Sozialdemokratische Innovationen oder:

Profilierung von Jungsozialisten mit familiären Kontakten zum Herrn Bürgermeister.

Heuer ist das Buch »Freie Netze. Freies Wissen« erschienen. Die Herausgeber Leonhard Dobusch und Christian Forsterleitner, zwei aufstrebende Jungsozialisten, liefern in ihrem Buch eine umfassende Recherche zum Thema Freie Software, Open Source, Partizipation, Freiheit im Netz und der Veränderung des Wissens und der Bildung auf leicht verständlichem Niveau.
Wie die Linzer Medienaktivistin Aileen Derieg schon in einer auf servus.at und in den Kulturrissen veröffentlichten Buchbesprechung kritisch feststellte: »Allein als Interviewsammlung wäre es ein durchaus lesenswerte Publikation, auch wenn manche gestellten Fragen etwas an Tiefgang zu wünschen übrig lassen.«
Was uns am meisten zu Bedenken gibt, ist, dass aus einer durchaus interessanten Interviewsammlung und einzelnen Kapiteln kommunale Projektvorschläge extrahiert wurden, die offensichtlich darauf abzielen, die europäische Kulturhauptstadt Linz zu einem kommunalen 'Role Model' digitaler Freiheiten zu machen. Dass bei diesen Projektvor-schlägen Ideen auftauchen, die weder neu sind, sondern der Zeit eher hinterher eilen, ist nicht weiter verwunderlich. Aber dass einige dieser »innovativen« kommunalen Projektevorschläge im Zusammenhang mit Freiheit verkauft werden, lässt einem doch etwas stutzig werden.
Ziel eines dieser Projekte, dem »Public Space Server« ist es ALLEN EinwohnerInnen mit Hauptwohnsitz Linz kostenlosen Webspace zur Verfügung stellen. Es handelt sich dabei um einen kommunal betriebenen Server, den BürgerInnen, von wo auch immer aus, nutzen können, um hier Inhalte, Software etc. in eigenen Verzeichnissen ablegen zu können. Jedenfalls scheint hier von BürgerInnen die Rede zu sein, für die es kein Problem ist monatliche Internetkosten zahlen zu können, denn das Projekt sieht leider keinen Gratis-Anschluss in allen Haushalten vor, den wir uns wünschen würden.

Eine Begründung, warum ein »Public Space Server« jetzt so wichtig sei, ist, dass kommerzielle Gratis-PlattformbetreiberInnen (Yahoo, MySpace,..) nur Böses im Hinterkopf haben. Genannt werden die Speicherung von persönlichen Daten oder Zensur in der Meinungsfrei-heit auf Gratis-Plattformen. Gut und schön oberflächlich betrachtet und nicht ins Detail gehend, würden wir mit dem Argument oder der Feststellung ja einverstanden sein. Auch dass es im virtuellen Raum ausreichend Platz geben muss, der nichts mit kommerzieller Verwertung zu tun hat. servus.at betreibt ja eine solche Infrastruktur bereits seit 1996 für Kunst- und KulturproduzentInnen.

Dass BürgerInnen aber mehr Freiheiten hätten, wenn sie den »Public Space Server« benutzen – das wagen wir zu bezweifeln oder besser gesagt, hätte das für uns nichts mit Freiheit zu tun.
Wir bezweifeln jedenfalls, dass kommerzielle Unternehmen die Gratis-Plattformen betreiben, die Einzigen sind, die an einer sinnvollen Verknüpfung von Daten interessiert wären! Es stellt sich hier doch die Frage wer zuerst die Gesetzesbeschlüsse im Zusammenhang mit Telekommunikation umsetzen wird und wer mit anderen Einrichtungen (Polizei, Meldeamt, Passamt, ...) gerne zusammen arbeitet! Bei braven BürgerInnen ist das aber alles kein Problem?

