Der Kosovo-Krieg und die NATO: Gescheiterte Generalprobe für das Neue Strategische Konzept
(Dr. J. Scheffran, Darmstädter Forschungsgruppe IANUS)


Date:
Wed, 14 Apr 1999 17:00:38 +0200
From:
Jürgen Scheffran <scheffran@hrzpub.tu-darmstadt.de>



Inhaltsverzeichnis IANUS Arbeitsbericht, 14.4.99

Klaus-Dieter Wolf: Die Dilemmata der NATO

Jürgen Scheffran: Der Kosovo-Krieg und die NATO - Gescheiterte
Generalprobe für das Neue Strategische Konzept

Wolfgang Bender: Utopische und konstruktive Friedensethik. Oder: Gründe
gegen den Luftkrieg der NATO in Jugoslawien

Ulrich Albrecht: Frieden durch Luftschläge?

Konrad Clewing: Facetten des Kosovo-Konflikts: "Historisches Recht" und
geschichtliche Erfahrung

Dirk Ipsen: Welche Bedeutung haben die Wirtschaftssanktionen im
Jugoslawienkonflikt?

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Der Kosovo-Krieg und die NATO:
Gescheiterte Generalprobe für das Neue Strategische Konzept

Jürgen Scheffran

"Wir dürfen Akzeptanz und Zusammenhalt in der NATO nicht gefährden, indem
wir ihre Aufgaben überdehnen. Die Schlagworte Globalisierung und
Verteidigung von Interessen sind hier nicht hilfreich. Sie sind geeignet,
die Diskussion in die Irre zu führen. Sie könnten missverstanden werden als
angebliche Militarisierung der Außenpolitik, die niemand will".
(Der ehemalige deutsche Außenminister Klaus Kinkel bei der
NATO-Außenminister-Tagung im Mai 1998)[1]

1. Europäische Sicherheit am Scheideweg

Am 23-25. April 1999 feiert die NATO in Washington ihr 50-jähriges
Bestehen. Krönender Höhepunkt soll die Aufnahme neuer Mitglieder und die
Verabschiedung des "neuen Strategischen Konzepts" der NATO sein, mit dem die
Allianz aus ihrer Sicht die Herausforderungen der Zukunft annehmen will.[2]
Zwei Monate zuvor, am 23. Februar wurde der Entwurf des
Rambouillet-Abkommens für die Autonomie des Kosovo vorgelegt, aber trotz und
wegen massiver Androhung von Gewalt durch die NATO von Jugoslawien nicht
unterzeichnet. Am 23. März leitete die NATO ihre militärische Offensive zur
Durchsetzung dieses Abkommens ein, wobei erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg
auch die Bundeswehr massiv an Kampfeinsätzen beteiligt wurde. Ein
Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen ist nicht rein zufällig. Für
manche in der NATO mag der Ernstfall im Kosovo als Generalprobe für das neue
Strategische Konzept der NATO erschienen sein, bevor es überhaupt in Kraft
getreten ist.

Für Europa steht viel auf dem Spiel: Soll es sich als eigenständige
Zivilmacht etablieren, die sich in der Konkurrenz mit den USA behauptet,
oder läßt sich Europa auf eine primär militärische Definition der
Weltpolitik unter unumschränkter Führung der USA ein? Soll die zukünftige
europäische Sicherheitsarchitektur auf Grundlage von Prinzipien "Kollektiver
Verteidigung" durch die NATO erfolgen, also auf der gemeinsamen, notfalls
militärischen Durchsetzung der eigenen Interessen der NATO-Mitgliedstaaten,
wo immer auch sie berührt sind, oder soll dies auf der Basis "Kollektiver
Sicherheit" für ganz Europa geschehen, unter Einschluß Rußlands? Während im
ersten Falle die NATO erheblich gestärkt würde (NATO first), würde das
zweite Konzept einen Ausbau der Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in den Vordergrund stellen (OSZE first). Die
Frage ist, ob es den Befürwortern des harten Kurses gelingt, mit dem
Kosovo-Krieg die NATO-Dominanz in Europa auf dem NATO-Gipfel durchzusetzen,
Möglicherweise haben sie sich, in der Hoffnung auf einen schnellen Sieg,
verrechnet, auf Kosten des Friedens in Europa.

2. Die NATO: Dinosaurier oder reaktionsfähiger Organismus?

Das "erfolgreichste Bündnis der Geschichte" - so die offizielle Lesart der
NATO - hat sich als überlebensfähiger erwiesen als sein Gegner, der
Warschauer Pakt, der sich nach dem Fall der Mauer sang- und klanglos
auflöste. Stand die NATO nach Ende des Ost-West-Konflikts zunächst noch wie
ein Dinosaurier in der politischen Landschaft Europas, unfähig auf die neuen
Konflikte und nicht-militärischen Herausforderungen - von der
Umweltzerstörung bis zur Arbeitslosigkeit - Antworten zu geben, so hat sich
die NATO inzwischen selbst zum Schrittmacher gesamteuropäischer
Sicherheitspolitik gemacht. Im eigenen Selbstverständnis hat damit die NATO
ein hohes Maß an Flexibilität gezeigt: "sie ist an neue Lagen
anpassungsfähig und kann ihre Strukturen verändern wie jeder reaktionsfähige
Organismus."[3] Bislang ist die NATO jedoch den Beweis schuldig geblieben,
daß sie politische Probleme und die Konflikten zugrundeliegenden Ursachen
tatsächlich lösen kann.

