Gerhard Dirmoser – Linz 11.2004 (auf Anregung von Prof. Kristóf Nyíri)
Eine subjektive Chronologie der Netzentwicklungen – G. Dirmoser
Mit den Schriften von
G. Deleuze kann der gesamte Mappingbereich in 3 Gruppen gegliedert werden: Karten,
Diagramme, Pläne. Der Komplex der Netzdarstellungen ist primär dem Bereich
der Diagramme zuzuordnen – Unterschiedlichste gestalterische Mischformen sind
jedoch in allen 3 Grundtypen zu finden.
Sehr schöne Beispiele Wissensgebiete
in Baumform darzustellen, finden sich bereits um 1500.
Sehr alte Beispiele von netzförmigen Überlagerungen existieren im Bereich „body mapping“.
Ein wichtiger Schritt
gelang dem Mathematiker Euler ca. 1736 mit der Graphentheorie.
Er entwickelte ein Verfahren zur graphischen Lösung logischer Fragestellungen.
Breiten Einsatz fanden Baumgraphen in der Naturwissenschaft u.a. durch Darwin (Evolutionstheorie ca. 1839). Sehr schnell wurden diese methodischen Ansätze auch in den Kunstwissenschaften fruchtbar.
1885 - Komplexer Netzraster
als Anschlußfahrplan der französischen Eisenbahnen
1900
Charles Sanders Peirce
(1839-1914), ein zentraler Autor semiotischer Schriften, verwendete Graphen zur Visualisierung von
Logik-Problemstellungen. Er entwickelt
eine geometrische Form der Logik, die existentiellen Graphen
(existential graphs).
Nur wenige wissen,
daß Aby Warburg (1866-1929) kunsthistorische Fragestellungen mit Hilfe von
Fäden absteckte und somit seine Bildsammlung auch in vernetzter Form bearbeitet
hat.
30er
Starkes Interesse für relationale/feldorientierte
Ansätze ist um 1910-1934 zu bemerken.
Feldtheorien haben sich in der Physik (1913), Mathematik, Soziologie (Kurt Lewin 1931), Sprachtheorie (Karl Bühler 1934), Gestaltpsychologie aber auch in der Philosophie niedergeschlagen. In diesem Umfeld sind immer auch Netzdarstellungen zu finden.
1933 - In einer
kunsthistorischen Darstellung verwickelt Miguel Covarrubias Baumstrukturen zu
netzartigen Gebilden.
1934 Konzepte zur Sociometry
von Jacob Levy Moreno
1936 Barr-Modell
(Stilentwicklungen in der bildenden Kunst) als Einflußdiagramm
1939 Abbildung zu F.
Kiesler: Bilder zeigen ihn über Qualitätskriteriennetzen
gebeugt.
Das
Correalismus-Manifest wurde erst 1949
veröffentlicht (erste Schriften 1939).
40er
50er
1951 - Die Sociometry
wird von Jacob Levy Moreno in Buchform vorgestellt (zuerst 1934).
1959
– The random network theory (Erdös & Rényi) – Vorläufer von “Small
Worlds” und der
“Theory
of networks”
60er
1965 Stanley Milgram
beginnt seine small-world Experimente in Harvard
1966 Maciunas
publiziert sein „expanded arts diagram“. Im Fluxus-Umfeld finden sich
spannende Mapping-Lösungen.
1968 - Mit „Hermes I
“ und den Folgebänden legt M. Serres ein strukturales Fundament für die
netztechnischen Betrachtungen der Folgejahre. Deleuze ist ohne seine
Vorarbeiten nicht zu denken.
Bereits 1968 stellt J.
Piaget in „Le structuralisme“ das Konzept der 3 Mutterstrukturen vor,
das von der Bourbaki-Gruppe 1971 unter „Topologie Générale“ publiziert wird. In
der zweiten Gruppe – den „Ordnungsstrukturen“ finden sich die Grundtypen
„Netze“ bzw. „Gitter“.
Auch in anderen
strukturalistischen Publikationen finden sich Netzdarstellungen.
70er
1973 beginnt Randall
Collins mit seinen Netz-Studien zu „The Sociology of Philosophies“
1974 Die Grundlagen der
Soziometrie (in deutscher Fassung) – Jacob L. Moreno
1974 Das Hypertext-Paradigma
wird von Ted Nelson formuliert
Im Mai 1974 stellen die
Teilnehmer der Tagung „Cybernetics of Cybernetics“ auf Einladung von Heinz von
Foerster ihre Beiträge als gerichtete semantische Netze vor. Im sgn. Metabook
finden sich Netze von Gordon Pask, Gregory Bateson, Stafford Beer, Francisco
Varela, Ivan Illich, ...)
(ca. ab 1975)
Interesse an komplexen Knoten bei Lacan (u. topologischen Mathematikern)
1977 - also bereits ein Jahr nach der Erstveröffentlichung steht die Rhizomatik von Deleuze & Guattari in deutscher Übersetzung zur Verfügung.
80 er
1980 legt M. Serres
mit „Le parasite“ einen Repräsentationsvorschlag vor, der als dynamisches
Netzgebilde technisch besser als das Rhizom umsetzbar ist.
