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Honourable Chief Sinazongwe |
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Chiefs sind die traditionellen Führer der 73 Volksgruppen des Landes.
Die Bevölkerung gliedert sich in 73 ethnische Gruppen, die meisten davon sind Bantustämme. Zu den wichtigsten zählen Bemba, Nyanja und Tonga. Jede der 73 ethnischen Gruppen ist einem Chief unterstellt, der innerhalb der Gruppe hohe Autorität genießt und für Recht und Ordnung sorgen soll.
Als wir in Sinazongwe ankommen, müssen wir gleich am nächsten Tag einen Antrittsbesuch beim Chief machen. Wir werden zu Chief’s palace gebracht und betreten ein großes, eingezäuntes Grundstück, auf dem zwischen den vielen Hütten Ziegen und Hühner herumlaufen. Wir erfahren, dass der Chief drei Frauen und viele Kinder hat, die alle auf diesem Areal leben. Außerdem zieht er auch die Kinder seines toten Bruders auf, wie es in Sambia üblich ist. Auf dem Grundstück gibt es auch ein kleines, gemauertes Haus, das dem Chief nur zur Arbeit dient, sein Privatleben findet in den Hütten statt.
Wir werden von einer Art Zeremonienmeister in eine rundherum offene „Audienzhütte“ - uns gegenüber eine Art Thron - geführt und instruiert, dass wir den Chief mit „honourable Chief“ ansprechen und bei seinem Eintritt aufstehen müssen. Die Umgebung passt für unsere Begriffe so gar nicht zu der großen Verehrung, die dem Chief entgegengebracht wird. Als er dann kommt, sehen wir uns einem sehr liberalen, offenen und gebildeten Mann gegenüber, der einige Tage später auch das neue Radiostudio besichtigt und sich von den Workshopteilnehmern für eine Sendung über die „displaced people“ interviewen lässt und in seinen Antworten große Kompetenz und Engagement für sein Volk erkennen lässt. Der Respekt, der ihm entgegengebracht wird, zeigt sich auch darin, dass die Menschen sogar von „honourable Chief Sinazongwe“ sprechen, wenn er gar nicht anwesend ist. Bei der feierlichen „Hand over ceremony“ des Studios wird er in den Reden der anderen Ehrengäste sogar mit „His royal highness“ angesprochen.
Auch vor unserer Abreise müssen wir noch einmal bei Chief’s palace vorbeischauen und uns offiziell von ihm verabschieden.
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Displaced people |
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Zahlreiche Menschen des Districts sind arbeitslos, denn außer Fischfang und Landwirtschaft auf einem wenig fruchtbaren Boden gibt es kaum Verdienstmöglichkeiten. Arbeitslosengeld oder Kinderbeihilfe kennen sie nicht, die Beschäftigungslosen halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Mit der Aufstauung des Sambesi zum Karibastausee wurde in den 50er Jahren den Menschen, die das fruchtbare Tal am Ufer des Sambesi bewohnten, die Lebensgrundlage entzogen. Sie wurden in das Hinterland verdrängt und haben nun keinen fruchtbaren Boden mehr. Die Versprechungen der Regierung wurden nur zu einem geringen Teil erfüllt, daher sind auch die Nachkommen dieser „displaced people“ auch heute noch extrem arm.
Eines Tages spricht uns auf unserem Weg zur Schule ein Mann an und bittet uns, in Österreich auf die Not dieser Menschen aufmerksam zu machen. Er erzählt uns, dass viele auf dem nackten Boden schlafen und in den kalten Nächten nicht einmal was zum Zudecken haben. Manche gehen sogar auf Mäusejagd, um etwas zu essen zu haben, und Krankheiten wie Malaria und Aids sind nicht nur für die ganz Armen eine Bedrohung.