Über fünf Jahrzehnte war die NATO das transatlantische Bindeglied zwischen
den USA und Westeuropa, wodurch die USA direkte Einflußmöglichkeiten auf die
europäische Sicherheitspolitik erhielten. Aus der militärischen Hauptlast
leiteten die USA den Anspruch auf Lastenausgleich durch die Europäer ab, so
daß aus den USA regelmäßig die Forderung nach einem höheren Anteil Europas
an den Rüstungslasten erhoben, ohne jedoch den Europäern selbst eine größere
sicherheitspolitische Eigenständigkeit zugestehen zu wollen. Mit dem
Zerfall des sozialistischen Staatensystems und dem "Sieg" der NATO im Kalten
Krieg verloren die alten Bedrohungsszenarien ihre Grundlage, ohne daß
zunächst ein der Sowjetunion vergleichbarer Feind in Sicht war. In dieser
Phase begann die Neubestimmung der Rolle des Militärischen mit dem Golfkrieg
gegen Saddam Hussein und der von US-Präsident George Bush 1991 verkündeten
"Neuen Weltordnung". Die Realität war jedoch eher eine Welt-Unordnung, in
der anstelle eines konkreten Feindes vom Pentagon diffuse "Risiken" und das
"Unbekannte, das Ungewisse" zum Feind erklärt wurden. Damit war die Tür
aufgestoßen zu einer Aufrüstung, die keiner konkreten Rechtfertigung mehr
bedarf.

Das 1991 beschlossene Strategische Konzept der NATO, das noch von der
Existenz der Sowjetunion ausging und Anknüpfungspunkte an den
Ost-West-Konflikt enthielt, aber vor allem eine Begrenzung auf die
Kernaufgabe der Bündnisverteidigung vorsah, galt aus der Sicht der NATO bald
als überholt. Starke politische Kräfte in der NATO, allen voran die USA,
wollten ihre Einfgriffsmöglichkeiten in der Welt nicht beschränken lassen.
Am 27. Mai 1997 kündigte die NATO in der NATO-Rußland-Grundakte die
Ausarbeitung eines neuen Dokument an, das "...mit der neuen Sicherheitslage
und den neuen Herausforderungen in Europa voll im Einklang steht". Beim
NATO-Gipfeltreffen in Madrid im Juli 1997 wurde die Erarbeitung eines neuen
Strategischen Konzepts beschlossen. Bereits im Dezember 1997 fanden die
Kernpunkte der neuen Richtlinien die Zustimmung der NATO-Herbsttagung, die
Grundlage für das Abschlußdokument sein sollen und das Mandat für die Policy
Coordination Group (PCG) darstellen, die mit der inhaltlichen Arbeit am
Konzept beauftragt wurde.[4] Mit dem neuen Strategischen Konzept bereitet
die NATO eine Weichenstellung und deutliche Ausweitung des bisherigen
Auftrags vor, was vor allem von den USA forciert wird.

3. Die Dominanz der USA

Die USA sind aus dem Kalten Krieg als einzige verbleibende Supermacht
hervorgegangen. In zahlreichen Strategiedokumenten hat die alte und neue
Weltmacht USA ihre Vorstellungen von globaler Dominanz gegenüber allen nur
denkbaren Feinden und "Schurkenstaaten", die vorgeblich gegen die Interessen
der USA agieren, festgehalten. Im "New Strategy"-Papier aus dem Weißen Haus
von 1997 werden diese Interessen klar bestimmt, allen voran wirtschaftlicher
Export und der ungehinderte Zugang zu Öl.[5] Darin heißt es: "Weil wir eine
Nation mit globalen Interessen sind, sehen wir uns einer Vielzahl von
Herausforderungen unserer Interessen gegenüber, oftmals weit über unsere
Küsten hinaus. Wir müssen unsere überlegenen diplomatischen,
technologischen, industriellen und militärischen Fähigkeiten immer aufrecht
erhalten, um diesen weiten Bereich von Herausforderungen anzugehen, so daß
wir, wenn möglich, gemeinsam mit anderen Nationen, wenn es sein muß, aber
auch alleine reagieren können."

