bomben aus Mitleid ?

oder die Verwendung des Kosovo-Dramas als Treib-Stoff zur Neuordnung der Welt ?

Berndt Bleckmann

Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Die Amerikaner setzen im Kosovo Apache-Hubschrauber gegen die ‹ethnische Säuberung" ein. Die Apachen waren ein Volk, das den ethnischen Säuberungen in Nordamerika zum Opfer fiel.

Die Rechnungslegung gegen das Milosevic-Regime, von Seiten der Nato, beginnt mit dem Bürgerkrieg in Bosnien. Was vorher war, wird unterschlagen. Ein in die Enge getriebener Tiger ist gefährlich, weiß man. Altjugoslawien wurde matt gesetzt durch die Anerkennungsschachzüge der Staaten, die jetzt ‹Schach" sagen, zu Restjugoslawien. Die Ausblendung des Vorangegangenen hat Methode. Milosevic ist der Schurke, der den Westen zum Handeln zwingt. Die endlose Kette von blutigen Aktionen und Reaktionen in der Geschichte des Balkans gibt keine story her, die sich, im Sinne des Westens, politisch vermarkten läßt.

Die Nato sagt: Die ethnischen Säuberungen im Kosovo waren von langer Hand vorbereitet und nicht Folge oder ungewollter Effekt der Bombardierungen; ethnische Säuberungen verstoßen gegen die Menschlichkeit und erlauben die Bombardierung eines souveränen Staates. Selbst wenn man dieser Argumentation folgt, bleibt die Frage: Wer gibt die Erlaubnis? Die UNO, die OSZE oder die Amerikaner sich selbst. Wir sind Zeitzeugen der Rückkehr zum Faustrecht in den Internationalen Beziehungen.

Ein Zyniker könnte zu folgendem Urteil kommen: Es gibt zweierlei Arten von Greueltaten auf dieser Welt. Solche, die auf der ‹richtigen" Seite passieren und solche, die auf der ‹falschen" Seite passieren. Die Greueltaten auf der richtigen Seite werden von der zivilisierten Welt unterstützt, übersehen oder folgenlos gerügt. Die auf der falschen Seite, werden geahndet. Greueltaten auf der richtigen Seite sind, zum Beispiel, jene der Türken gegen die Kurden, der Israelis gegen die Palästinenser, der Indonesier gegen die Ost-Timoresen, der Russen gegen die Tschetschenen, der Marokkaner gegen die Bevölkerung der West-Sahara oder der guatemaltekischen Regierung gegen die indigene Bevölkerung. Zu den Greueltaten auf der falschen Seite zählen jene der Iraker gegen Kuweit und der Serben gegen die Kosovo-Albaner. Im Falle der Iraker ist interessant, daß ihre viel grauenhafteren Greueltaten gegen die Iraner auf der richtigen Seite stattfanden. Eine Zentralregierung auf der einen Seite, Aufständische auf der anderen Seite und, gleichsam in der Mitte, eine bäuerliche Bevölkerung, die, teilweise oder überwiegend, mit den Aufständischen sympathisiert und von der Zentralregierung in ihrem Kampf gegen die Aufständischen aus ihren Dörfern vertrieben, getötet und gefoltert wird, ist ein relativ häufiges Szenario in der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts. Die Kriege in El Salvador oder Guatemala waren, der Krieg in Kurdistan ist den Vorgängen im Kosovo vergleichbar, sieht man ab von der ideologischen Ausrichtung der kämpfenden Parteien.

