Grüne: deutsch - österreichisches Paarlaufen

Am 13. Mai 1999 überschreiten die deutschen Grünen jenen Rubikon, den zuvor bereits ihr Außenminister Fischer und die große Mehrheit der Bundestagsfraktion überschritten haben: Krieg wird als legitimes Mittel zur Fortsetzung der Politik anerkannt. 60 % der Delegierten stimmen einem Vorschlag des Bundesvorstandes zu, der die Kriegspolitik der rot-grünen Koalition legitimiert und bloß eine befristete Feuerpause einfordert. Verworfen wird der Antrag von PazifistInnen und AntimilitaristInnen nach einem sofortigen und bedingungslosen Ende der NATO-Bombardments. "Die Grünen sind Kriegspartei im doppelten Sinne geworden: Sie führen den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien mit und sie sind eine Partei, die nunmehr im Widerspruch zu eigenem Grundkonsens und eigener Programmatik Krieg als legitimes Mittel der Konfliktlösung ansieht. ... Da jenseits der Feuerpause wieder die Drohung intensivierter Kriegshandlungen durch die NATO-Staaten steht, bedeutet dies keinen Ausstieg aus der militärischen Logik," beurteilt "Basisgrün", eine Gruppe von KriegsgegnerInnen innerhalb der deutschen Grünen, in einer ersten Reaktion das Ergebnis des "Himmelfahrtsparteitages". Joschka Fischer bekam den Rücken für seinen Kriegskurs gestärkt. Noch in der Nacht nach dem Parteitag flog die NATO die bis dato massivsten Angriffe gegen Jugoslawien.

Die deutschen Grünen überschritten am 13. Mai im grellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit die Grenze zur Akzeptanz der militärischen Logik. Exakt ein Monat zuvor, am 13. April, vollzog der Bundesvorstand der österreichischen Grünen denselben Schritt, jedoch abseits jeder Öffentlichkeit, in einer stillen Klausur, bei der alle unliebsamen Beobachter ausgeschlossen wurden. In einer "Stellungnahme zum Krieg in Jugoslawien" entsorgt der Bundesvorstand die Forderung nach einem sofortigen und bedingungslosen Ende der Bombardements und fordert stattdessen ebenfalls nur mehr eine befristete Feuerpause ("mehrtägiges Moratorium"). Die Übereinstimmung mit dem sog. "Fischer-Plan", der zeitgleich präsentiert wird ist, offenkundig. Bereits ab Mitte April schwenken damit die österreichischen Grünen - weitgehend unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit - auf die Linie Joschka Fischers ein.

Dieser Schwenk ist nicht zufällig. Seit einiger Zeit ist ein "Paarlaufen" von deutschen und österreichischen Grünen unübersehbar:

  • Im Frühjahr 1998 - Joschka Fischer hat einen Gutteil der Bundestagsfraktion auf die Zustimmung zur NATO-Osterweiterung eingeschworen - äußert sich Van der Bellen im Profil voll des Lobes über den deutschen Außenminister in spe und betont "noch nie ein schlechtes Wort über die NATO verloren zu haben."
  • Im November 1998 - der Großteil der deutschen Grünen hat soeben im Bundestag für eine Beteiligung der Bundeswehr an NATO-Einsätzen auch ohne UNO-Mandat votiert - offenbart Van der Bellen einem Falter-Journalisten, dass auch er sich NATO-Krieg ohne Sicherheitsratsbeschluss durchaus vorstellen kann. Auch in der Genehmigung von Überflügen für NATO-Flugzeuge sieht der Grüne Bundessprecher kein Problem.
  • Mitte März 1999 - Lafontaine hat soeben (wegen des bevorstehenden Krieges?) das Handtuch geworfen - stellt sich Van der Bellen sofort hinter die Fischer-Grünen und erklärt gegenüber den Medien, dass Lafontaine ohnehin "als Finanzminister nicht überzeugen konnte."
  • Mitte April 1999 präsentiert Joschka Fischer seinen sog. "Friedensplan". Dieser sieht im Kern die Fortsetzung des NATO-Strategie unter Einbindung Rußlands vor: NATO-Dominanz, Fortsetzung der Bombardements, allenfalls "Feuerpausen". "Alter Wein in neuen Schläuchen" kritisieren die Kriegsgegner von "Basisgrün" den Fischerplan. Van der Bellen mundet er. Umgehend erklärt der Grüne Bundessprecher seine Unterstützung für den Fischerplan.
  • Ebenfalls im gleichen Zeitraum erheben Joschka Fischer (via Bundestag) sowie Peter Pilz (via Profil) und der Bundesvorstand der österreichischen Grünen die Forderung nach Abschaffung des Vetorechts im UN-Sicherheitsrat. In der Konsequenz würde das auf die Umwandlung der UNO in einen verlängerten Arm der NATO hinauslaufen. Denn UN-Mandate für Militärinterventionen wären relativ bequem abrufbar, wenn Rußland bzw. China über keine Vetomöglichkeiten mehr verfügen.
  • 14. Mai - ein Tag nachdem die Bundesdelegiertenkonferenz dem Kriegskurs von Joschka Fischer den Rücken gestärkt hat - lobt Van der Bellen den "guten Entschluss" der deutschen Grünen und stellt erleichtert fest: "Deutsche Grüne haben Regierungskrise abgewendet. Klare Rückdeckung für den Außenminister Joschka Fischer und seine friedenspolitischen Bemühungen."

Seit dem Amtsantritt von Van der Bellen im Dezember 1997 geraten Österreichs Grüne immer stärker ins Fahrwasser der Bündnisgrünen Joschka Fischers. Diese Anpassung kulminiert im schrittweisen Einschwenken auf die Kriegspolitik des deutschen Außenministers. Vergangene Woche haben 16 Grün-Mitglieder in Oberösterreich die Konsequenzen aus dieser Entwicklung gezogen und sind aus den Grünen ausgetreten. 1999 ist das 1914 der Grünen. Es ist Zeit, an neue Allianzen links von "neuer Mitte" und Kriegs"rot-grün" zu arbeiten.

Aus der Volksstimme 20.Mai 1999
Von Gerald Oberansmayer