Zunehmend betreiben die USA eine unilateralistische Politik, die allein an
ihren nationalen Interessen orientiert ist. Es ist ihr offenkundiges Ziel,
militärisch intervenieren zu können, wann und wo immer sie ihre Interessen
berührt sieht. Ihre Bereitschaft zur Intervention, ob mit oder ohne
Völkerrecht und Staatengemeinschaft, hat die USA in der Vergangenheit
wiederholt unter Beweis gestellt, zuletzt im Irak, in Jugoslawien, in
Afghanistan und im Sudan, wo das völkerrechtliche Prinzip der
Unverletzlichkeit von Staatsgrenzen verletzt wurde, um nichtstaatliche
Akteure zu strafen. Völkerrechtliche Verpflichtungen erscheinen als lästige
Fesseln, die abgestreift werden müssen. Multilaterale Institutionen werden
geschwächt oder nur dann gestützt, wenn sie den Interessen der USA dienen.
Damit verbunden ist eine Aufkündigung der "strategischen Partnerschaft" mit
Rußland, das nicht länger als gleichberechtigter Partner angesehen, sondern
allenfalls als Regionalmacht behandelt wird. Auch gegenüber Bündnispartnern
beanspruchen die USA einen Führungsanspruch bei der Durchsetzung gemeinsamer
Interessen und scheuen sich nicht, diese gegeneinander auszuspielen, zu
instrumentalisieren oder an den Rand zu drängen, wenn sie nicht mitspielen.

Die militärische Umsetzung erfolgt in dem 1996 vom Generalstabschef der USA
vorgelegten Papier "Joint Vision 2010", das eine Modernisierung und
Effektivierung der US-Streitkräfte sowie eine bessere Zusammenarbeit der
Teilstreitkräfte vorsieht.[5] Die Kriegführung der Zukunft gehört demnach
kleinen Einheiten technisch hochausgerüsteter Profis, die mit zielgenauen,
"intelligenten" und zerstörungswirksamen Waffen operieren. Kernelement der
"Revolution in militärischen Angelegenheiten" ist der Informationskrieg,
also die systematische Nutzung und Vernetzung der Informations- und
Kommunikationstechnik für Kriegszwecke, um in Echtzeit alle Informationen
bereitzustellen, die die militärische Lage präzise abbilden. Unter Clinton
werden zudem gegen den Willen Rußlands Raketenabwehrsysteme weiterentwickelt
und zur Stationierungsreife gebracht, unter Aufgabe bisheriger
Rüstungskontrollabkommen (START und ABM-Vertrag).

Die Kosten der fortwährenden technologischen Modernisierung der Streitkräfte
sind enorm. Der US-Verteidigungshaushalt, der bereits mehr als fünfmal so
groß ist wie der der nächstgrößeren Militärmächte, Russland und China, und
fast so groß wie der gesamte Haushalt der Bundesrepublik Deutschland, soll
in den nächsten sechs Jahren um weitere 110 Milliarden US-Dollar steigen.
Da dieser Beitrag dem zivilen Sektor verloren geht, könnte dies zu
Wettbewerbsnachteilen gegenüber Europa und Japan führen, wenn diese nicht
ebenfalls in die Aufrüstung einbezogen werden.

4. Kernelemente der neuen NATO-Strategie

Während für die USA die NATO auch weiterhin ein zentrales Instrument ist, um
auf die europäische Politik im Sinne der eigenen Interessen Einfluß nehmen
zu können, sehen viele Regierungen Europas in der NATO eine Möglichkeit, um
die USA an Europa zu binden und dem Unilateralismus entgegenzuwirken. Die
Interessendivergenzen sind, bei aller Übereinstimmung in Grundsatzfragen,
nicht zu ignoriereren. Bislang ist es den Staaten Europas mangels
einheitlichen Vorgehens jedoch nicht gelungen, dem Dominanzanspruch der USA
etwas entgegenzusetzen. So sind wesentliche Elemente des neuen
Strategischen Konzepts der NATO in den USA vorgedacht worden, wenn auch in
einigen Fragen europäische NATO-Staaten versuchen, andere Akzente zu
setzen. Einige der wichtigsten Punkte sollen hier kurz benannt werden.

1) Zusätzlich zur ursprünglichen und nun weniger relevanten Hauptaufgabe der
NATO, der kollektiven Territorialverteidigung im Falle eines bewaffneten
Angriffs nach Artikel 5 des NATO-Vertrages, soll nun eine Ausweitung der
primären sicherheitspolitischen Aufgaben der Allianz erfolgen, wobei der
Umfang noch zu klären ist. Während einige europäische Verbündete die
Aufgaben eingrenzen wollen, um die NATO nicht zu überfordern bzw. gegenüber
einem "Europäischen Pfeiler" nicht zu sehr zu stärken, setzen sich die USA
für ein breites Verständnis des künftigen Aufgabenspektrums ein.

2) Auf Druck der USA soll die NATO künftig nicht als reines
Verteidigungsbündnis, sondern primär als Bündnis zur "Verteidigung
gemeinsamer Interessen" (Madeleine Albright) verstanden werden. Unklar
bleibt, wer die gemeinsamen Interessen definiert, wieweit Europa
US-Interessen übernehmen soll und wie in Streitfällen zu verfahren ist. Es
wurde, insbesondere von Frankreich, die Befürchtung geäußert,
Interessenunterschiede zwischen den USA und Frankreich sollten damit
zugedeckt werden und die NATO könne sich weiter zu einem Instrument der
amerikanischen Globalstrategie entwickeln. In jedem Fall wird die Schwelle
für NATO-Einsätze erheblich gesenkt: alles was NATO-Interessen berührt,
kann nun zum Kriegsgrund werden.

