Der Weg in die zweite Dimension

Einige Bemerkungen zur Entwicklung des Kulturverein Kanal vom Herbst 1986 bis Herbst 1998

Ouvertüre

Geschichtsschreibung ist immer ein Kampf um die Macht. Welche Sichtweise setzt sich durch, welche Erklärungsmuster werden Außenstehenden angeboten, welche Informationen weitergegeben und welche (als unwichtig) verschwiegen. Darum ist es wohl auch folgerichtig, daß gerade diese Gruppe des sich gespaltenen Vereins eine Geschichtsschreibung des Kanal versucht. Vor allem Franz Primetzhofer, als ein wesentlicher Repräsentant dieser Gruppe, sah seine Tätigkeit im Kanal immer auch als einen Kampf um die Macht. Das ist keine Unterstellung, sondern das was Franz jahrelang zu mir, und auch anderen sagte. Ich könnte dafür auch Belege beibringen, aber das einfachste wird sein sie fragen in selbst, er wird es ihnen sicherlich bestätigen.
Lange habe ich mit mir gerungen ob ich mich an dieser Geschichtsschreibung beteiligen soll oder nicht, und noch immer habe ich die Angst, nein eigentlich die feste Überzeugung, daß ich einen Beitrag zu einer Geschichtsschreibung leiste die ich als gesamte nie unterschreiben würde.
Dennoch habe ich mich dafür entschieden. Um zumindest einiges das ansonsten nicht vorkommen würde zu benennen.
Auf Grund mangelnder technischen Ausstattung schreibe ich diese Zeilen in völliger Unkenntnis anderer Beiträge und nur gestützt auf meine Erinnerungen, Daten kann ich daher nur ungefähr angeben, aber das scheint mir ohnehin nicht wesentlich, da es mir hauptsaechlich um Entwicklungenslinien gehen soll.
Diese Kanal-Geschichte wird überdies zu einem Zeitpunkt geschrieben, an dem sich der Verein nur kurz nach seiner Spaltung befindet, und noch nicht klar ist welche Gruppe zukünftig von sich behaupten wird können den KANAL, und was er bisher repräsentierte weiterzuführen.
Diese Dokumentation, und wohl auch mein Beitrag, sind daher im Lichte dessen zu sehen, daß es sich hier um keine entspannte Reflexion handelt, sondern eher um Rufe aus dem direkten Kampfgetümmel.
Dennoch möchte ich versuchen möglichst sachlich zu bleiben - inshalla (so Gott will).


Der Weg in die zweite Dimension

Entwicklungsstrang I
Seit der Konstituierung des Kanals existierten innerhalb des Vereins viele unterschiedliche, sich oftmals diametral entgegengesetzte Entwürfe, Wünsche und Zielrichtungen. Und selbst die Arten mit diesen Widersprüchen umzugehen waren sehr vielseitig. Aber, bei aller Buntheit und Unterschiedlichkeit gibt es doch nur drei grundlegende Möglichkeiten auf Verschiedenheit zu reagieren: Verdrängung, Zusammenführung/Versöhnung und Koexistenz. Leider begann im Kanal schon sehr bald die Verdrängung des "Anderen" sich als wesentliche Konfliktstrategie zu etablieren. Ich erinnere mich zum Beispiel noch, daß sich bereits in den Anfangstagen irgend jemand genötigt sah, einen OM-Stein, der das Haus und das Kulturprojekt beschützen sollte, abzumontieren um zu verhindern, daß der Kanal in Esoterik versinkt - welch eine Ängstlichkeit, und welch eine Enge im Denken.
Verdrängungunswettkampf bedeutet natürlich immer auch sukzessive Stärkung der eigenen Position, Betonung der eigenen Leitungen und Ausbau des eigenen Bereiches. Meine Hausmacht, um auch gleich ein Geständnis abzulegen, war über lange Zeit die Kanal-Zeitung. Martin Reiters Machtsphäre waren künstlerische Projekte, Franz Primetzhofers Macht wiederum speiste sich zum großen Teil aus seinen Kontakten zur Kulturbürokratie. Natürlich gab es noch eine ganze Reihe anderer Machtzentren (Veranstaltungsprogramm, Lokal, Meinungsführungsschaft an der Bar, Buchhaltung, Wohnraum, Vereinsbürokratie, Vorstandssitz usw.) aber bei uns dreien ist es wohl am augenfälligsten, und daher am klarsten nachzuweisen.
Im stätten Wettkampf und Gezerre versuchte jedeR seinen Bereich auszubauen und den der anderen möglichst zu schwächen (Schwundberechnungen des Ausschanks waren beispielsweise auch immer ein Mittel um die Bar-Crew nicht zu stark werden zu lassen, usw. Trotzdem halte ich Schwundberechnungen für einen wesentlichen Teil der Sorgfaltspflicht - da will ich keine Mißverständnisse aufkommen lassen).
Der Außendruck auf den Kanal, zwang uns aber immer wieder zusammen, und die Leistungen der Anderen anzuerkennen. Dies darf aber nicht über die stetigen Verdrängungskämpfe hinwegtäuschen. Frauen, das fällt natürlich auf, beteiligten sich kaum, oder zumindest nicht in so exponierter Position an diesen Kämpfen.
Natürlich ist diese Darstellung verkürzt, und wir haben vieles gemacht weil wir davon überzeugt waren, und nicht hauptsächlich um unsere vereinsinterne Macht auszubauen. Ich wollte nur diesen Aspekt auch einmal benannt haben.

