Rede von Uli Breuer am 24. April 99
anläßlich der Demo gegen den NATO-Krieg

(gekürzt von Karl Dietz)

Kolleginnen und Kollegen,
als Bezirksvorsitzender der IG Medien Frankfurt ist mein
gewerkschaftliches Selbstverständnis verbunden mit der
Erfüllung der historischen Aufgabe der Bekämpfung von
sozialem Leid und von Entwürdigung wirtschaftlich
Abhängiger. In unserer Satzung ist verankert: "die IG Medien
... setzt sich ... für die Sicherung und den Ausbau einer
demokratischen und sozialen Gesellschaftsordnung ein. Sie
tritt aktiv für Frieden und Völkerverständigung, für
Entspannung, Abrüstung und für die Menschenrechte ein."
Diesem Satzungsauftrag möchte ich hier entsprechen.
Aber auch im gewerkschaftlichen Lager gibt es dazu
unterschiedliche Positionen. DGB-Chef Schulte ließ
mitteilen, er habe "spontan die schwierige und historische
Entscheidungssituation der rot-grünen Koalition gewürdigt
und ihr ... die Unterstützung des DGB zugesichert." DGB
Sprecherin Sabine Nehls ergänzte klarstellend, daß es zum
Einsatz von Streitkräften keine Alternative gäbe, um "auf
diesem Weg Verhandlungsergebnisse zu erzwingen." Eine solche
Vorstellung von Verhandlungen habe ich vom DGB bisher in
Tarif- oder anderen Auseinandersetzungen noch nie vernommen.
Mehr möchte ich dazu nicht äußern.

Aber es gibt auch (noch) in den Gewerkschaften die andere
Seite: Die Erklärung "NATO-Angriffe sofort beenden" mit über
2000 Unterschriften von haupt- und ehrenamtlichen
GewerkschafterInnen ist dem DGB-Bundesvorstand sowie allen
Landesbezirken und DGB Kreisen überreicht worden, mit der
Bitte über dieses Anliegen bei den bevorstehenden
Mai-Kundgebungen zu informieren. Auch in der IG Medien fand
dieser Aufruf starke Resonanz, zumal bei uns
Berichterstatter organisiert sind.


Der Krieg in den Medien

Am zweiten Aprilwochenende begann die NATO damit,
Sendeanlagen des jugoslawischen Staatsfernsehens zu
zerstören. Grund für diese drastische Maßnahme ist die
Weigerung der Serben, der NATO 6 Stunden Sendezeit für eine
Dauerwerbesendung zur Verfügung zu stellen. Dabei hatten die
Serben durchaus originell auf den NATO-Wunsch reagiert: Man
werde gerne über diesen Vorschlag nachdenken, wenn die NATO
ihrerseits den Serben 6 Minuten Sendezeit in den westlichen
Fernsehanstalten zur Verfügung stellt. Der gestrige
Bombenhagel auf den jugoslawischen Staatssender RTS war
menschenverachtend wie der ganze bisherige Krieg und auch
ein Anschlag auf die sonst so hochgelobte Presse- und
Medienfreiheit. Er war in seiner Konsequenz todbringend für
Journalisten und Techniker.

Opfer des Krieges ist aber auch die Wahrheit, und zwar auf
allen Seiten. Deshalb ist es um so wichtiger, daß
Journalistinnen und Journalisten aufgrund von
Eigenrecherchen über den Krieg informieren. Die Berichte
über den Krieg liegen im Spannungsfeld zwischen Information
und Desinformation.

Wer erinnert sich noch, wie in den USA 1991 für die
Zustimmung zum Golfkrieg gearbeitet wurde? Ein junges
Mädchen aus Kuwait berichtete vor laufenden Kameras mit
Tränen in den Augen von irakischen Soldaten, die bei ihrem
Einmarsch in einem kuwaitischen Krankenhaus Säuglinge aus
ihren Brutkästen gerissen und auf den Boden geschleudert
hätten. Der US-Sender CNN sorgte für die weltweite
Ausstrahlung dieses Interviews. Später stellte sich heraus,
daß alles gestellt war. Das 12jährige Mädchen war die
Tochter eines kuwaitischen Ölscheichs und befand sich zur
fraglichen Zeit in einem englischen Internat. Das Mittel hat
seinen Zweck erfüllt.

Die Berichterstattung darf aber nicht noch weiter
eingeschränkt werden. Deshalb fordert die IG Medien die
jugoslawische Staatsführung auf, den SAT 1 Reporter Pit
Schnitzler, der im Zusammenhang mit der Berichterstattung
über den Kosovo-Krieg festgenommen wurde, unverzüglich
freizulassen ...

Die mediale und ideologische Aufbereitung dieses Krieges
erfindet eine neue Begrifflichkeit: Kollateralschäden (zu
deutsch: Begleitschäden) sind die Toten des Krieges, es
handelt sich um chirurgische Eingriffe. Der Krieg ist aber
blutiger Ernst. 130 Millionen DM kostet jeder Einsatztag der
NATO (FR, 22.4.99). Ich gehe davon aus, daß die Kosten des
notwendigen Wiederaufbaus der täglich zerstörten
Infrastruktur ein Vielfaches davon betragen. Das
Militärbudget der NATO Mitgliedsländer beläuft sich auf über
400 Mrd. US$. Finanzielle Mittel, die auch anders ausgegeben
werden könnten.

(...)