3) Umstritten ist auch die Ausdehnung des geographischen Handlungsrahmens
der NATO (out-of-area). In den USA wird seit Jahren gefordert, daß die NATO
in der Lage sein müsse, ihre Interessen weltweit durchzusetzen. Für den
ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungministerium Lothar Rühl ist eine
Rekonsolidierung der NATO "umso wertvoller, als angesichts des Balkankrieges
in Bosnien und im Kosovo mit seinen Eskalationsrisiken, der Destabilisierung
des Kaukasusgebiets seit den Ende der achtziger Jahre mit dem zeitweiligen
Brennpunkt 1994-1996 in Tschetschenien und der fortdauernden Konfliktlage im
Nahen und Mittleren Osten von Libanon und Palästina bis zur Golfregion
insgesamt die potentiellen Bedrohungen der Sicherheit des europäischen
Bündnisgebietes zugenommen haben."[3] Strittig ist, wie weit die Ausdehnung
der Interessensphäre reicht. Soll es um das "Krisen- und Konfliktpotential
im strategischen Dreieck Balkan, Kaukasus und Nahost/ Nordafrika" gehen (so
der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe), um eine Zuständigkeit der
NATO "vom Nahen Osten bis nach Zentralafrika" (Albright) oder gar um eine
Unterstützung der USA durch NATO-Truppen in der Straße von Taiwan (nach
einigen US-Senatoren)?[6]

4) Besonders brisant ist die Frage, ob die NATO für über die
Selbstverteidigung hinausgehende Militäreinsätze der Legitimation durch die
Vereinten Nationen oder die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE) bedarf. Während nach Auffassung Frankreichs ein
militärisches Engagement der NATO in regionalen Krisen unbedingt ein Mandat
des UNO-Sicherheitsrates oder der OSZE erfordert, betrachtet dies eine
Mehrheit der übrigen NATO-Mitglieder, unter Führung der USA, als eine
unzulässige Einschränkung des Handlungsrahmens der Allianz. Obwohl die
Selbstmandatierung in klarem Widerspruch zum Völkerrecht steht, wurde die
Unterhöhlung der UNO-Mandatierung Schritt für Schritt vorbreitet und im
Kosovo-Konflikt schließlich vollzogen. Ein Beschluß des NATO-Rats soll in
Zukunft genügen.

5) Ungeachtet der politischen Diskussion haben die europäischen
NATO-Mitglieder bereits begonnen, ihre Streitkräfte für Interventionen
außerhalb des NATO-Gebietes umzurüsten. Die weiter bestehenden
Hauptverteidigungskräfte werden zahlenmäßig reduziert, aber ergänzt um
kleinere, schlagkräftigere und mobilere "Krisenreaktionskräfte", die leicht
in wechselnden Regionen der Welt einsetzbar sind: "Kleinere, mobile
Einheiten sowie ausreichende Transportkapazitäten und Kommunikationsmittel
sollen die Projektion militärischer Macht über weite Distanzen ermöglichen.
Damit wird de facto das vorangetrieben, was im Strategischen Konzept noch
umstritten ist: nämlich die Fähigkeit zum raschen militärischen Handeln
außerhalb Europas." (Kamp 1999) Aus Sicht der USA sollen die europäischen
NATO-Staaten, in erheblichem Umfang Mittel investieren, um die
technologische Modernisierung ihrer Streitkräfte nachzuholen, am besten
natürlich in Rüstungsgüter der USA. Ziel ist es, zugleich einen großen
Regionalkrieg und eine friedensunterstützende Maßnahme parallel und für
längere Dauer durchführen zu können.

6) Kernwaffen spielen nicht mehr ausschließlich im Kontext des
Ost-West-Konflikts eine Rolle, sondern werden zusätzlich nach Süden
gerichtet, entgegen der vom Internationalen Gerichtshof festgestellten
Verpflichtung zu umfassender nuklearer Abrüstung und trotz der Tatsache, daß
die südliche Erdhalbkugel bereits eine atomwaffenfreie Zone ist. Da die
Einsatz- und Abschreckungsfunktionen der Kernwaffen sogar noch ausgeweitet
werden (etwa gegen B- und C-Waffen), soll die NATO-Option des Ersteinsatzes
unbedingt aufrechterhalten bleiben. Obwohl die Rolle der Kernwaffen
aufgrund der politischen Brisanz und der Forderungen nach ihrer Abschaffung
in den internen Beratungen über das neue Strategische Konzept eigentlich
nicht behandelt werden sollte, entbrannte Ende 1998 aufgrund einer
Initiative des neuen deutschen Außenministers ein kurzer, aber heftiger
Streit innerhalb der NATO über den Ersteinsatz von Kernwaffen. Aufgrund des
massiven Widerstands der USA wurde eine Diskussion dieses Vorschlags jedoch
unterbunden.