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Community Radio als Hilfe zur Selbsthilfe |
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Das Community Radio gibt diesen Menschen nun die Gelegenheit, Informationen und lebenswichtige Aufklärungskampagnen in ihrer eigenen Sprache zu verbreiten und ihr Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Zugang zu Information kann zwar die elementaren Grundbedürfnisse wie Wasser und Nahrung nicht primär befriedigen, ist aber ein erster Schritt zur Selbsthilfe.
Da viele Menschen kein eigenes Radiogerät besitzen, haben wir in Österreich gebrauchte Radios gesammelt, nach Sinazongwe geschickt und an wichtigen Orten, wo viele Menschen zusammenkommen, (Schule, Markt, Chief’s palace, Bar...) aufgestellt.
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Straßenverhältnisse |
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Als die ca. 300 Kilometer lange Fahrt von Lusaka nach Sinazongwe zehn Stunden in Anspruch nimmt, bekommen wir eine Ahnung von afrikanischen Verhältnissen. Bis 17 Kilometer vor Sinazongwe sind die Straßen zwar asphaltiert, aber riesige Schlaglöcher zwingen unseren Chauffeur Saviour immer wieder zum Bremsen und Ausweichen und mehr als 70 km/h sind kaum möglich.
In und um Sinazongwe gibt es nur Sandpisten mit teilweise riesigen Steinen, über die das Auto im Zeitlupentempo drüberrumpelt. Obwohl wir unterwegs über weite Strecken weder Häuser noch Hütten sehen, fallen uns viele Leute auf der Straße auf. Je weiter wir von dem Hochplateau ins Tal kommen, umso weniger Autos begegnen uns und in Sinazongwe wird uns dann auch schnell klar, warum so viele Menschen auf den Straßen sind: Kaum jemand kann sich ein Auto leisten, daher werden weite Strecken zu Fuß zurückgelegt. Ein junger Mann erzählt, dass er 10 Kilometer gegangen ist, um in der Basic School am Radioworkshop teilzunehmen. Am Abend geht er dann wieder zurück, um am nächsten Tag wiederzukommen. Auch eine Lehrerin berichtet von einer Stunde Wegzeit für eine Strecke. Dazu muss man sich noch Sommertemperaturen von über 40 Grad und Sandwege ohne Schatten vorstellen.
Benzin kostet mehr als in Österreich, und die nächste Tankstelle ist ca. 100 Kilometer nördlich in Choma. Wenn den wenigen Autobesitzern das Benzin ausgeht, rufen sie jemanden an, der die wertvolle Flüssigkeit in Kanistern anliefert. Autopannen sind an der Tagesordnung, aber natürlich gibt es keinen Pannendienst, der schnell mal aus der Patsche hilft. Schon an unserem ersten Tag in Sinazongwe bleibt das Auto von Mr. Moyo, unserem Quartiergeber, in einem Wasserloch stecken und wir kommen mit zweistündiger Verspätung zu unserem Antrittsbesuch beim Chief. Denn es gibt kein Abschleppseil, und Markus improvisiert eine Abschlepphilfe aus Draht. Ein anderes Mal ist wieder der Starter kaputt, doch wir wundern uns immer wieder, dass das Auto die tägliche Rumpelei über die Steine überhaupt aushält.
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Wohnverhältnisse |
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Auf unserem täglichen Fußweg zur Basic School kommen wir an kleinen Häusern und Lehmhütten vorbei. Etwas abseits der Hütten stehen kleine gemauerte Latrinen und rund eingezäunte, ca. 2m2 große Flächen, die als „Dusche“ dienen, d.h., die Leute nehmen etwas Wasser in einem Gefäß dorthin mit und schütten es sich über den Körper. Trotz dieser äußerst einfachen Wohnverhältnisse sind die Hütten der Einheimischen keineswegs Slums. Die Flächen davor sind sorgfältig gekehrt und aufgeräumt. Die überall propagierte Kampagne „Keep Zanbia clean“ zeigt offensichtlich Wirkung.
