Pressereaktionen auf den Austritt von 16 Mitgliedern der Grünen

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Oberösterreichische Nachrichten 14. Mai 1999

Grüne Turbulenzen wegen Kosovo-Kurs
Friedensaktivisten verlassen Partei

LINZ. Der Nato-Einsatz im Kosovo führt auch bei den Landes-Grünen zu Zerwürfnissen. Einige Funktionäre treten aus, Angestellte müssen mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Für heute haben fünf Linzer Grüne zu einer Pressekonferenz eingeladen, in der sie ihren Austritt aus der Partei verkünden wollen. Harald Schmutzhard, Boris Lechthaler, Gerald Oberansmayr, Tommy Zuljevic-Salamon und,Andrea Mayer-Edoloeyi sehen sich als entschiedene Kriegsgegner und Kritiker des Kurses von Bundessprecher,Alexander van der Bellen und wollen ihren Austritt als öffentlichen Protestakt gestalten.

In der Grünen-Landesführung herrscht eher der Eindruck, daß ein Teil der Austrittswilligen dienstrechtlichen,Konsequenzen zuvorkommen will. Der erweiterte Landesvorstand der Grünen hat die Linzer Bezirksorganisation mit,40 gegen zwei Stimmen aufgefordert, dienstrechtliche Konsequenzen aus der Sache zu ziehen. Daß Lechthaler und,andere die deutschen Grünen als Kriegstreiber und Joschka Fischer als Kriegsverbrecher dargestellt haben, hält Grünen-Landessprecher Gottfried Hirz für völlig überzogen: "Es gibt keinen Grund, die österreichische Diskussion mit der deutschen zu verquicken, wo wir doch mit der Stimme Lechthalers die Nato-Angriffe verurteilt haben."

Kurz darauf gingen die Friedensbewegten ohne Absprache mit den Gremien mit 4000 Flugblättern und einem Diskussionsabend an die Öffentlichkeit, in der der Ausschluß der Fischer-Grünen aus der Europäischen Grün-Föderation gefordert wurde. Daß sie ohne Erlaubnis und ohne Rücksicht auf den Datenschutz auf Adressensätze der Landes- und Stadtpartei zugriffen, bleibt nun nicht ohne Konsequenzen. Parteisekretär Oberansmayr hat der Bezirksführung die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angeboten, ehe diese zu anderen Mitteln griff. Zu Lechthaler, der ebenfalls in Parteidiensten steht, gibt es noch keine Entscheidung. (ach)


OÖ online 14.5.

Grüne: Parteiaustritte wegen Haltung zu NATO-Einsätzen

Linz (APA) - Die Frage der Haltung zu den NATO-Einsätzen in Jugoslawien sorgt nicht nur bei den deutschen sondern jetzt auch bei den österreichischen Grünen für Turbulenzen. In Oberösterreich erklärten am Freitag 16 Grüne - darunter mehrere Funktionäre auf regionaler Ebene - öffentlich ihren Parteiaustritt.

Unter den Ausgetretenen befinden sich der Linzer Grün-Gemeinderat Harald Schmutzhard sowie Boris Lechthaler, der auf der Nationalratswahlliste der Grünen in Oberösterreich an zweiter Stelle gereiht war. Ebenfalls ausgetreten ist Gerald Oberansmayr, der politische Sekretär der Grünen in Linz. Lechthaler und Oberansmayr waren bisher auch Parteiangestellte, sie sind mit ihrem Austritt auch ihren Job los. Schmutzhard bleibt als "wilder" Mandatar im Linzer Gemeinderat, kündigte er am Freitag an. Zu den Gründen für ihren Schritt erklärten die Austretenden am Freitag in einer Pressekonferenz, es würden "PazifistInnen und AntimilitaristInnen aus den Grünen rausgedrängt". Man habe bereits im April einen von zahlreichen Grünen aus ganz Österreich unterschrieben Offenen Brief an den Bundesvorstand geschickt, in dem unter anderem "eine entschiedene Antikriegspolitik der Bundespartei" gefordert wurde. Seitens des Bundesvorstands habe es keine Reaktion auf diesen Brief gegeben, daraufhin hätten sechs Mitglieder der Grünen in Oberösterreich - darunter Schmutzhard und Lechthaler - zu einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema "Grüne und Krieg" am 24. April in Linz eingeladen. Diese Vorgangsweise sei vom Landesvorstand bzw. vom Erweiterten Landesvorstand der Grünen in Oberösterreich als parteischädigend bezeichnet worden, auch seien "personelle Konsequenzen" gefordert worden. Daraufhin habe man den Parteiaustritt beschlossen.