7) Zugleich unternimmt die NATO erhebliche Anstrengungen, um möglichen neuen
Kernwaffenaspiranten der Dritten Welt die Möglichkeit zum Kernwaffenbesitz
zu nehmen, notfalls mit Gewalt. Diese "Gegenproliferation" bildet ein
wesentliches Element künftiger gemeinsamer NATO-Anstrengungen. Folgende
Maßnahmen sollen dazu ergriffen werden (Rühl 1999, a.a.O):

· Errichtung einer regionalen Flugkörperabwehr hoher Widerstandskraft gegen
Durchdringung mit genauer Flugzielbekämpfung;
· Beschaffung wirksamer, auch durch Satelliten gestützter strategischer
Fernaufklärungsmittel;
· Bereitstellung weiträumig einsetzbarer konventioneller Eingreifkräfte zur
Krisenbeherrschung, aber auch zur "Gegenproliferation" (counter
proliferation) gegen Weiterverbreitung nuklearer und chemischer Waffen;
· Bereitstellung für den Lufttransport von Truppenverbänden über längere
Strecken geeigneter Großraumflugzeuge;
· Einrichtung moderner, NATO-standardisierter Führungs--und Fernmeldesysteme
mit Datensicherheit;
· Datenaufklärungsmittel sowie eigene NATO-Informationssysteme, die mit
denen der USA technisch kompatibel sind.

5. Generalprobe Kosovo

Bei dem neuen Strategischen Konzept der NATO geht es für die Europäer um das
Verhältnis zwischen Eigenständigkeit und Abhängigkeit von den USA. Sollen
sie den USA freie Hand zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen geben oder
sollen sie die USA imitieren und regionale Vormacht werden, mit dem Aufbau
eigener militärischer Interventionsfähigkeiten? Oder wollen sie lieber
Zivilmacht als Militärmacht sein?

Mit Beginn des Kosovo-Krieges, so scheint es, ist die Entscheidung zugunsten
der militärischen Option gefallen. Der massive Angriffskrieg der NATO gegen
Jugoslawien hat zunächst die Bedenken von Regierungen gegen eine
Militarisierung der europäischen Sicherheitspolitik und gegen eine
Abhängigkeit von den USA beiseite gewischt. Kosovo erscheint als
Generalprobe für das neue Strategische Konzept der NATO: es geht um eine
deutliche Ausweitung des NATO-Auftrags (keine Beschränkung auf Verteidigung
des Bündnisgebiets; Durchsetzung des Rambouilllet-Abkommens; humanitäre
Intervention); es geht um gemeinsame Interessen (Profilierung als
Ordnungsmacht in ganz Europa; eventuell Schwächung der serbischen Macht) und
Einsatz außerhalb des Bündnisgebiets (Jugoslawien gehört nicht dazu);
betroffen ist auch der Einsatz technologisch hochgerüsteter
Interventionsarmeen (Luftstreitkräfte, Informations- und
Kommunikationssysteme), und es wird auf Selbstmandatierung statt
Legitimation durch UNO und OSZE gesetzt. Kernwaffen und
Counterproliferation spielen in diesem Fall keine erkennbare Rolle, obwohl
zunehmend der Ruf nach verbesserten Weltraumaufklärungskapazitäten der
Europäer erhoben wird.

Mit der Art und Weise wie das Rambouillet-Abkommen erzwungen werden sollte,
ist die NATO sogar noch einen Schritt weiter in der Verletzung international
gültiger Regeln gegangen. Das Abkommen, dessen gewaltsame Durchsetzung der
Anlaß zum NATO-Krieg war, wurde der Öffentlichkeit und den Parlamentariern
zeitweise vorenthalten, während es zugleich im Internet zugänglich war. Die
Entscheidung über den Krieg wurde somit aufgrund einer unzureichenden
Informationsgrundlage getroffen. Mit der Veröffentlichung des
Vertragsentwurfs sind schwere Fehler offenbar geworden, die die Zweifel an
der Legitimität des NATO-Einsatzes verstärken. Das Abkommen sah
Einschränkungen der Souveränität Jugoslawiens unter NATO-Ägide vor, was ein
Scheitern der Verhandlungen und die folgende Eskalationsspirale provozierte
(siehe Anhang). Kritische Beobachter wiesen frühzeitig darauf hin, daß eine
Einigung möglich gewesen wäre, wenn statt der NATO die OSZE oder eine andere
multilaterale Einheit für die Überwachung und Implementierung des Abkommens
zuständig gewesen wäre. Der Konflikt ist eskaliert, weil die NATO eher auf
ihre Interessenswahrung abzielte als auf die Vermittlung zwischen den
Konfliktparteien.