Alles hätte natürlich auch anders kommen können, um hier auch ein wenig zu sudern, wenn unsere grundlegende Orientierung mir Unterschiedlichkeiten umzugehen eine andere gewesen wäre.

Die Entwicklung des Vorstandes ein wenig zu betrachten ist mir noch ein Anliegen, weil die Umwandlung des Vorstands von einem Stroh-Vorstand (den das Vereinsgesetz eben vorschreibt) zu einem aktiven Vorstand auf eine meiner Initiative zurück geht. Natürlich lag es damals nicht in meiner Absicht den Vorstand zu jenem zentralistischen Gebilde auszubauen als das es sich in späteren Jahren erwies (zuletzt durften nichteinmal mehr Vereinsmitglieder und auch nicht die Rechnungsprüferin an diesen Sitzungen teilnehmen). Ich glaube aber nach wie vor, daß dieser Vorstoß von mir damals richtig war. Immerhin entschieden damals fast alles Franz Primetzhofer und ich in gegenseitiger Absprache, und die Etablierung des Vorstands war eine demokratische Verbesserung - davon bin ich auch heute noch überzeugt. Für einige Zeit führte der Arbeitsvorstand auch die unterschiedlichen Strömungen im Verein zusammen.
Mit Etablierung des Vorstandes reduzierten sich die Verdrängungskämpfe auf zwei wesentliche Fronten. Einerseits den Kämpfen im Vorstand (Verteilungskämpfe um Ressourcen und Macht) und eine Front Vorstand-"Rest"-Verein (inklusive teilautonomer Einheiten wie Ausschank, Veranstaltungsprogramm, Zeitung, Wohngruppe, Proberaum usw.).
Natürlich ist das eine zu pauschale Vereinfachung. Denken sie sich das alles eben ein wenig verwurschtelt durcheinander. Vertreter von Teilgruppen saßen auch im Vorstand, dieser wurde immer wieder von Einzelpersonen vor vollendete Tatsachen gestellt oder es wurde von der Projektleitung vesucht den Vorstand zu marginalisieren, usw.

Das sich der Vorstand von einem Kommunikations-, Koordinations- und Konfliktbewältigungsinstrument zum Macht- und wesentlichen Verdrängungsinstrument wandelt, war auch keine logische Entwicklung sondern (von einigen Teilen gewolltes) Ergebnis sehr langer (meist nicht offen ausgetragener) Kämpfe. Mit welchem Datum man diesen Wandel als vollzogen betrachten darf, getraue ich mich nicht zu sagen. Ich erinnere mich allerdings noch, daß ich etwa 1994 gerade noch verhindern konnte, daß Saftic Leo wegen ungebührlichem Verhaltens aus den Verein ausgeschlossen, und mit einem Kanalverbot (Bannfluch) belegt wurde. (Sie bemerken sicherlich, daß ich hier meine eigenen Leistungen ein wenig unterstreiche und meine Fehler unter den Tisch fallen lasse. Aber wer würde es denn sonst tun (?) - so gesehen durchaus ein Beitrag zum Pluralismus) Damals ließ der Vorstand seine demokratische Larve sinken und präsentierte sich ungeschminkt als Verdrängungsinstrument (zugegeben, das Beispiel ist willkürlich gewählt).