 

Die Neue Überheblichkeit

Der Untergang des Kommunismus mußte bei den Eliten des Ostens zu einem orientierungslosen Minderwertigkeitsgefühl führen. Viele Mitglieder der ehemaligen Nomenklatura suchten neuen Halt in einem alten Nationalismus (Schirinowsky, Meciar, Milosevic, Tudjman u.v.a.). Bei den westlichen Eliten führte die politische Wende zu einem, von der politischen Diskussion viel weniger beachteten, übersteigerten Selbstbewußtsein , sozusagen einer Neuen Überheblichkeit . Ihre Träger bezeichnen sich als die westliche Wertegemeinschaft oder kürzer als die internationale Gemeinschaft oder noch kürzer als die zivilisierte Welt, die einem nicht näher definierten Rest gegenübersteht. Der Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark sagt am 29.3.99 im TV-Kanal ntv , bezugnehmend auf die Bombardierung des Kosovo:

"Wir haben es hier mit einer Gegend zu tun, die zwar etwas abgelegen sein mag vom traditionellen europäischen Zentrum, aber sie liegt im strategischen Zentrum Europas, der Nato und der euro-atlantischen Gemeinschaft. Dies ist ein Kampf um die Art von Welt in der wir zukünftig leben. Werden wir kommunistische Diktaturen nach alten Stil haben, die mit Propaganda und Terrorregierungen ihre Streitkräfte gegen ihre eigene Bevölkerung einsetzen, oder werden wir zusammen in ein 21. Jahrhundert gehen, das die richtigen Werte und Standards für alle Menschen hat, überall. Darum geht es bei diesem Kampf für Nato und Europa und die USA, auf ihrem Weg ins 21. Jahrhundert." (Hervorhebung vom Verf.) Als der russische Premier Primakow, nach einem Gespräch mit Milosevic, einen Vorschlag zur Beendigung des Luftkrieges macht, lautet die Antwort: ‹Der Primakow-Vorschlag ist für die internationale Gemeinschaft (!) inakzeptabel." Die westliche Wertegemeinschaft fühlt sich aufgerufen, wo immer ‹Schurkenstaaten" die zivilisierte Welt stören, diese zur Räson zu bringen und auf deren Territorium die richtigen Werte und Standards einzuführen. Die UNO-Sicherheitsratsmitglieder China und Rußland haben sich der Neuen Überheblichkeit nicht angeschlossen, deshalb wurde im Falle des Kosovo der Sicherheitsrat mißachtet. Damit haben die Vereinten Nationen aufgehört in ihrer bisherigen Form zu existieren. Die UNO, wie sie war, gibt es nicht mehr.

Im Falle des jüngsten Krieges auf dem Balkan haben es sich die USA, wie gewohnt, nicht nehmen lassen, in die Führungsrolle gedrängt zu werden. Aus den zitierten Worten des Oberbefehlshabers wird deutlich, daß die amerikanischen Eliten &endash; mindestens die militärischen &endash; den Kalten Krieg in ihren Köpfen, als geistige Grundhaltung, nie beendet haben. Die konditionierten Denkformen des Kalten Krieges, die viel mit biblischem Fundamentalismus und wenig mit Vernunft zu tun haben, der Friedensforscher Johan Galtung spricht von ‹Paranoia mit Größenwahn", wirken fort, auch wenn es den Gegner Sowjetunion nicht mehr gibt.

Serbien ist die letzte politische Einheit in Europa, in der die alte Nomenklatura an der Macht ist. Dort müssen sich die Fermente der westlichen Markt-Freiheit, nämlich das Kapital und der Informationstransfer, Spielregeln fügen, die nicht ihre eigenen sind (während selbst die Börse in Moskau dem Spekulationskapital offensteht und russische Zeitungen bereits in amerikanischer Hand sind). Die Serben waren in zwei Weltkriegen die Verbündeten der Russen. Der Westen nähert sich Rußland auf sehr verschiedene Weise. Zum einen mit Krediten zum anderen mit Panzern. Mit der Nato-Osterweiterung wurde die Ostfront des Bündnisses in Zentraleuropa von der Linie Stettin-Triest ungefähr auf die Linie Bialystok-Saloniki vorgeschoben. Diese gedachte Nord-Süd-Linie hat eine Lücke: Serbien. Wenn die Nato den Serben die richtigen Werte und Standards (Clark) beibringt, wäre sie geschlossen. Kosovo liegt, nach den Worten des Oberbefehslhabers im strategischen Zentrum (!) der Nato. Wer glaubt, das würde die Russen nicht alarmieren, die durch Invasionen traumatisiert sind, der irrt. Galtung sagt an dieser Stelle ‹Definiere eine andere Nation oder eine andere Religion als deinen Feind, und sie wird ihre Kräfte so organisieren, daß sie tatsächlich zum Feind wird." Wir können ergänzen: es genügt, wenn sie glaubt, daß sie als Feind definiert wird.