Zwischen den Bäumen flattert frisch gewaschene Wäsche, für die das Wasser oft mühsam in Behältern auf dem Kopf nach Hause getragen wird. Hin und wieder sehen wir aber auch einen Wasserhahn vor einer Hütte, so wie es auch in der Basic School für 500 SchülerInnen und LehrerInnen einen einzigen Wasserhahn im Schulhof gibt. Das ist ein großer Luxus, denn viele Schulen in Afrika verfügen über kein fließendes Wasser.
Toiletten gibt es aber auch hier nicht, hinter den Schulbaracken finden sich etliche gemauerte Latrinen z.B. für „Girls grade 5-7“ oder „Male staff“. Dass man auf diesen Toiletten nicht sitzen kann, ist kein Problem und bei Hitze sicher auch hygienischer. Gewöhnungbedürftig ist allerdings, dass es keine Tür gibt und Privatheit daher nur erreicht werden kann, wenn man durch lautes Singen oder Pfeifen zu erkennen gibt, dass das Örtchen besetzt ist. Wir sind sehr dankbar, dass wir in unserem Guesthouse Wasserklo und Dusche haben. Auch einige Einheimische, die in gemauerten Häusern leben, verfügen schon über derartigen Luxus, aber trotzdem steht vor dem Essen ein Plastikbecken mit einem Wasserkrug bereit, um die Hände zu reinigen, denn das traditionelle „Nshima“, eine Beilage aus gekochtem Mais, wird mit den Händen gegessen.
Strom ist ebenfalls etwas Besonderes. In einem stromlosen Haushalt wird im Freien auf einem kleinen, runden Ofen gekocht, der mit Holzkohle geheizt wird.
Als wir eines Abends in unserem Guesthouse für Mr. Moyo und sein Personal Spaghetti kochen, machen wir die Erfahrung, dass es auf dem winzigen Ofen wesentlich schneller geht als auf dem E-Herd.
Wenn es aber in einem Haushalt Strom gibt, dann gibt es meistens auch einen Fernsehapparat, der dann auch fast rund um die Uhr eingeschaltet ist, obwohl kaum jemand hinsieht. Sogar wenn Besuch eingeladen ist, wird das Fernsehgerät nicht abgedreht.
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"Lifestyle" |
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Was wir als „Lifestyle“ bezeichnen, ist den Bewohnern von Sinazongwe unbekannt. Ihr Leben ist sehr stark von den afrikanischen Traditionen geprägt, die auch die jungen Menschen noch mit großer Überzeugung pflegen. Das zeigt sich auf den ersten Blick natürlich in der Kleidung. Auch im Alltag und nicht nur bei großen Festen, tragen viele traditionelle Kleidung. Wie wichtig dies ist, zeigt, dass eine Workshopgruppe in ihrer Sendung den Einfluss der Medien auf den „Dresscode“ thematisierte.
Tatsächlich sehen wir in Sinazongwe kein einziges Mal eine Frau in langen, geschweige denn in kurzen Hosen oder in ausgeschnittenen Oberteilen.
Religion spielt eine große Rolle und prägt das Verhalten der Menschen. Christentum und animistische Religionen existieren friedlich nebeneinander, Polygamie und andere Glaubensgrundsätze werden toleriert.
Da der Großteil der Menschen bitter arm ist, hat Essen einen viel höheren Stellenwert als bei uns. Als wir den WorkshopteilnehmerInnen die Studioregeln erklären, fällt uns auf, dass das Ess-, Trink- und Rauchverbot völlig überflüssig ist, denn wir haben noch nie jemanden essen, trinken oder rauchen gesehen. Obwohl die Leute viele Kilometer zu Fuß gekommen sind, haben sie weder etwas zu essen noch zu trinken mit. Sie erklären uns, dass niemand unterwegs oder auch nur im Stehen essen würde, da Nahrungsaufnahme nicht nebenbei erfolgen darf. Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, dass bei uns überall und in beinahe jeder Situation gegessen und getrunken wird.