Zusammenfassung:
Der Kanal ist 1986 aufgebrochen um neues zu schaffen. Das hat er auch geschafft. Allerdings nicht in zwei sehr wesentlichen Bereichen, dem der eigenen Organisationsstruktur und dem Umgang mit Verschiedenheit.

A. wurden in der Gesellschaft bereits existierende Machtstrukturen etwas verzerrt widergespiegelt und einfach unverschleiert und brutaler reproduziert, und

B. nicht die Chance ergriffen aus den unterschiedlichen Ansätzen der handelnden Personen eine erhöhte Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Sondern im Gegenteil, es wurde versucht Unterschiedlichkeiten auszumerzen.
Ich weiß, das klingt - im philosophischen Sinne - idealistisch. Aber ich mache nicht mehr als zu behaupten, daß es, wären wir als Personen dazu fähig gewesen, für den Kanal auch andere Entwicklungsmöglichkeiten gehabt hätte als sich gegenseitig zu bekämpfen und zu glauben das wäre schon politische Arbeit.
Diese Möglichkeit haben wir beispielsweise bei der Veranstaltungsreihe 38 - 88 aufblitzen sehen. Ebenso haben wir, ich glaube es was auch 88, schon sehr früh eine sehr profunde EG-Diskussionsreihe gemacht. Und ebenso nicht zu vergessen, die Veranstaltungen zu Frauenthemen von Margit Voglhofer, oder die Veranstaltungen zur politischen Gewalt. Überhaupt fallen die eigentlich spannenden Projekte in das erste Drittel der bisherigen Kanalgeschichte (direkte Interventionen - als dieser Begriff in der Kulturarbeit noch gar nicht existierte, Tanzworkshops, Flugblätter zu verschiedenen Themen, antiklerikale Woche usw.), in eine Zeit als uns eine Entwicklung zu einer neuen Form von Kulturprojekt noch offen stand.


Der Weg in die zweite Dimension

Entwicklungsstrang II
Es war die Klausur zu Beginn des Jahres 1994. Damals setzte sich Franz Primetzhofer mit seinem Plan durch die Tätigkeit des Kanal nach der Subventionspolitik des Landes Oberösterreich auszurichten. Kernthese dieses Vorstoßes war es, daß der Kanal so viele Veranstaltungen machen muß, daß eine Ganztages(büro)kraft gerechtfertigt ist (man bemerke: "so viele" nicht etwa "so gut" oder gar "so wertvolle"). Ich erinnere mich deshalb relativ genau an den Zeitpunkt weil er mit meiner Beendigung meines Sekretärtätigkeit im Kanal zusammenfiel. An meine Stelle trat damals Augustine Lechthaler, eine Person die sich (unter anderem) durch ihre große Loyalität auszeichnet. Damit erhoffte sich Franz nicht nur eine Aufwertung seines Einflußbereiches (größere Subventionsabhängigkeit benötigt auch gute Kotakte zur Kulturbürokratie - siehe oben) sondern wohl auch einen engen Schulterschluß zwischen ihm und der neuen Geschäftsführerin. Das sich Augustine in weiterer Folge zu einer oftmals sehr scharfen Kritikerin von Franz (wenn auch meist nur in persönlichen Gesprächen) entwickelte, konnte er natürlich nicht ahnen.
Mit diesem Beschluß hat der Kanal jenen Sündenfall mitvollzogen, den ich großen Teilen der Freien Kulturszene seit geraumer Zeit vorhalte, und mit dessen Auswirkungen die Kulturplattform (KUPF) immer mehr zu Kämpfen hat: Sehr starke Staatsbezogenheit der "Freien" Kultur anstatt politische, ästhetische und praktische Opposition; persönliches Versorgungsdenken und Herausbildung einer vermittelnden KulturmanagerInnen-Clique; Umwandlung sozio-kultureller und schräg/künstlerischer Ansätze in dekorative Kultur-Veranstaltungs-Tätigkeit. Und was das aller Schlimmste dabei ist: Es wurde dem Subventionsgeber die Definition was freie Kulturarbeit ist überlassen, die Freie Kulturszene trat diese für den Preis von ein paar Posten ab, und seither müssen wir uns mit dem kulturellen Horizont des Herrn Mag. Ecker begnügen. (Aber das ist jetzt nicht unser Thema - vielleicht kann es beim KUPF-Innovationstopf 2001, wenn es um Kultur- und Gesellschaftstheorie geht, erschöpfender abgehandelt werden.)
Für den Kanal hatte diese Orientierung weitreichende Konsequenzen. Nicht nur, daß alle anderen Bereich dem Veranstaltungsbereich untergeordnet werden mußten (Proberaum mußte sich selbst finanzieren, für künstlerische Projekte war keine Geld da usw.) wurden auch das Verhältnis Kulturarbeit-Verwaltung umgedreht. Die Kulturarbeit war plötzlich für die Erhaltung der Verwaltung da, und nicht die Verwaltung zur Ermöglichung von Kulturarbeit.
Damals wurde sogar von einem öffentlichen Auftrag gesprochen den der Kanal mit der Entgegennahme der Subventionen zu erfüllen hätte - so staatstragend waren wir einmal!
In einem beinahe rührenden Rechtfertigungsversuch wurde dieses Versorgungsdenken in die Erlangung eines subversiven Mehrwertes umdefiniert. Ein subversiver Mehrwert mit dem dann was, so frag' ich mich, geschaffen wurde?!
Die politische/gesellschaftliche/künstlerische Tätigkeit und bedeutung des Kanal wurde in dieser Zeit weiter ausgedünnt. Der Kanal verkam zu einem Platz der ständigen Machtkämpfe und er "leichten Unterhaltung".

