Zeit & Genossen

Matti Link , Juni 95

Nie wieder Kultur!

"Rasse" ist ein Begriff im neurechten Diskurs, der immer weniger Verwendung findet. Er wird, weil durch den historischen Faschismus in Mißkredit gebracht, zunehmend durch den Begriff "Kultur" ersetzt.

"Kultur" ist der wesentliche Begriff der neuen Rechten, wenn es um die Unterscheidung von Menschengruppen geht. Wer kennt nicht den einschlägigen Spruch von der "deutschen Kulturgemeinschaft". Gerade in der Auseinandersetzung zur Frage der Immigration hat dieser umgepolte Kulturbegriff von Rechts seine volle Bedeutung entfaltet: AusländerInnen werden nur als VertreterInnen einer einheitlichen "Kultur" ihres jeweiligen Herkunftslandes verstanden, der sich von der eigenen "Kultur eben so oder so unterscheide.

Ein "Rassismus ohne Rassen" wurde eingeführt, ein völkischer Kulturbegriff etabliert. Der Ratzenböcksche Sager, daß er Leute "denen man ihre Herkunft ansieht" gar nicht so gerne habe, war wohl ein dumpfer Vorbote dieses neuen "Kultur"-Verständnisses. Oder ein Nachzügler des alten, faschistischen Rassismus.

Dieser neue "Kulturalismus" entfaltet seinen vollen ideologischen Gehalt im Geschwätz von der "kulturellen Identität" einer neurechten politischen Konstruktion, die zuweilen auch bei Teilen der Linken ihre Spuren hinterlassen hat.

Ein Kampfbegriff wurde geschaffen, der Menschen eines Staates zu einem "kulturellen" Ganzen zusammenführt und soziale, ökonomische, politische Auseinandersetzungen damit geglättet.

Dafür wird der Unterschied zwischen unterschiedlichen "kulturellen Identitäten" umsomehr herausgearbeitet. MigrantInnen wird das Recht auf kulturelle Identität eingeräumt, nicht das Recht ihre Interessen und Rechte sozialer, politischer, ökonomischer Natur einzufordern.

Und: die jeweilige kulturelle Identität zu leben, geht nach neurechtem Sprech auch nur dort, wo die MigrantInnen herkommen. Also eine etwas andere Formulierung für "Ausländer raus".

Wenn dann der kleinformatige und auflagenstarke "Herr Strudl", das redaktionelle Gewissen der "Kronenzeitung" von der "kulturellen Identität" zu schwafeln beginnt, ist das ein Alarmsignal. Der "Herr Strudl" ist die Redaktionslinie, die Summe der Meinungen der Redakteure und Redakteurinnen plus die dumpfsten und reaktionärsten Rülpser aus der "LeserInnenschaft".

Er leistet in diesem Zusammenhang Bildungsarbeit, dieser ideologische Kampfbegriff der Rechten soll auf ganz breiter Basis eingeführt werden, neurechter Sprachduktus soll nicht mehr nur in "Aula", "Identität" oder "Junge Freiheit" Platz haben, sondern massenhaft verströmt werden, auf daß sich linke Identitätstheoretiker und -praktiker hint und vorn nimma auskennan.

Kein Stern von Bethlehem

Mindestens so ärgerlich ist ein Papier, das mir unlängst in die Hände fiel. Nichtssagend der Titel "Der Komet". Kein Blatt für Sternforscher und Sterndeuter, sondern eins "für ganze Kerle", nämlich die Soldaten des Panzerstabsbataillons 4 in Ebelsberg.

Eine Postille, die eine Erwähnung gar nicht wert wäre, stünden nicht einige Wahrheiten drinnen, die ein bezeichnendes Licht auf diese Herren werfen.

Nicht verwundert, daß da männerbündlerischer Korpsgeist beschworen wird, eine paranoid-aggressive Haltung gegen alles was bundesheerkritisch ("friedfertig") daherkommen könnte "Wir haben eben nicht nur Freunde" bellt der Kommandant.

Aber: "Durchhalten erfordert nochmehr Kameradschaft (und) Korpsgeist" beschwört er seine Mannen.

Was solls, von solchen Leuten ist ja doch nichts anderes zu erwarten, als daß sie ihr sündteuren neuen Panzer preisen und immer noch mehr wollen.

Oder, daß Deserteure als geisteskrank denunziert werden, obwohl diese die einzigen bei einer solchen Truppen sind, die zur Besinnung gekommen sind.

Bezeichnend ist allerdings eine kleine Auswahl von Zitaten, die als Lückenfüller in der Zeitung verstreut sind. "Die Soziologie beschützt die Soziologen vor jedem Kontakt mit der Wirklichkeit" wird da ein Nicolas Gòmez Dàvila stimmungsmäßig gegen die Inellektuellen ins Treffen geführt.

Sind da Wirklichkeiten gemeint die von Soldaten geschaffen werden. Tod, Krieg, Verwundete, Kriegsgefangene, Waisen und Witwen das sind die Wirklichkeiten, die von dieser Organisation produziert werden, und von dieser Zeitung propagiert werden - letztendlich. Man muß sie nur lassen, sie warten schon darauf.

"Krieg den Hütten, Frieden den Palästen", lese ich da weiter. Das schlägt dem Faß den Boden aus.

Das Zitat, ein alter Leitspruch der antiimperialistischen Linken wird da in sein Gegenteil verkehrt. Und wird in diesem Zusammenhang viel wahrer. Denn forderte diese Losung vor allem soziale Gerechtigkeit ein, Solidarität und politische Rechte für die Ausgebeuteten und Geknechteten so sagen diese Herren auch mit der Umkehrung viel über ihr Weltbild und ihre politischen Ziele.

Haltet die da unten nieder, gebt ihnen die Knute, auf daß sie nicht aufmüpfen und einfordern was ihnen zustünde.

So gesehen ist dieser "Komet" auch wieder ganz informativ, obwohl man natürlich eher geneigt ist, ihn mit dem Stern in diversen Soldatenunterhosen zu vergleichen.