Oberösterreichische Nachrichten 15.5.

16 Pazifisten verlassen Grüne

LINZ. Aus Protest gegen die Haltung der Bundes- und Landesgrünen zum Kosovokrieg verlassen 16 Mitglieder in Oberösterreich die Partei. Die antimilitaristisch und pazifistisch motivierten Grünen werfen der Bundespartei vor, von den Grundwerten abzurücken und sich an die Kriegspolitik der deutschen Grünen anzupassen. Weil die sechs der nun Ausgetretenen in einer Veranstaltung gegen diese Politik mobil gemacht hatten und dafür Adreßmaterial der Partei verwendet hatten, forderte der Landesvorstand Konsequenzen. Boris Lechthaler, der seine Nationalratskandidatur zurückgelegt hat, und Sekretär Gerald Oberansmayr, verlieren ihre Parteijobs in Linz. Harald Schmutzhard will als wilder Gemeinderat in der Politik bleiben: "Für Pazifisten scheint kein Platz mehr zu sein".

Landessprecher Gottfried Hirz hält die Vorwürfe für haltlos: "Die Gruppe hat sich selbst außerhalb der klaren Parteilinie gestellt." Das Ziel heiße: sofortige Friedenslösung im Kosovo.


Standard 15.5.

Parteiaustritte wegen Haltung zu NATO-Einsätzen
"PazifistInnen und AntimilitaristInnen aus den Grünen rausgedrängt"

Linz - Die Frage der Haltung zu den NATO-Einsätzen in Jugoslawien sorgt nicht nur bei den deutschen sondern jetzt auch bei den österreichischen Grünen für Turbulenzen. In Oberösterreich erklärten am Freitag 16 Grüne - darunter mehrere Funktionäre auf regionaler Ebene - öffentlich ihren Parteiaustritt.

Unter den Ausgetretenen befinden sich der Linzer Grün-Gemeinderat Harald Schmutzhard sowie Boris Lechthaler, der auf der Nationalratswahlliste der Grünen in Oberösterreich an zweiter Stelle gereiht war. Ebenfalls ausgetreten ist Gerald Oberansmayr, der politische Sekretär der Grünen in Linz. Lechthaler und Oberansmayr waren bisher auch Parteiangestellte, sie sind mit ihrem Austritt auch ihren Job los. Schmutzhard bleibt als "wilder" Mandatar im Linzer Gemeinderat, kündigte er am Freitag an.

Zu den Gründen für ihren Schritt erklärten die Austretenden am Freitag in einer Pressekonferenz, es würden "PazifistInnen und AntimilitaristInnen aus den Grünen rausgedrängt". Man habe bereits im April einen von zahlreichen Grünen aus ganz Österreich unterschrieben Offenen Brief an den Bundesvorstand geschickt, in dem "eine entschiedene Antikriegspolitik der Bundespartei, die Verurteilung der ,Kriegsgrünen' in Deutschland und der Ausschluß der Deutschen Grünen aus der Föderation der Europäischen Grünen, sollten sie ihre Haltung nicht ändern, gefordert wurde".

Seitens des Bundesvorstands habe es keine Reaktion auf diesen Brief gegeben, daraufhin hätten sechs Mitglieder der Grünen in Oberösterreich - darunter Schmutzhard und Lechthaler - zu einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema "Grüne und Krieg" am 24. April in Linz eingeladen. "Dabei wurde auch Kritik an Bundessprecher Alexander van der Bellen und an der Politik der Bundespartei geäußert, weil Österreichs Grüne auf die Politik des deutschen Außenministers Joseph Fischer eingeschwenkt sind", wurde bei der Pressekonferenz am Freitag erläutert. Diese Vorgangsweise sei vom Landesvorstand bzw. vom Erweiterten Landesvorstand der Grünen in Oberösterreich als parteischädigend bezeichnet worden, auch seien "personelle Konsequenzen" gefordert worden.