Es ist auch sehr schwierig, etwas Essbares für zwischendurch zu kaufen. Wir gehen immer nach dem Frühstück in die Schule und kommen spät abends erst zum Essen. In den wenigen kleinen Geschäften, deren Sortiment unvorstellbar bescheiden ist, gibt es höchstens trockenes Brot oder „Frittas“, eine Art ungezuckertes Schmalzgebäck, an Obst finden wir nur kleine Bananen. Ab und zu erwerben wir einfache Kekse, die für unsere Verhältnisse fast nichts kosten. Als wir sie einigen Leuten anbieten, merken wir, was für eine Besonderheit das für sie ist. Kein Wunder, wenn man erfährt,
dass ein Arbeiter durchschnittlich 7000 Kwacha am Tag, also ca. € 1,20, und ein Lehrer umgerechnet € 100,00 im Monat verdient. Mineralwasser oder Wein ist in Sinazongwes Geschäften überhaupt nicht zu bekommen, aber Bier und Cola gibt es überall. Man erzählt uns, dass die Geschäftsinhaber für die Leute, die gewisse „Extrawünsche“ haben, diese Waren für sie in der nächsten größeren Stadt besorgen.
In der Sinazongwe Basic School gibt es seit einem Jahr ein von der Unicef finanziertes „School feeding program“, durch das alle SchülerInnen eine warme Mahlzeit am Tag erhalten. Diese kostenlose Mahlzeit ermöglicht vielen Kindern erst den Schulbesuch, denn sie bleiben sonst der Schule aus Hunger fern. Es besteht zwar Schulpflicht, aber oft werden die Kinder daheim für die Arbeit gebraucht oder die Eltern können sich die € 1,50 Schulgeld pro Jahr bzw. die Schuluniform nicht leisten.
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Lagerfeuergeschichten |
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In Sinazongwe wird es um 18 Uhr dunkel und dann leuchten überall im Land die Lagerfeuer. Auch wir sitzen fast jeden Abend um solch ein Feuer, denn einerseits sind die Nächte kühl, andererseits genießen wir den sternenklaren Himmel, wie man ihn bei uns nie zu sehen bekommt.
Mr. Moyo erzählt uns bei diesen Gelegenheiten viele interessante Geschichten über verschiedene Bräuche in Zambia. Wenn z.B. jemand niest, macht der Gesprächspartner „tztztztzt“. Weniger erheiternd sind die Erzählungen über die Gefährlichkeit der Krokodile im Karibastausee. Erst vor wenigen Wochen wurde von einer Nachbarin am Strand nur noch der Kopf gefunden. Wir erfahren auch, wie ein Krokodil seine Beute tötet. Es dreht sie so oft unter Wasser herum, bis sie ertrunken ist.
Bei sehr heißem Wetter achten die Einheimischen, wenn sie unterwegs sind, auf einen Geruch nach Maggi, denn dann ist eine giftige Schlange in der Nähe. Eine dieser Giftschlangen ist besonders heimtückisch, denn sie lauert auf einem Baum und beißt ihr Opfer in den Kopf. Dieses ist tot, noch bevor es sein Haus sieht, wie ein zambisches Sprichwort sagt. Das bedeutet, dass ein von dieser Schlange gebissener Mensch in Panik nach Hause läuft, um Hilfe zu bekommen. Aber durch das schnelle Laufen verteilt sich das Gift so schnell in seinem Körper, dass er sein Haus gar nicht mehr lebend erreicht. Die Menschen in Zambia haben aber eine raffinierte Methode entwickelt, um diese Schlangen zu fangen. Sie gehen mit einem Topf voll Porridge auf dem Kopf unter diesen Bäumen durch, und wenn die Schlange auf den Kopf herunterfährt um das Opfer zu beissen, erstickt sie im Porridge.
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