Zusammenfassung:
Der Kanal hat im Grunde die (negative) Entwicklung vieler Kulturvereine mitgemacht und sich an den Tropf der staatlichen Finanzierung gehängt. Auch ihm wurden durch diese (sanfte) Methode mit der Zeit die Fangzähne gezogen. Er benötigte auch nur noch Schneide- (zum Zerteilen) und Backenzähne (zum Zermahlen der staatlichen Zuschüsse).
Das Postulat mit staatlichen Subventionen eine Infrastruktur aufzubauen die es in weiterer Folge erlaubt unabhängig von staatliche Zuwendungen weiterexistieren zu können, hat sich als Augenauswischerei herausgestellt.
Andere Ansätze, durchaus auch theoretisch untermauert (etwa von Margit Voglhofer) haben sich unter dem Druck der einfachen Subventionsbeschaffung nicht entwickeln können.
Eng verzahnt mit dieser Entwicklung, und sich durchaus in Wechselwirkung befindend, haben jene Kräfte die Oberhand im Kanal bekommen die sich von der Erfüllung staatlicher Vorgaben persönliche Vorteile erhofften (und erhoffen).


Der Weg in die zweite Dimension

Die Rolle(n) der Frauen

Dazu gibt es leider wirklich nicht viel zu sagen, zumindest nicht aus meiner Perspektive. Nur, daß wir das, was wir immer forderten, Änderung der gesellschaftlichen Spielregeln zu Gunsten der Frauen, selbst nicht durchführten. Dabei gehöre ich sicherlich nicht zu jenen die Frauen immer in der leidenden Position sehen, daß ihre Arbeit von den männlich dominierten Machtkämpfen verunmöglicht würde.
Wie in der restlichen Gesellschaft, gab es natürlich auch im Kanal eine ganze Reihe unterschiedlicher Konfliktlinien und Bruchlinien. Die zwischen den Geschlechtern war im Kanal (natürlich wieder nur aus meiner Betrachtungsperspektive) immer von anderen, "lauteren" Konfliktlinien überlagert. So fällt es mir schwer einen eigenen Frauen-Part auszumachen. Beispielsweise stehen sich im aktuellen Konflikt (beide Seiten des sich gespaltenen Vereines) zwei Seiten gegenüber, von der eine vorwiegend von Frauen repräsentiert wird (Augustine, Waltraud, Andrea) ich kann am Handeln dieser Gruppe aber nichts spezifisch feminines oder feministisches Entdecken (aber da ist mein Blick wohl getrübt - überhaupt fühle ich mich nicht dazu berufen die Geschichte der Frauen im Kanal zu schreiben).
Nichtsdestotrotz sollen einige Frauen (exemplarisch) hier Erwähnung finden die ich noch nicht nannte.
Ranetbauer Silvia, die uns Anstand lehrte, oftmals auch mit Ohrenziehen und Ohrfeigen.
Edith Zacherl, die uns den scharfen Intellekt (wie eine siebenschwänzige Katze) kosten ließ, mir brennt heute noch der Rücken von ihren verbalen Hieben.
Gisela Langthaler, nicht wegzudenken in der Aufbauphase.
Margarete Mitterlehner, die für mich immer das originär Menschliche verkörperte.
Elke Raut, verantwortlich für eine der schönsten Veranstaltungen im Kanal.
Eva Immervoll, die leider zu spät kam um noch etwas zu retten - ihr hätte ich es zugetraut.