Daraufhin habe man den Parteiaustritt beschlossen, sagte Schmutzhard und fügte hinzu: "Für PazifistInnen scheint kein Platz bei den Grünen zu sein. Auf Diskussionsversuche innerhalb der Partei wird mit Ausgrenzung reagiert". Schmutzhard schließt nicht aus, daß es zu weiteren Parteiaustritten - auch in anderen Bundesländern - kommt. Ebenso schließe er nicht aus, daß die jetzt Ausgetretenen eine neue Grünbewegung gründen, "wir sind lauter Leute, die auch künftig politisch tätig sein wollen" (APA)

Standard 16. Mai (auszugsweise, zitiert nach akin)

Bundessprecher Van der Bellen konterte Freitag im Gespraech mit dem STANDARD: 'Die Kollegen in Oberoesterreich sehen die Schuld an dem Konflikt einzig und allein und ausschlieszlich bei der Nato. Das kann ich nicht akzeptieren. Ich kann auch nicht akzeptieren, dasz man in einem mehrseitigen Papier, wie es vor einigen Wochen von dieser Gruppe verfaszt wurde, Joschka Fischer als Kriegsverbrecher bezeichnet wird - ein Ausdruck, den ich grundsaetzlich ablehne. In dem mehrseitigen Papier findet sich kein einziges Wort zur verbrecherischen Politik des Milosevic-Regimes. Wenn man solche Positionen vertritt, kann man sich nicht mehr einigen.'

Van der Bellen wirft den ausgetreten Oberoesterreichern eine apolitische Haltung vor. Sie haetten nicht zur Kenntnis genommen, dasz die oesterreichischen Gruenen deutlich auf Distanz zu den deutschen Gruenen gegangen seien. Man habe auf 'mehreren Ebenen' versucht, die Deutschen zu beeinflussen, 'bis hin zur Uebergabe eines Briefes an Joschka Fischer'. Statt in den Bundespareivorstand zu kommen und die eigenen Positionen zu vertreten, habe man staendig versucht, die Bundespartei vor 'vollendete Tatsachen' zu stellen, aergert sich Van der Bellen.

Die ausgetretenen Oberoesterreicher befaenden sich innerhalb der Gruenen eindeutigen in einer Minderheitenposition, betonte der Parteichef der Gruenen.


Volksblatt 15.5.

Parteiaustritte von Grün-‹Promis"

LINZ &emdash; Der Kosovo-Krieg zerreißt die Grünen: Gestern gaben 16 prominente oö. Grüne ihren Parteiaustritt bekannt; unter ihnen NR-Kandidat Boris Lechthaler, der politische Sekretär der Grünen in Linz, Gerald Oberansmayr, und der Linzer Gemeinderat Harald Schmutzhard, der künftig als ‹Wilder" amtieren wird. Von der politischen Bühne verschwinden wollen sie aber nicht, sie bereiten, wie Lechthaler gestern mitteilte, ein ‹neues politische Projekt" vor. Als Austritts-Gründe gab Schmutzhard an, daß er und andere die Jugoslawien-Politik der deutschen und österreichischen Grünen nicht länger vertreten könnten. Auf ihre Forderung nach Verurteilung der deutschen ‹Kriegsgrünen" und einer klaren Anti-Kriegs-Haltung hätten Bundes- und Landesvorstand mit Diskussionsverweigerung und Ausgrenzung geantwortet.

Gegen verbale Farbbeutel

Die Austritte seien unverständlich, stellt Grün-Landessprecher Gottfried Hirz fest, die österreichischen Grünen hätten immer eine klare Anti-Kriegs-Haltung vertreten. Verbale Farbbeutel seien wenig dienlich. ‹Die angedrohten ‹personellen Konsequenzen" hätten sich nicht auf die Kritik insgesamt, sondern auf dienstrechtliche Verfehlungen der Parteiangestellten Lechthaler und Oberansmayr bezogen.


Salzburger Nachrichten 15.5.

Grüne sind im Kosovo-Dilemma

Die Auseinandersetzungen unter den deutschen Grünen über die korrekte Haltung zum Kosovo-Krieg führten zu Kollateralschaden unter den heimischen Artgenossen. Eine Gruppe Oberösterreicher trat aus der Partei aus.