Der Hang der Kybernetik
und der Simulationsansätze zu Netzdarstellungen findet seine Fortsetzung im
Bereich der Expertensysteme und den Kognitionswissenschaften.
1984 erscheint F.
Vesters Buch „Neuland des Denkens“, daß 1999 unter „Die Kunst vernetzt zu
denken“ neu aufgelegt wird. Grundlage war sein Buch „Das kybernetische Zeitalter“
(1974).
1984 werden von Bill
Hillier & Julienne Hanson in „the social logic of space“ Schwellenanalysen
präsentiert, die Netzgraphen für räumliche Betrachtungen nutzen.
1986 kann Sigmar-Olaf
Tergan über 30 Formen der Wissensrepräsentation vorstellen, die auf netzartigen
Strukturen basieren (wie zB. die semantischen Netze).
1987 Für die
soziologischen Methoden der Netzwerkanalysen stehen noch keine graph. Tools
zur Verfügung (am PC
wird der CGA-Grafikadapter verfügbar).
1988 Netzplantechnik
ist am PC/MAC auch graphisch unterstützt (Umnutzung für semant. Netze)
1988 Visualisierung
von Regel/Objekt-Netzen als Baum (teure objektorientierte Expertensysteme)
1988 Erstes Diagrammatik-Symposion
im Bereich der Philosophie
1989 findet das „vernetzte
Denken“ in den
Organisationswissenschaften Eingang. Die Bücher von Gilbert J.B. Probst und
Peter Gomez finden eine enorme Verbreitung.
Erster Hype der
Netzdarstellungen
90 er
1992 sind die „Tausend
Plateaus“ nun auch in deutscher Übersetzung verfügbar. Ein zweite Welle
der
Rhizomatik-Begeisterung setzt innerhalb eines Jahres ein.
1993 Einige
Dissertationen zum Thema „Semantische Netze“ sind nun als Buch verfügbar
1994 Erste
großformatige Arbeiten von Mark Lombardi – „Global Networks“
1995 Internet-Hype
führt zu einer Fülle netztopologischer Darstellungen (Höhepunkt: 2001 –
mapping
cyberspace – M. Dodge & R. Kitchin)
1997 – Neue Generation
objektorientierter GIS-Systeme bietet flexible topologische Mechanismen.
Preisgünstige Workstation-HW fördert die Entwicklung komplexer Grafiksoftware.
1998 - Nach 25 Jahren
Recherche legt Randall Collins die monumentale Studie „The Sociology of
Philosophies“ vor, die Kommunikationsbeziehungen aller philosophischen Schulen
aller Kulturen in der Form von Kommunikationsgraphen repräsentiert. Er
nutze u.a. Zitationsdatenbanken, die Ende der 90er auch graphische
Interfaces bieten (Netze in der Gestalt von Gebirgslandschaften).
In den
Bildwissenschaften steigt das Interesse für diagrammatische Darstellungen.
2000
2000 – Leistungsfähige
graphische Tools für Netzvisualisierungen werden für verschiedenste
Anwendungen verfügbar
(Wissensrepräsentation, soziologische Analysen, ...)
2002 - auf der ars
electronica sind dynamische Netzgraphen zu sehen
2002 „das netz – Sinn
und Sinnlichkeit vernetzter Systeme“.
Große Wanderausstellung zum Netzthema.
2002 erscheinen Bücher
wie „Linked“, NEXUS – Theory of networks“, Netzwerke, ....
2003 wird von Steffen
Bogen & Felix Thürlemann der diagrammatic turn ausgerufen. Der Beitrag
findet sich in einem Sammelband zu Joachim von Fiore, der um 1200 wohl eines der ersten semantischen Netze der
Kunstgeschichte realisiert hat.
2003 Für Suchmaschinen
werden Ergebnisvisualisierungen in Netzform verfügbar
2003 Mit „Netzstadt“
schreitet die Netzsicht auch in den Bereichen Stadtplanung und Architektur
weiter voran. Architektursoftware ist ohne netztopologische Graphen nicht mehr
zu denken.
2004 Mapping Hype in
Deutschland – Zweiter Hype für Netzdarstellungen
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RESERVE-Inhalte
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Vermessungstechnik
(Triangulierungsnetze)
Netze als
Grundstrukturen vieler Spiele
Die Visualisierung
beschränkte sich lange Zeit auf „kompakte“ Fragestellungen
Interesse an
Kontext-Fragestellungen in Kunst und Wissenschaft führten nicht nur mich zu
netzförmigen Repräsentationstechniken.
Konnektionistischer
Ansatz als weitere Ausformulierung der Netzansätze
Entwicklungszweige im
Bereich der Molekülsynthese
Prozessanalysen und
ISO-Zertifizierungen im Bereich der Wirtschaft (ARIS als Beispiel)
Extrem komplexe
Datenmodell mit bis zu 2000 Objektklassen als Herausforderung an die
übersichtliche
Darstellung
Zusätzlicher Schub
durch Semantik WEB
Plumbdesign als erster
Meilenstein der Zappelgraphen
Zitationsdatenbank als
Herausforderung für Visualisierungen