 

Die Zerschlagung Alt-Jugoslawiens begann mit der Anerkennung Sloweniens und später Kroatiens im Jahre 1991 als souveräne Staaten. Sezessionsbewegungen werden von einer Zentralmacht in aller Regel mit brutaler Härte beantwortet, egal ob eine Demokratie oder eine Diktatur handelndes Subjekt ist. Beispiele aus Mitteleuropa sind Südtirol, das Baskenland, Nordirland oder Korsika. Zivilisationsgeschichtlich war die Zerschlagung Jugoslawiens ein Rückschritt und vielleicht der schwerste politische Fehler des Westens seit dem Vietnamkrieg. Das Beziehungsgefüge (Alt-)Jugoslawiens, seine wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verflechtungen waren, bei allen Mängeln des politischen Systems, eine Errungenschaft, und ein Schritt hin zu Frieden und Verständigung der Balkanvölker. Nationalstaaten entstehen als Vereinigungen von ‹Volksstämmen" oder Völkerschaften, oder, modern ausgedrückt, als Vereinigung von Regionen. (Das aus zwei Weltkriegen jeweils ‹übriggebliebene" Österreich ist, aus historischen Gründen, ein Sonderfall.)

Mit dem Staat (Alt-)Jugoslawien ging auch die jugoslawische ‹Idee" unter. Jugoslawien war, mit Indien, führendes Mitglied der Blockfreien-Bewegung und ein angesehenes und relativ einflußreiches Mitglied der UNO-Völkergemeinschaft. Mit dem Untergang des Kommunismus, des einen Blocks, verlor sich die Blockfreien-Bewegung, der die Mehrzahl der UNO-Mitgliedsländer angehört hatte. Jugoslawien verlor ein Stück seiner Identität. Hinzu kam der wirtschaftliche Niedergang Osteuropas. Dem doppelten Druck hielt die Staatspartei, der Bund der Kommunisten, nicht stand . Mit dem einigenden Band der Partei zerriß die Einheit des Staates - der Westen tat das Seine dazu. Das nationale Gravitationszentrum Jugoslawien implodierte. Die Teilstücke organisierten sich zu völkisch orientierten neuen Gravitationszentren. Eine schnelle Einschulung in die westliche Werteordnung mißlang, weil sich die Leute die Werte, auf die sie Wert legten, mangels Devisen, nicht kaufen konnten und weil sie auf die westlichen Werte, die kostenlos zu haben waren, keinen besonderen Wert legten. Hatten ihnen doch die Westler ein halbes Jahrhundert vorgelebt, daß Freiheit vor allem die Freiheit des Konsumierens ist und die Demokratie die Lebensform der Konsumenten. Mangels Devisen und einer ideologischen Alternative füllte sich das Vakuum mit dem, was im kollektiven Gedächtnis der Balkanvölker vor dem sozialistischen Jugoslawien da war, einem völkischen Nationalismus. Der mußte zum Verhängnis werden, weil die Grenzen der Teile-Republiken nicht mit den völkischen Grenzen übereinstimmten. Die geographische Durchmischung der Völkerschaften führte dazu, daß eine nationalistische Eruption einer Völkerschaft, wie in einem System kommunizierender Röhren, zu eben solchen Eruptionen bei den anderen Völkerschaften führte. Mit jeder Eruption und jeder Gegeneruption stieg die Temperatur des politischen Klimas, bis die Leidenschaften explodierten. Eines der Ergebnisse des 1. Weltkrieges war die Neuordnung des Balkans und die Bildung des Staates Jugoslawien, nicht zuletzt aus den bitteren Erfahrungen vorangegangener Zeiten. Die Verlierer dieses Krieges, und zweimaligen Weltkriegs-Feinde Serbiens von 1914 und 1941, Österreich und Deutschland, sind 70 Jahre später die ersten, die zum Ende Jugoslawiens und damit zur Herstellung von politischen Zuständen, die denen vor 1914 nicht unähnlich sind, beitragen. Es ist nicht nur Ironie der Geschichte, daß sich auch kriegerisch wiederholt, was vorher war.

