genaue Stelle finde ich nicht, doch dises Posting gibt einen guten Einstieg Bfrian Holmes: About Adam Curtis). Mir scheint, dass die andere Seite eine flasche Grundannahme von der Art trifft, die Welt ist böse also muss ich auch böse sein. Doch es ist bereits erwiesen, das das falsch ist und deshalb werden es täglich mehr, die auf die kollaborative Methode umsteigen, ganz ohne Zwang. Das heißt einfach , wir werden 'gewinnen'(was immer das heißt;-).