Staatlich und/oder kommunal »verordnete« Freiräume können keine Freiräume sein, sondern maximal Kontrollräume der ersten Instanz. Alleine die Idee, dass ein Meldezettel darüber entscheidet, ob man diesen installierten »Freiraum« benutzen darf, ist doch bedenklich. Es scheint aber die Grundbedingung zu sein, um so einem Gratis-Webspace der Stadt Linz zu kommen. Nicht nur in diesem Projekt wird ein Freiheitsbegriff in Zusammenhang mit Wissen und freien Netzen etwas widersprüchlich auf eine kommunale Ebene übersetzt. Ein weiterer Grund für die Motivation des Projektes ist auch noch ein »Beschäftigungsprogramm« für BürgerInnen, dass endlich verborgene Kreativität und Partizipation in angebotenen Volkshochschulkursen zum Erblühen bringen soll. »Die VHS könnte Kurse zum Erstellen von Homepages, Wikis und Blogs mit freier Software anbieten, die auf dem »Public Space Server« sofort online gehen können«, so ein weiteres Argument von Christian Forsterleitner.
Prinzipell kann es nicht schaden generell öffentliche Bildungseinrich-tungen an die Jetztzeit anzupassen – das würden auch wir unterschreiben.
Die Rolle der MotivationstrainerIn, um die Kreativität von BürgerInnen in die Gänge zu bringen, wird jedenfalls dem neuen AEC zukommen. Kein unwesentlicher Aspekt ist auch, dass der »Public Space Server« schließlich Inhalte braucht! Vielleicht liegt auch die Befürchtung nahe, dass sonst jede(r) LinzerIn nur Ihre Urlaubsbilder veröffentlichen würde?

Weiters entnehmen wir von der Webseite der SPÖ Linz (http://www.ooe.spoe.at/9782+M51dc84c7d94.html) - Die Aufgabe des AECs sollte es sein künstlerische Aspekte einzubringen. Das AEC solle eine eigene Initiative starten, einen »Public Cultural Server« zu installieren, um Kulturvereinen mit Sitz in Linz zusätzlichen Webspace zu bieten. Sollte das ernst gemeint sein, sind wir damit, falls hier an größere Investitionen gedacht wird, nicht einverstanden und es wundert uns, dass das auch ein Anliegen von Gerfried Stocker sein soll, der uns ständig erklärt, dass das Betreiben einer eigenen Server Infrastruktur obsolet sei, oder ist hier nur jene gemeint, die nicht vom AEC betrieben wird? Oder ist es generell so, dass diese Server dann ohnehin bei der Linz AG oder bei Liwest stehen?

Liest man jedenfalls das im Dezember 1998 entstandene gelbe Positionspapier, das im Rahmen eines Treffens österreichischer ExpertInnen und Kulturschaffenden zum Thema Access, Medien, Bildung etc. erarbeitet wurde, wird einem bewusst, wie weit vor 10 Jahren bereits unabhängige ProtagonistInnen gedacht haben. Auch wenn sich dieses Papier ausschließlich auf Kunst- und KulturproduzentInnen bezogen hat, ist es verwunderlich, dass diese Arbeit keinen nennenswerten Platz in der Publikation gefunden hat.
In einem Auszug aus dem gelben Papier, der sich in dem Zusammenhang wie back to the future liest, hieß es damals: »Die Homogeni-sierung der Gesellschaft und die schleichende Entmündigung der BürgerInnen durch den Transfer von Entscheidungskompetenz zu ExpertInnensystemen und technisch operativen Abläufen bedingt als Gegengewicht die Notwendigkeit zur Stärkung der Zivilgesellschaft durch die emanzipatorische Nutzung neuer Technologien. Vor allem Kunst und Kultur können in diesem gesellschaftlichen Umbruch die Rolle der Wegbereitung für neue Inhalte und einen sozialen Einsatz von Technologie wahrnehmen: Kleine, bewegliche Einheiten schaffen als VorreiterInnen die Voraussetzung für eine Weiterentwicklung der Gesellschaft, indem sie mit experimentellen Projekten dem Mainstream Impulse geben und Grundlagenarbeit leisten.«
Während kleine bewegliche Einheiten ständig Rechfertigungsdruck haben und sich damit konfrontiert sehen, weniger oder kein Geld für eigene Infrastruktur zu bekommen, scheint es bei den »neuen« Projekten der Autoren kein Problem zu sein, auf kommunaler Ebene Infrastruktur als wichtigen Teil eines Projektes zu formulieren und durchsetzen zu können.
Beachtlich jedenfalls, dass der Antrag »Public Space Server« beim Gemeinderat am 18.10.2007 bei der Gemeinderatssitzung mehrstimmig angenommen wurde. Und es offensichtlich einen Auftrag für eine Machbarkeitsstudie gibt.

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