Elfriede Kern
Platt und Polt und Ich

August 2000 / 3

Freut mich, Sie zu sehen, sage ich zu Platt, wie geht es Ihnen? Nicht so besonders, sagt Platt, zieht ein Tuch aus der Tasche und wischt sich den Schweiß von der Stirn, erst Regen, dann Hitze, ich vertrage das nicht und wie geht es Ihnen? Leidlich, sage ich und fordere Platt auf, mich ein Stück zu begleiten, aber gerne, sagt er. Ich versuche vergebens, mit ihm Schritt zu halten und gerate bald gänzlich außer Atem, wieso rennen Sie so, frage ich und bekomme ihn am Ärmel zu fassen, nehmen Sie einen guten Rat von mir an, reduzieren Sie Ihr Tempo, bei dieser Hitze soll man sich so langsam wie möglich bewegen, übermäßige Anstrengungen bei Hitze schaden dem Kreislauf wie nichts sonst, speed kills, Sie wissen schon. Platt wirft mir einen nachdenklichen Blick zu, reduziert sein Tempo aber doch ein klein wenig, speed kills sagt er, lassen Sie mich nachdenken, Andreas Kohl, ÖVP, sagt er schließlich, hat er speed kills gesagt, frage ich, ja, sagt Platt, bleibt stehen und wischt sich den Schweiß von der Stirn, wieso eigentlich, frage ich, was meint er damit, ganz einfach, sagt Platt, speed kills bedeutet, daß man durch ständig neue Ideen den politischen Gegner zermürben und ihn in die Niederlage treiben kann, kommt aus den USA, der Begriff, tatsächlich, frage ich, ja, sagt Platt, und wen will Herr Kohl zermürben, etwa gar die FPÖ, frage ich, aber keinesfalls, sagt Platt, keinesfalls die FPÖ, er will ohne Zweifel die SPÖ zermürben, ja vermutlich, sage ich, aber warten Sie, sagt Platt, das bringt mich auf was anderes, wer das Klarinettenspiel lernt, wird nicht drogensüchtig, von wem ist das, raten Sie, keine Ahnung, sage ich, denken Sie nach, sagt Platt, von Andreas Kohl, frage ich zaghaft, exakt, sagt Platt, wie finden Sie das, wer das Klarinettenspiel lernt, wird nicht drogensüchtig, vielschichtig, sage ich, was will uns Kohl damit sagen, er will damit die staatlichen Zuwendungen für Musikschulen rechtfertigen, sagt Platt, na dann, sage ich, sehen Sie, hier, sage ich und ziehe eine Broschüre aus der Tasche, das ist nun einmal wirklich was Neues, lichtvolle Aussprüche unserer Politiker neuerdings sogar schon auf T-Shirts, tatsächlich, fragt Platt und zeigt sich äußerst interessiert, er blättert in der Broschüre und schlägt mir erfreut auf die Schulter, das ist doch die Idee, sagt er, da hätten wir doch schon ein launiges Geschenk für Polt, er hat demnächst Geburtstag und da er nun einmal zu unserer Herrenrunde gehört, muß er ein Geschenk kriegen, ein T-Shirt mit einem launigen Ausspruch eines unserer Politiker, das ist das Richtige, ja vielleicht, sage ich, nehme die Broschüre wieder an mich und schlage die letzte Seite auf, sehen Sie hier, sage ich, drei Größen, Medium, Large, X-Large und sechs verschiedenen Farben, und Sie können unter einer Vielzahl von Aussprüchen wählen, einer sublimer als der andere, eine beachtliche Auswahl, in der Tat, sagt Platt, lesen Sie hier, sage ich und schlage Seite eins auf, Die FPÖ ist nicht regierungsfähig Andreas Kohl, ÖVP, oder Es kann gar nicht genug Moraks geben, Gertrude Brinek, ÖVP, oder Wir müssen nicht von allen geliebt werden, Jörg Haider FPÖ, hören Sie auf, um Himmels willen, sagt Platt, aber ich lasse mich nicht unterbrechen, Ich bin ein Katholik des 21.Jahrhunderts, Alfred Gusenbauer, SPÖ, oder Worte können töten, Thomas Klestil, oder wie finden Sie Lassens mich nachdenken, Eliksabeth Sickl, FPÖ, und was sagen Sie zu Ich lass mir nicht die Hausfrauen zu Auslaufmodellen erklären, Franz Schausberger, ÖVP ,und vor allem dieser hier, sage ich und hebe meine Stimme ein wenig, passen Sie auf, das ist das Beste, seit März 1998 oder länger habe ich eine politische Linie, Wolfgang Schüssel unauslotbar nicht, frage ich, doch, ja schon, sagt Platt, aber ob das tatsächlich das richtige Geschenk für Polt ist, weiß ich nicht, es könnte ihn ernsthaft verärgern, riskieren Sies einfach, sage ich, Sie haben recht, sagt Platt, allzu viel Rücksichtnahme ist nicht vonnöten, vor allem, weil Polts politische Haltung nach wie vor die unerträglichste ist, ist sie das, frage ich, darauf können Sie Gift nehmen, sagt Platt, wieso schließt ihr ihn dann nicht aus eurer Herrenrunde aus, frage ich, aber Platt seufzt und schüttelt resignierend den Kopf, das geht nicht, sagt er, zu den Statuten unserer Herrenrunde gehört nun einmal, daß wir niemanden ausschließen, wer einmal bei uns Eingang gefunden hat, kann bleiben bis an sein Lebensende, da hat Polt aber Glück, sage ich, ja das hat er, sagt Platt, jemand wie Sie wäre uns im übrigen herzlich willkommen, sagt er und wirft mir einen auffordernden Blick zu, unsere Statuten sehen vor, daß neue Mitglieder nur über Empfehlung eines langjährigen Mitglieds aufgenommen werden, ich würde mich für Sie verwenden, ich danke vielmals, sage ich und schüttle den Kopf, ich weiß ihr Angebot selbstredend zu schätzen, aber ich möchte keiner Herrenrunde angehören, Sie wissen, ich bin der geborene Eigenbrötler, Unsinn, sagt Platt, Sie wären eine wertvolle Bereicherung für uns, überlegen Sie sichs, wir kommen jeden Montag zusammen, ich weiß, sage ich und blättere weiter in der Broschüre, was werden Sie nehmen, frage ich, für Polt, meine ich, ich rate zu Lassens mich nachdenken von Elisabeth Sickl, kommt auf jeden Fall in die engere Wahl sagt Platt und wie finden Sie seit März 1998 oder länger habe ich eine politische Linie von Wolfgang Schüssel, frage ich, auch sehr gut, sagt Platt, die Wahl wird nicht leicht sein, ich muß mich auf jeden Fall mit den anderen Herren beraten, leben Sie wohl, sagt er und winkt mir ein letztes Mal und geht sehr schnell die Straße hinunter, nicht so schnell, rufe ich ihm nach, Sie wissen doch, speed kills.