Vortrag: Die Entfremdung überwinden: Die Kunst der Neuen Tendenzen (1961 - 1973)

Jour fixe Kulturwissenschaften
Donnerstag, 26. September 2013 / 16. 30 Uhr
Ort: ÖAW, Museumszimmer, Dr. Ignaz-Seipel Platz 2,1010 Wien
ARMIN MEDOSCH (London)
Die Entfremdung überwinden: Die Kunst der Neuen Tendenzen (1961-1973)

Eine Ausstellung in Zagreb im Jahr 1961 wurde zum Ausgangspunkt für die nternationale Bewegung und Serie von Ausstellungen unter dem Titel Neue Tendenzen (NT). Die NT stellen wichtige Vorläufer einer politisch engagierten Medienkunst dar. Sie wollten, wie der Titel sagt, die Entfremdung überwinden helfen, doch dazu benutzten sie die neuesten Medien und Materialien. NT entwickelten eine Vorstellung von Kunst als Forschung über Modalitäten der
Wahrnehmung. Davon erhofften sie sich zugleich eine emanzipatorische Wirkung, da die Betrachter zu Co-Autoren werden. NT erlebten ihren ersten Höhepunkt Mitte der 1960er Jahre, wandten sich später der visuellen Forschung mittels des Computers zu und zeigten 1973, in der letzten großen Ausstellung, kinetische, Computer- und Konzeptkunst nebeneinander.

Die Geschichte der NT wird in enger Verzahnung mit den politischen, ökonomischen und technologischen Entwicklungen der Zeit interpretiert. NT kreierten einen unorthodoxen Modernismus, der nur im blockfreien Jugoslawien entstehen konnte, eine Form der linken künstlerischen Utopie, die infolge des anti-technologischen Turns der post-1968-Linken ebenso wie -Kunst in Ungnade fiel. Dieses andere, "blockfreie" Utopia wollte Kunst und Wissenschaft zusammenbringen, jedoch auf Augenhöhe, und von einer emanzipatorischen, anti-elitären Agenda getragen. NT erschien am Höhepunkt des wirtschaftlichen Nachkriegsbooms und zugleich an der Kippe des Modernismus, als eine von des
sen letzten konstruktiven Avantgarden. Mit ihrer Beschäftigung mit Informationstheorie und Kybernetik entwickelten NT innerhalb des fordistischen
Paradigmas die Grundzüge einer Informationsästhetik. NT sind somit wichtige Vorläufer einer politisch engagierten Medienkunst.

Armin Medosch
ist freischaffender Autor, Forscher und Kurator. Als Mitbegründer des Online-Mediums Telepolis hat er zum Aufbau eines kritischen Diskurses über Netzkultur beigetragen. Neben Ausstellungen, Konferenzen und der Herausgabe von
Büchern arbeitet er freiberuflich bei Oe1, ORF Wissenschaftsredaktion. Website:
http://www.thenextlayer.org