II.

Kriegführung in der Demokratie braucht die Zustimmung der Demokraten. Im Informationszeitalter wird die Öffentlichkeit zum heimlichen Kriegsteilnehmer. Nie vorher mußten Politiker und Generäle so sensibel auf die Reaktionen ‹des Publikums" Rücksicht nehmen. Zum heißen Kampf an der Front kommt der stille Kampf um die Zustimmung im eigenen Staat. Die Wohnzimmer werden zum kritischen Hinterland. Zum modernen Krieg gehören allabendliche ‹briefings" der Militärs vor Fernsehkameras. Die Verbündeten der Politiker und Militärs sind die Medien. Aus zwei Gründen: zum einen, weil sie selbst Teil des Militärisch-Industriell-Medialen Komplexes sind, zum anderen, weil der Kriegsgegner Serbien den transnationalen Datenfluß behindert (Pressezensur). Es liegt im ureigenen Interesse der Medien, daß Serbien auch auf diesem Gebiet Serbien ‹die richtigen Standards" beigebracht werden. Die Zustimmung weiter Teile der westlichen Völker zu dem gewünschten Krieg ist das Verdienst einer Medienkultur, die die hohe Schule des Informationsmanagements mit einer Virtuosität beherrscht, die den Vergleich mit den raffiniertesten Waffen der Militärs nicht zu scheuen braucht. Dagegen ist die Pressezensur diktatorischer Regime ein Faustkeil, wenn nicht ein blindgehender Bumerang. Die ideologischen Ordnungshüter sind in der modernen Informationsgesellschaft keine Gesinnungsgendarmen, sondern galante Verführer eines mattscheibenfrommen Publikums, das sich in allabendlicher Selbstamerikanisierung dem Bombardement der Weapons of Mass Distraction (H.I.Schiller) aussetzt. Sie beherrschen die Infrastruktur des Informationsflusses, die Meinungen und Bewußtsein formt. Unmerkliche ideologische Kontrolle passiert einerseits über die Konstruktion von Informationslücken, die Schlußfolgerungen verhindern, die nicht im Sinne der ideologischen Ordnung sind , zweitens, damit zusammenhängend, durch Fragmentierung der Historie, (der Fall Serbien beginnt mit Milosevic) drittens, durch Überschwemmung mit Informationspaketen, deren Inhalt sich nicht auf das Wesentliche, sondern auf das Triviale, nicht auf die Hauptsache, sondern auf eine Nebensache konzentriert. Wo immer Kriegsberichterstattung im Fernsehen stattfindet, zeigt sie am liebsten Explosionen, Brände und weinende Gesichter. Zum Verständnis der Kriegsursachen und -Folgen trägt das kaum bei. Viertens, durch Gesichtsbetrachtung statt Geschichtsbetrachtung, das heißt, durch die Reduzierung vielschichtiger kausaler Zusammenhänge auf die Machenschaften einer Person. Und fünftens, zumindest im amerikanischen Raum, durch die Verkürzung der Nachricht auf die Zeitspanne zwischen den Pulsschlägen der Werbeeinschaltungen. Zu welch frappierenden Leistungen das global funktionierende Informationsmanagement in der Lage ist, zeigt sich beim Vergleich der Meinungen zu den Kriegen im Kosovo und in Kurdistan. Die erschreckende Vergleichbarkeit des Faktischen - vom Militär niedergebrannte Dörfer, entvölkerte Landstriche, eine vertriebene Bevölkerung, zu Tausenden getötete und gefolterte Zivilisten - führt durch die gegensätzliche Berichterstattung zu diametral entgegengesetzten Einstellungen bei den Rezipienten. Die Kurden sind kein Gegenstand des Mitleids, ihre Not ist kein Gegenstand von mildtätigen Sammlungen und ihre ‹UCK", nämlich die PKK, wird als Terrororganisation gesehen.

