Donaukino an der Lände der Stadtwerkstatt

Auch in diesem Sommer, am 7. und 8. Juli, zeigt Stadtwerkstatt bei freiem Eintritt zwei besondere und, wie wir denken, für die spezielle Location bestens geeignete Filme auf der Donau.

SUN RA: SPACE IS THE PLACE
Samstag, 7. Juli, 21.00 Uhr

Afro-Futurismus Revisited.
Von Didi Neidhart

Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Niederhall die »Black Science-Fiction« bzw. der Afro-Futurismus im Kino gefunden haben. Denn abgesehen von »Brother From Another Planet« (USA 1984) schaut es eher düster aus. Zwar gibt es im Star Trek-Universum (zu dessen Fans u.a. Martin Luther King und Sun Ra gehörten) immer wieder Anklänge, aber selbst von einem Sci-Fi-Autor wie Samuel R. Delany gibt es außer einer Doku (»The Polymath, or The Life and Opinions of Samuel R. Delany, Gentleman«, USA 2007) nichts. Das änderte sich auch nicht, als in den 1990er Jahren mit TV-Dokus wie John Akomfrahs »The Last Angel of History« (UK 1996) oder Büchern wie dem von Diedrich Diederichsen herausgegebenen Reader »Loving The Alien - Science Fiction. Diaspora. Multikultur« (1998) und vor allem Kodwo Eshuns »Heller als die Sonne - Abenteuer in der Sonic Fiction« (1999) afro-futuristische Alien-Thematiken zumindest im Popdiskurs eine Hochkonjunktur hatten.

So bleibt Sun Ras 1972er »Space Is The Place« neben diversen Musikvideos (exemplarisch dargestellt etwa in erstmals 2000 im TV ausgestrahlten Feature »Fantastic Voyages 3: Space Is The Place« von Christoph Dreher mit Kommentaren zu afro-futuristischen Videos von Diederichsen und Eshun) eigentlich der einzige Kinofilm zum Thema.

Sun Ra besucht dabei die Erde mit seinem durch Musik betriebenen Raumschiff (eine Idee, die wenig später George Clinton als Dr. Funkenstein mit der P-Funk-»Mothership Connection« von Parliament/Funkadelic weiterführen wird) um Menschen (hauptsächlich Afro-AmerikanerInnen, jedoch auch Hispanics und Weiße) auf seinen Planeten zu bringen. Einen Ort, an dem im Gegensatz zur Erde auch die Musik und die Vibrations anders sind. Zusätzlich lässt er sich auf ein tückisches Kartenspiel mit The Overseer ein, einem Pimp wie aus einem Blaxploitation-Film, der - ganz Gangsta - vor allem materielle Gewinne aus den Black Communities lukrieren will.

Sun Ra entfaltet hier seine ganze Kosmologie der elementaren »schwarzen Erfahrung« der Alienation, weshalb das Weltall als einziger Space übrig bleibt, an dem »schwarze Menschen« einen Place haben. Sein berühmter Spruch »History is not my story. My story is a mystery« taucht an zentralen Stellen immer wieder auf. Etwa als er (komplett in ägyptischem Outfit) vor Black Power-Jugendlichen spricht, die ihn zuerst für eine Witzfigur halten, dann jedoch seinen Worten lauschen, als er davon erzählt, dass »Schwarze« in den USA immer nur als Mythos gesehen werden (als stellvertretend leidende Blues etwa oder als Menschen, denen »Rhythmus im Blut« unterstellt wird) und daher keine Realität darstellen. Sun Ras »I‘m not real« hat hier nichts mit metaphysischem Hokuspokus zu tun, sondern nimmt das von W.E.B. DuBois schon 1903 in »The Souls of Black Folk« beschriebene »doppelte Bewusstsein« (als zwar dem Gesetz nach US-StaatsbürgerInnen, jedoch von der Gesellschaft ausgeschlossene Individuen) wie das Dilemma von Ralph Ellisons »Invisible Man« aus 1947 wörtlich. Welchen Preis müssen die Unsichtbaren für die Sichtbarkeit zahlen, welche Freiheiten sind nichts weiter als perfide Kontrollmechanismen repressiver Toleranz? Was gibt es jenseits von Integration, Assimilation, Segregation und Seperatismus? Wie lebt es sich in der Diaspora, wie sinnvoll ist ein »Black Nationalism« oder ein Afrozentrismus?

Die Komplexität der Thematiken mag dabei mitunter verwirrend sein, zeigt aber auch, dass all die realpolitischen Themen, Widersprüche und Diskurse der 1970er (»Black Capitalism«, Gangsta, »Black Power«, Afro-Futurismus) immer noch eine Aktualität besitzen, der wir, zusammen mit Paul Gillroys »Black Atlantic«-Komplex in Debatten rund um HipHop (Gangsta versus Consciousness), Techno (Cyborgs oder Aliens), Digi-R&B (Realness versus Künstlichkeit) und Dub Step (Utopien versus Dystopien) auch heute noch begegnen.

Wie politisch »Space Is The Place« immer noch ist, zeigt sich auch an Hand der Sci-Fi-Serie »Stargate«. Dieses gleichsam als rassistische Negativfolie des Afro-Futurismus konzipierte Space-Abenteuer bringt es ja wirklich fertig (dunkelhäutige und immer auch etwas queer erscheinende), ägyptische Gottheiten als böse Aliens darzustellen, die mit ihren Pyramiden-Raumschiffen nur Zerstörung im Sinn haben. Dementsprechend werden sie dann u.a von Asgard(!)-Raumschiffen immer wieder vernichtet. Eine Anti-Mothership Connection der Extraklasse, die gegen die von Sun Ras Arkester erprobten Sonic Weapons immer wieder aufgefahren werden müssen. Nicht umsonst beginnt »Space Is The Place« mit dem apokalyptischen Refrain »It‘s After The End Of The World«.

Space Is the Place (Regie: John Coney, Drehbuch: Sun Ra, USA 1972/1974, Director‘s Cut, 82 min, OF)

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Didi Neidhart, Chefredakteur von Skug wird am 7. Juli auch eine Filmlecture geben.
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L‘ATALANTE (Jean Vigo)
Sonntag, 8. Juli, 21.00 Uhr

Die lebensfrohe Juliette heiratet Jean, den jungen Kapitän der »L’Atalante«. Direkt nach der Zeremonie gehen sie an Bord und legen ab – mit dabei der raubeinige Bootsmann Jules. Schnell langweilt sich Juliette auf dem alten Kahn und als sie in Paris das Schiff nicht verlassen darf, reißt sie kurzerhand aus.
Das poetische Langfilmdebüt des gerade einmal 29-jährigen Jean Vigo war zugleich sein letzter Film. Vigo überlebte die Dreharbeiten nur knapp. Er starb im Oktober 1934 an Tuberkolose. Die tragikomische Liebesgeschichte erzählt in wunderschönen Schwarzweißbildern und mit leisem Humor vom Leben auf einem alten Seine-Schlepper,
der am 8. Juli auf die Donau projiziert wird.
»The film is a masterpiece not because of the tragic story of its maker nor because of its awkward genesis, but because, as Truffaut has said, in filming prosiac words and acts, Vigo effortlessly achieved poetry«. The Guardian

L´Atalante, (Regie: Jean Vigo, F 1934, ca. 85 min..Mit Michel Simon, Dita Parlo und Jean Daste.

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