In den nächsten Monaten stehen uns "Virtuosity" (mit Denzel Washington), "Hackers" und "Lawnmowerman 2" ins Haus. Zu sehen waren bereits "The Net" und "Johnny Mnemonic" - bezeichnenderweise mit Sandra Bullock, respektive Keanu Reeves in den Hauptrollen, den neuen Idolen schlechthin. Es geht also nicht nur darum, ein Genre zu kreieren (den "Cyber-Film"), sondern im gleichen Aufwasch die neue SchauspielerInnengeneration ins rechte Licht zu rücken. Was aufgrund deren Unvermögens, einen Film im Alleingang zu tragen, auch gründlich scheitert. Andere Fehlkonzeptionen tun ihr übriges:
Filme haben eine dramatische Struktur. Gerade Hollywood-Filme lassen sich auf bestimmte einfache, oft stereotype dramatische Grundmuster zurückführen. Romantische Filme funktionieren zB so: Boy meets girl, sie verlieben sich, haben eine wunderschöne Zeit miteinander, dann kommt es zu einem größeren Konflikt (oft genug: Eifersucht), das junge Glück ist bedroht; gemeinsam wird versucht, eine neue Basis für die Beziehung zu finden, das gelingt und wenn sie nicht gestorben sind, lieben sie sich noch heute. Je nach Vermögen des Drehbuchautors wird diese dramatische Matrix mit dem ein oder anderen Lametta-Faden behängt. In unserem Beispiel: die beiden treiben es ekstatisch auf Mamis Schafwoll-Kaminvorleger, der Ex-Lover bedroht seinen Nachfolger mit einer 45er Magnum, die junge Frau wird von einem Außerirdischen hypnotisiert und leidet dann an Amnesie,... Es kommt also zu diversen Höhepunkten, die die ZuseherInnen bei Laune halten sollen.
Actionfilme bestehen im wesentlichen nur aus zwei archetypischen dramatischen Strukturen. Einerseits die Verfolgungsjagd, die verschärft werden kann durch diverse ablaufende Timer; und der shoot-out andererseits: die Guten haben wohl Verluste hinzunehmen, werden aber siegreich bleiben. Trotzdem also nicht viel mehr passiert, sind wir, wenn der Film gut gemacht ist, immer wieder fasziniert von durch die Luft fliegenden Fahrzeugen und explodierenden Häuserzeilen.
Damit sind wir auch beim Hauptproblem der "Cyber-Filme": Computer-Daten haben keine dramatische Struktur. Daraus folgt: wenn ich auf der Kino-Leinwand einen Monitor sehe, auf dem irgendjemand ein wenig herumklickst, ist das vorderhand schlichtweg langweilig. Windows ist kein Actionfilm! Wir sehen ja im Kino auch selten jemand beim Bücherlesen - wenigstens nicht so, daß wir als Zuseher ständig das Buch mitlesen müssen und der einzige dramatische Höhepunkt das Umblättern ist.
In Hollywood hat man natürlich seine Hausaufgaben gemacht: Mit allen möglichen Tricks wird versucht, den Daten Spannung abzugewinnen. In "Johnny Mnemonic" zB durch spektakuläre 3D-Computergrafiken des Netzes, die zum Großteil völlig unverständlich bleiben. Außerdem hat man hier William Gibson's (er hat das Drehbuch nach einer eigenen Kurzgeschichte entwickelt) Vision des Datennetzes, die von 1982 stammt, übernommen, ohne sie mit den heutigen Voraussetzungen weiterzudenken. "The Net" wurde hektisch geschnitten, Dialogboxen blinken frenetisch und ein knalliger Soundtrack stampft im Takt dazu. In Wirklichkeit erwächst die Spannung aber aus dem dramatischen Kontext, in den die "Computer-Szenen" eingebettet sind: im Netz muß möglichst schnell die richtige Adresse gefunden werden, weil die Bösen schon den Gang heraufhecheln; ein Antivirus muß so bald als möglich ins Netz eingeschleust werden, um den Virus, der sich anschickt, die Welt zu kontrollieren, unschädlich zu machen, etc. Eigentlich wird also einfach wieder auf das "the clock is ticking"-Schema der Action-Dramatik zurückgegriffen, weil man dem Computer-Schirm nichts Spannendes entlocken kann.
Als Actionfilme waren die bisherigen Cyber-Filme allerdings viel zu einfallslos, zu geradlinig. Zu leicht erliegen die Filmemacher der Faszination ein paar bunter 3D-Animationen, sodaß sie bei der Action ziemlich halbherzig herumschlampen. Und die eingeflochtenen Romanzen hatten die Kälte eines abgefilmten Monitors. Wenn wir ins Kino gehen, wollen wir schließlich Menschen aus Fleisch und Blut sehen (und es muß mir erst jemand beweisen, daß Sandra Bullock kein weiblicher Android ist!).
Man kann sich dem Problem auch noch von einer anderen Seite her nähern. Film bildet eine dreidimensionale Realität zweidimensional ab. Die ZuseherInnen verlieren bei der Filmszene gegenüber einer real beobachteten Szene eine Dimension in ihrer Wahrnehmung. Ein Computer-Monitor (oder ein Fernseher) funktioniert ebenfalls meistens (noch) mit einer zweidimensionalen Darstellung. Wenn nun ein Bildschirm abgefilmt wird und wir davon ausgehen, daß wir beim Abfilmen eine Dimension verlieren, so kommen wir zu dem Schluß, daß das Filmbild des Monitorbildes nur mehr eindimensional ist. Faktisch stimmt das natürlich nicht. Mir erklärt dieses Hilfskonstrukt allerdings den Eindruck, daß Bildschirme im Film derart oberflächlich und nichtssagend wirken. Sie haben für den Zuschauer keine wahrnehmbare Präsenz mehr. Diese Dimension haben sie bei der Abbildung eingebüßt. Es bleibt: ein kaltes Glühen.