 

Diese systemischen Manipulationen der Informationsmanager auf der kongitiven Ebene sind nur ein Teil des Programms. Die Show, das Medium selbst ist die große Botschaft. Sound und Light und die erotische Beziehung des Publikums zu den Stars machen das Welttheater zur Disco. Angloamerikanische Songs und Videoclips, Hollywoodfilme und Pop-Idole dominieren die Medien der meisten Länder der Erde. Angloamerikanische, oder nach angloamerikanischen Mustern fabrizierte Bilder, Daten und Botschaften sind rund um den Globus pausenlos präsent. Dieser ‹elektronische Imperialismus" (H.I.Schiller) - dessen message, auf den Punkt gebracht, lautet: Freiheit ist gleich Konsum - schafft die positive Aura für die Akzeptanz der westlichen Werte und Standards ...und der Verlautbarungen eines Nato-Sprechers.

 

Zu den militärischen Waffen, mit denen dieser jüngste Krieg geführt wird, kommen die kommunikativen. Der Schauplatz ersterer ist (noch) der Kosovo, der Schauplatz letzterer ist die Welt. Der Sieger der Propaganda-Schlacht steht längst fest. Die Übermacht der Propaganda-Waffen entspricht jener der militärischen. Der Sieg der Nato ist eine Warnung &endash; eine verheerend falsche, wie ich meine &endash; an Rußland, wahrscheinlich auch an China und Indien und an Saaten, die einen eigenen islamischen Weg gehen wollen, jenseits des westlich-kapitalistischen Modells. Geht es nach Plan, ist der Sieg in dem kleinen Jugoslawien ein großer Schritt zu einer neuen Weltordnung. Das erklärt den enormen militärischen Einsatz und die hohe politische Risikobereitschaft der Allianz gegenüber Rußland. Die UNO, ein Kind der bipolaren Kräftekonstellation nach dem 2. Weltkrieg, wird in der unipolar gewordenen Welt abgelöst von der NATO, dem Exekutivorgan der Neuen Überheblichkeit. Nato-Sprecher Jamie Shea am 10.4.99 :"Kosovo ist ein entscheidender Wert für die Zukunft der Allianz".

Wenn der Kosovo-Krieg vorbei ist, steht zu befürchten, daß der Zweite Kalte Krieg unwiderruflich begonnen hat.

 

Fußnoten:

Der Weltfeind Nr.1 war damals für das amerikanische establishment der iranische Imam Khomeini. Die Mehrzahl der US-Medien zeigte unverhohlene Sympathie für den Angreifer Irak. Der 1. Golfkrieg dauerte von 1980 &endash; 1988 und kostete einer Million Menschen das Leben.

Der von den westlichen Medien wenig beachtete Bürgerkrieg in Guatemala wurde erst Ende 1996 beendet und kostete 100.000 Menschen das Leben. 40.000 Personen gelten als vermißt und 1,5 Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.

New York Times Magazine, 7 Juni 1997: ‹Der Fall der Berliner Mauer 1989 markierte den Beginn von Amerikas Aufstieg auf ein neues Niveau der Weltherrschaft. Kein Auslandsreisender entkommt dieser Einsicht. In Musik, Fernsehen und Kino, Amerikas Einfluß erreicht eine Größe, die Werbefachleute als Marktsättigung bezeichnen. Die Embleme von Amerikas Massenkultur haben die entferntesten Winkel infiltriert: das CocaCola-Logo ist an Straßenecken von Kasachstan bis Bora-Bora; CNN strahlt von den Bildschirmen in mehr als 200 Ländern; es gibt mehr 7-Eleven-Läden in Japan als in den Vereinigten Staaten. Unsere Technologie &endash; computerbestückte Waffen, medizinische Scanner, das Internet &endash; setzen die Standards nach denen sich Entwicklungsländer sehnen." (zitiert nach: H.I.Schiller, Living in the number 1 society, Gazette, April 1998)