Der Schluß liegt nahe, daß die NATO die weitere Entwicklung in Kauf genommen
hat, um an Milosevic ein Exempel zu statuieren und dabei zugleich die
Funktionsfähigkeit ihres neuen Strategischen Konzepts in einer von den USA
favorisierten Variante ohne langwierige Diskussion durchzusetzen und zu
erproben. Der erwartete rasche Sieg der NATO rechtzeitig zum NATO-Gipfel
hätte der Welt die Wirksamkeit militärischen Konfliktmanagements vor Augen
geführt.

Als das Kind in den Brunnen gefallen war und die Folgen der Drohpolitik
erkennbar wurden, ohne daß ein Erfolg absehbar war, demonstrierte die NATO
unerbittliche Entschlossenheit, die Durchsetzung bis zum bitteren Ende zu
forcieren, um nicht das Gesicht zu verlieren. Damit kam eine schwer
aufzuhaltende militärische Eigendynamik in Gang, die alles aufs Spiel
setzt: das Völkerrecht, die europäische Zivilgesellschaft, das Leben und
die Gesundheit vieler Menschen, die Umwelt und Stabilität einer ganzen
Region. Auch bei einem baldigen Waffenstillstand ist die Negativbilanz des
Krieges erschreckend. Zurück bleiben Hunderttausende von Flüchtlingen, eine
verwüstete Volkswirtschaft in ganz Jugoslawien, ein erhöhtes Kriegsrisiko in
Europa, enorme Kriegskosten für alle Kriegsparteien, aufgehetzte
Bevölkerungen. Die Wiederbelebung des Militärischen läßt für das kommende
Jahrhundert wenig Gutes erwarten, wenn Konflikte um knappe Ressourcen
bevorstehen. Zivile Konfliktlösungen bleiben angesichts des Primats des
Militärischen unterentwickelt. Dabei hat der Kosovo-Krieg die
Untauglichlichkeit militärischer Konfliktlösung allzu deutlich gemacht.

Zwölf Tage vor Beginn der NATO-Luftangriffe schrieb Karl-Heinz Kamp:[4]

"Gegenüber Rußland hat die NATO ein völlig neues Kooperationsverhältnis
aufgebaut und Rußland damit aktiv in die Gestaltung der europäischen
Sicherheitslandschaft einbezogen. Mit den Ländern jenseits der
Bündnisgrenzen ist ein enges Netz von Aktivitäten im Bereich des Dialoges
und der Zusammenarbeit geknüpft worden - dadurch hat sich die NATO vom
Instrument der Konfrontation im Ost-West-Konflikt zum zentralen Element der
sicherheitspolitischen Kooperation in Europa gewandelt."

Nur einen Monat später sind dieser Aussagen in Frage gestellt. Das
Verhältnis zu Rußland wurde schwer belastet, wie die Weltkriegsdrohung
Jelzins zeigte. Das Vertrauen zur NATO ist nicht nur außerhalb der Allianz
angeschlagen, sondern auch innerhalb. Und es fällt nun schwerer zu
begründen, daß die NATO ein zentrales Element der sicherheitspolitischen
Kooperation in Europa ist, es sei denn einer Kooperation der
Waffenbrüderschaft im Krieg. Damit ist die militärische Generalprobe des
neuen Strategischen Konzepts der NATO politisch gescheitert, bevor es
überhaupt in Kraft getreten ist. Das Ansehen der NATO ist beschädigt, wenn
das Ergebnis des Krieges eine Lösung ist, die ohne Waffengewalt besser zu
haben gewesen wäre. Die Zurückweisung interessegeleiteter militärischer
Interventionen außerhalb des Bündnisgebiets, die Entwicklung kollektiver
Sicherheit in Europa gemeinsam mit Rußland und die Stärkung von UNO und OSZE
sind darauf die beste Antwort.

Die Zweifel an der Wirksamkeit militärischer Konfliktbearbeitung durch die
NATO werden in einem Artikel von Christoph Bertram in "Die Zeit" vom 31.
März treffend zusammengefaßt:

"Der Kosovo hat der Nato ein Danaergeschenk knapp einen Monat vor ihrem 50.
Geburtstag beschert. Das mächtigste Militärbündnis aller Zeiten hat weder
die Gemetzel und Vertreibungen in der Unglücksprovinz verhindern, noch den
im französischen Rambouillet ausgehandelten Friedensplan durchsetzen
können. Zwar ist es der Nato mit einer Serie von Luftangriffen gelungen,
die militärische Infrastruktur Serbiens schwer zu beschädigen. Aber noch
schwerer beschädigt ist die Glaubwürdigkeit des westlichen Bündnisses. Es
ist eine bittere Ironie, daß es doch gerade die Sorge um diese
Glaubwürdigkeit war, die den Ausschlag für den Angriff gab.
Wie immer der Konflikt um das Kosovo ausgeht, ob der jugoslawische Präsident
Milosevic am Ende einlenkt oder die Nato das Bombardement einstellt, weil
Belgrad genügend bestraft worden sei - als Krisenmanager hat die Allianz
versagt. Die Redenschreiber müssen ihre schon entworfenen
Glückwunschaddressen zum 50. in den Papierkorb werfen, und auch das "Neue
Strategische Konzept", das in Washington verabschiedet werden sollte, wirkt
nun deplaziert. Die Fehlleistungen des Bündnisses in der jüngsten Krise
sind zu eklatant, als daß sie mit den besonderen und besonders vertrackten
Umständen des Kosovo erklärt werden könnten. Sie deuten vielmehr darauf
hin, daß die Nato damit überfordert ist, mit militärischen Mitteln in Europa
oder gar darüber hinaus für Recht und Ordnung zu sorgen."