LINZ, WIEN (SN, spu, pef). Stell dir vor, die deutschen Grünen streiten und die oberösterreichischen ziehen daraus Konsequenzen. So ähnlich mutet der Austritt von 16 Mitgliedern und Funktionären der Grünen Ober-österreichs, darunter ein Linzer Gemeinderat und zwei frühere Nationalratskandidaten, an.

"Für Pazifisten scheint kein Platz bei den Grünen zu sein. Auf Diskussionsversuche innerhalb der Partei wird mit Ausgrenzung reagiert", begründet der grüne Linzer Gemeinderat Harald Schmutzhard den Abschied. Sie würden eine entschiedene Antikriegspolitik der Bundespartei sowie eine Verurteilung der "Kriegsgrünen" in Deutschland vermissen.

Kritik gab es auch an Bundessprecher Alexander Van der Bellen, der den Bombenkrieg der NATO akzeptiere. Kritiker seien mundtot gemacht worden, sagte Ex-Nationalratskandidat Boris Lechthaler, der sich Freitag noch nicht festlegen wollte, ob die Abtrünnigen eine neue Partei gründen werden.

Für Van der Bellen ist der Entschluß des deutschen Grünen Sonderparteitags nur Vorwand für den gestrigen Austritt. "Das schwelt seit drei Wochen", sagte der Bundessprecher gegenüber den SN, "ein ursächlicher Zusammenhang besteht nicht." Kernpunkt des Konflikts sei, daß die jetzt ausgetretenen Grünen eine Verurteilung des deutschen Außenministers Fischer als Kriegsverbrecher erreichen wollten, ohne gleichzeitig die Verbrechen Milosevics zu thematisieren. Diese Auffassung werde vom Bundesvorstand nicht geteilt.

Der deutsche Beschluß - Ausschluß von Bodenkampftruppen, Unterbrechung des Bombardements, zurück an den Verhandlungstisch - sei unter den deutschen Umständen von NATO-Mitgliedschaft und grüner Regierungsbeteiligung "nicht nur ein tragfähiger Kompromiß, sondern ein gutes Papier", erklärte Van der Bellen. Österreichs Grüne könnten aufgrund der Neutralität und als Oppositionspartei weiter gehen und für einen völligen Bomben-Stopp eintreten. Da man keine Rücksicht auf die NATO nehmen müsse, "können wir sagen, wie Johannes Voggenhuber, ohne UN-Sicherheitsrat ist das völkerrechtswidrig".


Salzburger Nachrichten 15.5.

Ende von grünem Schwarz-Weiß

Der Standpunkt Helmut Spudich

Der Krieg kann wohl niemand gleichgültig lassen, es sei denn Zyniker. Den Grünen, die auch ein spätes Kind der Einsicht in den Wahnsinn des Dritten Reichs sind, kann darum die Frage nach der Berechtigung des Kriegs gegen den Wahnsinn des Diktators Milosevic schon gar nicht gleich sein. So entbehrt es nicht der historischen Ironie, daß ausgerechnet diese mit der Milch des Pazifismus aufgewachsene Partei jetzt Mitverantwortung für das erste Kriegsengagement Deutschlands seit dem Dritten Reich trägt.

Die heimischen Grünen tun sich da ein wenig leichter. Sie dürfen sich bis auf weiteres hinter der in die Jahre gekommenen Neutralität verstecken und ergo gegen jede Art von militärischer Intervention sein. Wir sind klein, unser Herz ist rein.

Aber auch Österreichs Grüne sind im Dilemma: Denn ihr hoch anzurechnender Einsatz für unterdrückte Minderheiten und Vertriebene in aller Welt müßte auch bei ihnen zwangsläufig zur Diskussion darüber führen, wo die Grenzen des Erduldbaren überschritten werden; wo Widerstand gegen den Täter vielleicht ebenso nötig ist wie schützende Frauen- und Flüchtlingshäuser für die Opfer.

Sich dabei nur auf das Gewaltmonopol der UNO zu berufen, ist in der Theorie ehrend, in der Praxis viele Jahre von der Verwirklichung entfernt. In Bosnien kam der Einsatzbefehl für die NATO erst nach dem Versagen der Blauhelme, im Kosovo wäre er nie gekommen. Wie laut müssen die Schreie aus der Wohnung nebenan werden, ehe sich die Nachbarn entschließen schon vor dem Eintreffen der Polizei einzugreifen?


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