Der deutschsprachige Nachrichtensender, befindet sich mehrheitlich in amerikanischem Besitz und bezeichnet sich als Partner des regierungsnahen US-Senders CNN

ntv-Nachrichten am 1.4.99

Ein Beispiel ist auch der deutsche Nato-Oberbefehlshaber a.D., Helge Hauser, der sich zum Kriegsziel der Nato in Jugoslawien mit den Worten äußerte: "Es geht darum das kommunistische Gewaltregime zu beseitigen." (Interview im öffentlich-rechtlichen, deutschen TV-Kanal Phoenix, am 9.4.99)

Johan Galtung, Die Nato-Osterweiterung oder: Der Beginn des Zweiten Kalten Krieges in: Die andere Globalisierung, Münster 1998

‹Das begann einige Jahre nach dem Tod Titos, und es kommt mir jetzt vor, eine große Zahl, jedenfalls die Mehrheit, innerhalb der nördlichen Völker Jugoslawiens, habe sich den Zerfall des Staates von außen einreden lassen." aus: Peter Handke, Abschied des Träumers vom Neunten Land. Ffm 1991

‹Die Mürzsteger Punktationen vom 1. Oktober 1903 sahen eine Unterstützung der bedrängten Bevölkerung, eine Erleichterung der Repatriierung der Flüchtlinge und eine Wiederherstellung der zerstörten Dörfer etc. vor. Um dies Programm durchzuführen, werde man die Bemühungen der Pforte zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Mazedonien durch eine wirksame Kontrolle und Überwachung unterstützen. Wirklich kam nach langen Verhandlungen 25. Nov. eine Vereinbarung zwischen den beiden christlichen Mächten einer- und der Türkei andererseits insofern zustande, als zwei Zivilagenten, ein russischer und ein österreichischer, sowie eine aus österreichischen, russischen und italienischen Offizieren gebildete Gendarmerie dem Reformwerke des Generalinspektors Hussein Hilmi Pascha den nötigen Nachdruck verleihen sollte. Fortgesetzte Grausamkeiten bulgarischer Banden riefen jedoch daneben eigenmächtige Bildung griechischer und serbischer Freischaren hervor, die sich ihrer bedrängten Glaubensgenossen annahmen;... Der durch die fortwährenden Kämpfe in Mazedonien verschuldeten Anarchie vermochte auch das inzwischen durch französische und englische Offiziere verstärkte, aber durch gegenseitige Eifersüchteleien der beteiligten Mächte gelähmte internationale Gendarmeriekorps, das dem italienischen Divisionsgeneral De Giorgios unterstellt war, wenig zu steuern.....Das offizielle Rotbuch....der bulgarischen Mazedonier vom November 1904 verzeichnet für die Zeit von 1898 bis zum 20. Juli 1903 ... 1346 Zusammenstöße zwischen 4262 Aufständischen und 74.000 türkischen Soldaten, wobei 512 Bandenmitglieder den Tod fanden. Während des organisierten Aufstandes vom Juli bis Oktober 1903 hätten 26.408 Mann unter Waffen gestanden und dabei 994 in Gefechten ihr Leben verloren. Außerdem hätten 4694 Männer, Frauen und Kinder während dieser kurzen Zeit das Leben eingebüßt......So lassen türkische Mißwirtschaft und Indolenz einer- , andererseits der bittere gegenseitige Haß der Griechen, Serben, Bulgaren und der ... Kutzowlachen, ja auch der Albanesen vorläufig keinen Frieden aufkommen." (aus: Stichwort ‹Mazedonien" in Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd XIII, Leipzig u. Wien 1906) Anmerkung: Mit ‹Pforte" ist die Türkei gemeint. Kosovo war damals ein Teil Mazedoniens.

Der ‹Militärisch-Industrielle-Komplex", das Machtkartell der Profiteure des riesigen Rüstungshaushaltes der Vereinigten Staaten, hat maßgeblichen Anteil an der Entwicklung und Anwendung der neuen Informationstechnologien. Es erscheint mir daher sinnvoll von einem Militärisch-Industriell-Medialen-Komplex zu sprechen. Der Nachrichtensender CNN ist typisch für die mediale Komponente. Der 2. Golfkrieg verhalf diesem Sender zu weltweiter Repräsentanz.