6. Anmerkungen

[1] Zitiert nach: O. Nassauer, Mind the Gap - Buy American!, FriedensForum
1/1999, S. 35-36.
[2] Ein Überblick über mit dem Neuen Strategischen Konzept der NATO
verbundene Fragen findet sich in: "Aus Politik und Zeitgeschichte", 12.
März 1999, mit Beiträgen von Lothar Rühl, Werner Link, Karl-Heinz Kamp,
August Pradetto, Tanja Sprungala, sowie in der Zeitschrift "Friedens-Forum"
1/1999 (Beiträge u.a. von Andreas Buro, Otfried Nassauer, Gerhard Piper,
Tobias Pflüger, Xanthe Hall).
[3] L. Rühl, Ein halbes Jahrhundert Nordatlantische Allianz, Aus Politik
und Zeitgeschichte, 12.3.1999, S. 3-8.
[4] Der Diskussionsprozess über das geheime Dokument wird dargestellt von
Karl-Heinz Kamp, Leiter der Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik der
Konrad-Adenauer-Stiftung, in dem Arbeitspapier "Das neue Strategische
Konzept der NATO: Entwicklung und Probleme" (St. Augustin, August 1998).
Siehe auch K.-H. Kamp, Das neue Strategische Konzept der NATO, Aus Politik
und Zeitgeschichte, 12.3.1999, S.19-25.
[5] Siehe ausführlicher in: T. Pflüger, Kommission "Zukunft der Bundeswehr"
- Neue Armeen für neue Aufgaben, FriedensForum 1/1999, S. 31-32
[6] Vgl. G. Piper , NATO: Geburtstagstorte flambiert? -
Selbstmandatierung als Bündnisstrategie, FriedensForum 1/1999, S. 25-26.

Der Autor ist wissenschaftlicher Assistent in der interdisziplinären
Forschungsgruppe IANUS an der Technischen Universität Darmstadt. Email scheffran@hrzpub.tu-darmstadt.de. Datum des Textes: 14. April 1999.

7. Anhang:
Zum Rambouillet-Abkommen vom 23. Februar 1999

Auszüge aus: Regina Hagen, Militärischer Teil des Rambouillet-Abkommens für den Kosovo, Darmstadt, 10. April 1999.

Was wird in dem Abkommen geregelt?

Das Vertragswerk ist in einen Vorspann, acht Kapitel und zwei Anhänge
untergliedert. Jedes Kapitel umfaßt zwischen zwei und sechzehn Artikel, die
Anhänge haben acht bzw. 25 Artikel. Der Vorspann befaßt sich mit den
Vertragsprinzipien und vertrauensbildenden Maßnahmen. Kapitel 1 legt die
Verfassung des Kosovo fest. Kapitel 2 beschreibt die Organe der inneren
Sicherheit (Polizei, Justiz, Grenzschutz). Kapitel 3 beschreibt die
Durchführung von Wahlen. Kapitel 4 hat die Wirtschaft zum Inhalt, die den
Regeln des freien Marktes folgen soll, den Wiederaufbau des Landes und die
wirtschaftlichen Entwicklung. Kapitel 5 präzisiert Maßnahmen für die
Umsetzung des Abkommens und die dafür zu schaffenden Organe. Kapitel 6
führt einen Ombudsmann ein und beschreibt seine Aufgaben und Rechte.
Kapitel 7 erläutert die militärische Seite der Vertragsimplementierung,
insbesondere die Entmilitarisierung des Kosovo. Anhang A legt die Militär-
und Polizeibezirke im Kosovo fest. Anhang B definiert den Status der
internationalen Streitkräfte (KFOR, Kosovo Forces), die im Kosovo eingesetzt
werden sollen. Das Schlußkapitel 8 enthält abschließende Vertragsregelungen
und sieht Platz für die Unterschriften der jugoslawischen Bundesregierung,
der serbischen Regierung und eines Vertreters der albanischen
Verhandlungsdelegation vor.

