Aus dem Oberösterreichischen Nachrichten vom 22.April 1999

Kosovo-Krieg entfacht Kanonendonner bei Grünen

VON ERHARD GSTÖTTNER

Explodiert sind gestern die Spannungen, die der Kosovo-Krieg auch bei Österreichs Grünen verursacht hat - aus Protest gegen die Haltung der Bundesgrünen legte Boris Lechthaler seine Funktionen bei den Grünen zurück.

Der 38jährige saß im Landesvorstand der Partei, ist einer der Wortführer der Friedensbewegung und war bis gestern zweitgereihter Nationalratskandidat der Grünen in Oberösterreich. Statt Lechthaler sollte vorigen Oktober eigentlich der Popmusiker Andy Baum als Kandidat aufgestellt werden, doch gab die Grünen-Basis dem Mühlviertler den Vorzug.

Lechthaler verdient auch seinen Lebensunterhalt bei den Grünen, der gelernte Versicherungskaufmann ist Sekretär der Linzer Partei. Kommenden Montag entscheidet der Linzer Bezirksvorstand über dienstliche Konsequenzen für Lechthaler.

Der attackiert vor allem die Bundesgrünen und da besonders die Haltung des Bundessprechers Alexander Van der Bellen zum Kosovo-Krieg. Die Bundesführung habe zunächst geschwiegen, dann halbherzig protestiert und die Positionen des grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber konterkariert, sagt Lechthaler: "Das ist sicherheitspolitische Haiderei. Es ist Zeit, Signale zu setzen. Denn ein wesentlicher Teil der Partei hat nicht mehr die nötige Sensibilität. Friedenspolitik ist doch ein Grundpfeiler des Politikverständnisses der Grünen, wo aber mittlerweile auch ökosoziale Positionen zu kurz kommen."

In der Grünen-Partei hat Lechthaler zwiespältige Reaktionen ausgelöst. "Wir weisen die Kritik scharf zurück", sagt Bundesgeschäftsführerin Mi-chaela Sburny. "Sein Schritt ist unverständlich und bedauerlich", formuliert Landessprecher Gottfried Hirz. Und der Linzer Fraktionschef Jürgen Himmelbauer: "Ich weiß nicht, was den Boris reitet."

Doch Lechthaler steht mit seiner Kritik keineswegs allein. "Auch ich bin nicht einverstanden mit der Haltung der Bundesgrünen zum Kosovo-Krieg. Wir brauchen eine klare Haltung und nicht eine Politik des Herumdrückens", sagt die Linzer Gemeinderätin Gerda Lenger. Scharf zum Ausdruck gebracht hat der Linzer Gemeinderat Harald Schmutzhard seine Position.

Grüne als Kriegstreiber?

Gemeinsam mit Lechthaler und anderen führenden Mitgliedern der Linzer Grünen ladet der Mandatar und Künstler Schmutzhard für Samstag zu einer Diskussion mit der deutschen Kriegsgegnerin Klaudia Haydt, die aus Protest gegen die Haltung der deutschen Grünen aus der Partei ausgetreten ist. In der Einladung zu der Veranstaltung wird der "Ausschluß der deutschen Grünen aus der Föderation der europäischen Grünen" verlangt. Begründung: "Mit Kriegstreibern kann es keine gemeinsame Föderation geben.

 

Grüner Jammer

VON ERHARD GSTÖTTNER

Der Kosovo-Krieg hat auch bei Österreichs Grünen Explosionen ausgelöst. Das ist kein Wunder angesichts dessen, daß Deutschlands Grüne über Krieg und Frieden entscheiden müssen. Doch die Friedensfrage ist ein Grundpfeiler der Grünen.

Die Proteste der heimischen Grünen sind aber auch Symptom einer schleichenden Krise der Partei. Die einst so diskussionsfreudige Vereinigung ist zu einem Kreis der Verdränger geworden. Offene Fragen werden nicht mehr ausdiskutiert, sondern unter den Teppich gekehrt. Getan wird von den Grün-Spitzen vor allem das, was medial gut ankommen könnte.

Im Bestreben, auf möglichst vielen politischen Kirtagen gute Figur zu machen, und im absurden Hecheln nach einer Regierungsbeteiligung hat sich ein Teil der Grünen-Führung von den eigentlichen Grünthemen entfremdet.

Als es kürzlich darum ging, im Nationalrat den Kampf gegen das Atomkraftwerk Temelin bundespolitisch anzukurbeln, holten sich die Oberösterreicher kalte Füße - die Obergrünen zu Wien zogen es vor, über Temelin zu schweigen und statt dessen über die Steuerreform zu plaudern.