Ein Zwerg unter den Mediengiganten, wie die Verlagsgruppe Passau, besitzt in Polen 16 und in Tschechien 37 Lokalzeitungen. Natosprecher Shea verkündete in der abendlichen Pressekonferenz am 8.4.99, daß die Nato dazu übergehen werde, zivile serbische Sendeanlagen zu bombardieren, es sei denn, die Serben ließen zur Hauptsendezeit 3 Stunden westliche Berichterstattung zu.

Die Pressezensur in undemokratischen Regimen findet in der Regel eindimensional, auf die politische Nachricht bezogen, statt. Das ist von den Empfängern viel leichter zu durchschauen als mehrdimensionale Beeinflussung. Die Menschen in untergegangenen realsozialistischen Partei-Diktaturen lasen zwischen den Zeilen, hörten zwischen den Worten und erkannten am Rhythmus der Wiederholungen, oder Auslassungen der Titel führender Funktionäre, was sich in Wirklichkeit abspielte.

Die deutsche Übersetzung ‹Massenzerstreuung" gäbe nicht ganz die Assoziation zwischen distraction (Ablenkung) und destruction (Zerstörung) wieder.

Die Ursachen, die aus der Sicht des Irak zum 2. Golfkrieg geführt haben, wurden in den westlichen Medien weitgehend verschwiegen. Die Auslandsschulden des Irak beliefen sich nach dem Ende des 1. Golfkrieges auf 70 bis 80 Mrd. Dollar. ‹Unmittelbar nach dem Abschluß des Waffenstillstandes zwischen Irak und Iran beschloß Kuwait, seine Erdölproduktion drastisch zu erhöhen...Ein niedriger Ölpreis entspricht... durchaus den Interessen Kuwaits....: Mit rd. 120 Mrd. US-Dollar ist das Kuwait Investment Offfice weltweit an führenden Industriekonzernen beteiligt. Der durch die kuwaitische Produktionssteigerung bewirkte Preisverfall am Weltmarkt hatte zur Folge, daß die irakischen Einnahmen aus dem Ölexport...auf 7 Mrd. Dollar jährlich sanken. Aus den... reduzierten Einnahmen ..konnte der Irak weder Rückzahlungen seiner Schulden tätigen, noch die Nahrungsmittelversorgung und die in Gang befindliche Industrialisierung des Landes finanzieren. Der Irak, der während des Krieges gewissermaßen stellvertretend auch gerade für die Interessen der Ölstaaten der arabischen Halbinsel gegen das Regime in Teheran gekämpft hatte, sah sich nunmehr von seinen Verbündeten im Stich gelassen und forderte deshalb von Kuwait den Erlaß von 10 Mrd. Dollar Kriegsschulden." (Werner Ruf, Die neue Welt-UN-Ordnung, S. 64, Münster 1994)

Die Bilder der vom Grauen gezeichneten Gesichter, der bemitleidenswerten Vertriebenen aus dem Kosovo, haben dazu geführt, daß Millionen Menschen mit Geldspenden zur Linderung der Not beitragen wollen. Auch aus der Sicht der NATO ein wünschenswerter Effekt: Das Mitleid gilt nicht ‹ihren" Bombardierten.

‹Und wenn ich höre: man darf nicht dulden, daß Dörfer ausgerottet werden, dann warte ich darauf, daß man demnächst, wenn kurdische Dörfer in der Türkei ausgerottet werden, ebenfalls einschreitet. Ich bin ganz sicher, daß man das nicht tut. Man kann es wohl auch nicht tun. Nur, dann soll man nicht solche Phrasen dreschen, wie sie jetzt gedroschen werden, leider auch von Leuten, die ich persönlich sehr schätze, gelegentlich." SPD-Vordenker, Peter Glotz in den ntv-Nachrichten am 29.3.99

‹the medium is the massage" Das Medium ist die Massage, Mc.Luhan

‹Kurzum, mit dem Madrider NATO-Gipfel im Juli 1997 hat der Zweite Kalte Krieg begonnen." Galtung, s. Anm. 7