Welche militärischen Bestimmungen sieht das Abkommen vor? (Kapitel 7 und
Anhang B)

* Als erstes fällt auf, daß für die Vereinten Nationen und den
Sicherheitsrat in diesem Abkommen kein Platz ist. Zwar wird der
Sicherheitsrat in Kap. 7-I/1a eingeladen, den Vertrag gutzuheißen. Im
gleichen Abschnitt wird aber der NATO zugestanden, eine Streitkraft
aufzubauen und zu führen, die bei der Durchsetzung der Vertragsbestimmmungen
hilft. Dieser Streitkraft können gemäß Kap. 7-I/1b Truppen-, Luftwaffen-
und Marineeinheiten aus NATO-Ländern wie aus Nicht-NATO-Ländern angehören.
Mit welchen "Gästen" die jugoslawische Regierung im Rahmen der KFOR (Kosovo
Forces) also rechnen müßte, wird nicht präzisiert. Auch über den Umfang der
KFOR-Truppen wird keine Aussage gemacht.

* Die KFOR erhält nach Kapitel 7-I/2b das Recht, jegliche Infrastruktur und
Dienstleistungen, die für die Durchführung der Mission erforderlich sind,
kostenlos in Anspruch zu nehmen.

* Die drei Artikel von Kap. 7-IV geben präzise Termine und Schritte zum
vollständigen Rückzug der jugoslawischen Armee aus dem Kosovo und zu ihrer
Entwaffnung vor. Innerhalb eines halben Jahres nach Inkrafttreten des
Vertrages sollen die jugoslawischen Streitkräfte sich komplett aus dem
Kosovo zurückgezogen und sämtliche Waffen abgezogen haben. Die
Grenzschutztruppe darf maximal 1.500 Mann stark sein, über eine eventuell
weitere Reduzierung entscheidet allein der Kommandeur der KFOR. Die
jugoslawische Luftwaffe muß nicht nur sämtliche Flugzeuge, Radaranlagen und
Abwehrstellungen aus dem Kosovo abziehen, sondern überdies einen 25 km
breiten Streifen auf serbischem Gebiet komplett räumen.

* Mit anderen Streitkräften (other forces) und ihrer Entwaffnung beschäftigt
sich Kap. 7-V. Dabei wird die UCK, die Befreiungsarmee des Kosovo,
namentlich nicht erwähnt. Zwar werden hier die militärische Entwaffnung und
der Bewegungsspielraum der anderen Streikräfte geregelt, die Details bleiben
allerdings Absprachen mit dem Kommandeur der KFOR nach Unterzeichnung des
Abkommens überlassen. Nicht geregelt wird auch die Frage der sogenannten
Kleinwaffen (Pistolen und Gewehre) - das bedeutet, bewaffneten Übergriffen
von albanischen und serbischen Zivilisten wird nicht wirksam vorgebeugt.

* Kap. 7-VIII legt fest, daß die KFOR bei ihrer Missionserfüllung keinerlei
Einschränkungen unterliegt. Welche Maßnahmen sie für die Durchführung ihrer
Aufgaben für erforderlich hält, legt sie selbst bzw. ihr Kommandeur fest.
Diesem kommt auch das Recht zur Interpretation der Vertragsbestimmungen zu.
Obendrein wird dem Nordatlantikrat zugestanden, einseitig die Pflichten und
Verantwortlichkeiten der KFOR zu ergänzen. Die KFOR kontrolliert den
gesamten Verkehr im Kosovo sowie den Luftraum bis 25 km in serbisches Gebiet
hinein, kann sich selbst aber ungehindert auf dem Lande, in der Luft und auf
dem Wasser bewegen. Außerdem ist die KFOR nicht für Schäden haftbar, die
sie verursacht.

* Noch viel weiterreichend sind die Einschränkungen der staatlichen
Souveränität Serbiens gemäß Anhang B des Abkommens: Die Angehörigen der
NATO-Truppen unterliegen bei der Ein- und Ausreise nach Jugoslawien - d.h.
auch Serbien - keinerlei Paß- und Visavorschriften (Art. 3). Sie
verpflichten sich zwar, die regionalen Gesetze zu beachten, genießen aber
straf-, zivil- und verwaltungsrechtlich unter allen Umständen vollkommene
Immunität (Straffreiheit) (Art. 6).

Außerdem können sich die NATO-Soldaten im gesamten Hoheitsgebiet des
Bundesrepublik Jugoslawien - d.h. im Kosovo wie in Montenegro, in der
Vojvodina und im Sanjak wie in allen Teilen Serbiens - mitsamt ihrer
Ausrüstung vollständig und ohne Einschränkungen frei bewegen (Art. 8) Dabei
haben ihnen die jugoslawischen Behörden jede gewünschte Unterstützung zu
gewähren, dürfen für die Bereitstellung der Infrasturktur und Dienste aber
keine Gebühren oder Zölle erheben (Art. 10). Dementsprechend fallen für die
KFOR auch keine Straßennutzungs-, Start- und Landegebühren oder andere
Unkosten an. Für Schäden, die NATO-Truppen verursachen, ist die NATO nicht
haftbar (Art. 17).

Selbst jugoslawische Bürger, die die NATO in ihre Dienste nimmt, genießen
Immunität für jegliche Handlungen, die sie im Auftrag der NATO durchführen
(Art. 20). Andererseits erhält die NATO das Recht, jugoslawische
Staatsbürger festzunehmen und den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben
(Art. 21).

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