Der Weg in die zweite Dimension

Umgang mit projektgefährdenden Personen

Und jetzt will ich doch noch die dicke Keule auspacken.
Franz Primetzhofer, und dieses Kapitel soll ganz allein ihm gehören - er hat es sich verdient, schilt mich mehrmals, daß ich keinen Sinn dafür hätte welche Elemente dem Kanal zuträglich sind und welche entfernt werden müßten. Und er hat recht.
In meinem Integrierungswillen, und wohl auch meiner Konfliktscheuheit, habe ich es verabsäumt offen gegen ihn aufzutreten.
Als er (etwa 1992) bei einem Konflikt mit Saftic Leo meinte er würde, falls es Leo darauf anlegen sollte ihn (Franz) aus dem Kanal hinauszudrängen, dafür sorgen das der Kanal keine Subventionen mehr bekommt, hätte ich hellhörig werden müssen (
Als er damit drohte, er würde den Kanal vor das Arbeitsgericht zerren, falls wir ihn nicht als Geschäftsführer anstellen, hätte ich dafür sorgen müssen, daß wir ihn hochkantig rausschmeissen.
Das habe ich verabsäumt, weil ich damals befürchtete der Kanal würde an einem Streit zwischen Vorstand und Franz zerrieben werden. Aber wohl auch aus Feigheit und Faulheit, weil ich damals bei solch einem Schritt die Verpflichtung gesehen hätte selbst (zumindest für einige Zeit) die Geschäfte des Kanal zu führen, und das wollte ich nicht.
Bei allem was Franz für den Kanal geleistet hat, und das soll hier auch unbestritten bleiben, so war er doch der wesentliche Träger einer Verdrängungsstrategie. Dies wahrscheitlich sogar im guten Gewissen, weil es seiner Auffassung von politischer und gesellschaftlicher Arbeit entspricht mit allen Mitteln (ja ich meine "mit allen Mitteln") sich und seiner Gedankenwelt einen möglichst großen Platz in dieser Gesellschaft zu verschaffen.
Dies kann ich zwar theoretisch, im Sinne einer Gesellschafttheorie die von verschiedenen sich in Wechselwirkung zueinander befindlichen Kräften ausgeht, zwar verstehen, praktisch möchte ich aber nichts (mehr) damit zutun haben.

Franzens Verhalten verlangte von den restlichen Vereinsmitgliedern eine ständige Zügelung seiner Person und die Anwendung ähnlicher MIttel. Das waren wir nicht willens oder nicht im stande zu leisten.

Franz sagte (vor allem mir gegenüber) sehr oft, der Kanal sei ein Kultur- und keine Sozialprojekt. Ich kann dem aus heutiger Sicht nur entgegnen: Auf keinen Fall war der Kanal ein Erziehungesprojekt - zumindest haben wir Franz nicht wirklich zivilisieren können.


Schußbemerkung:
Der Kanal hatte die Möglichkeiten in seiner eigenen Entwicklung etwas neues und besonderes zu schaffen. Diese Möglichkeit wurde verspielt. Zum einem aus einer unausgereiften Konfliktkultur und zum anderen weil der Kanal (wie so viele) in die Subventionsfalle getappt ist (ich bin mir allerdings auch nicht sicher ob es den Kanal ohne Subventionen überhaupt länger als fünf Jahren gebe hätte).

Wie immer wird mir der Platz zuwenig. Und wie immer bin ich unzufrieden. Leider setzt mein Text voraus, daß man dabei gewesen sein muß, um ihn zu verstehen. Vielleicht finden sie trotzdem das ein oder andere Verallgemeinerbares.

wahl/jerusalem 3/99



PS: Die Zwischenüberschriften "Der Weg ..." sind nichts anderes als die komprimierte Form meiner Grundthese, daß sich der Kanal von einem dreidimensionalen (spannenden, und voller Überraschungen steckenden) zu einem zweidimensionalen Projekt entwickelt hat, das eben in vorgefaßte Organigramme paßt und leicht verwaltbar ist. Ein Projekt in dem es nur unten, oben und nebeneinander gab - und das mich über weite Strecken nur anwiederte.