Basis: Viele Pläne, wenig Geld

Vorneweg - die Idee KURORT, die Haltung und Arbeitsweise und nichtzuletzt die Menschen KURORT sind oder waren mir wichtiger, näher und vertrauter als - oft und bis jetzt - ihre Musik.

Von Rainer Krispel , Feb.95
Uralt Fotos aus dem Kanal von Udo Danielczyk


Von wegen "global village" - ausgerechnet in Bad Ischl kommt der Kern der Band, Flo Sedmak - Gitarre, Andreas Wimmer - Stimme und Martin Wimmer - Bass auf die Idee eigene Musik machen zu wollen. Das Ergebnis ist anfangs - natürlich - Punk! "Beim Hören alter Proberaum- und Liveaufnahmen entdecken wir unter all der Unbeholfenheit kleine brillante Ansätze, musikalische naive Malerei."

Nach einer 7"-Ep, die in Linz im Parkstudio mit Andreas "Luigi" Luger eingespielt wird, ersetzt zum Jahreswechsel 1990/91 Rudi Vogtenhuber Mike Berner am Schlagzeug. "Rudl", von vielen - auch in der Band - "König" gerufen und seine Entwicklung am Instrument verkörpert anschaulich und hörbar die Konsolidierung der Band und auch die Hingabe von vier Individuen an ihre Band.

"Musikalisch leben wir von vier völlig verschiedenen Geschmäckern, der Zwang Kompromisse einzugehen, läßt immer wieder völlig Neues entstehen." Waren seine takt-ischen Entgleisungen anfangs kaum zu überhören und oft Stolperstein im Fluß des an ausgefeilterem Songwriting und gewonnener Bühnenpräsenz wachsenden öffentlichen Band-Seins, das sich musikalisch auch einige Portionen Metal anfraß, übte er konsequent um zur "4/4 part animal part machine" zu werden.

Auch das Leuchten in seinen Augen bei Slayer und ähnlichen Produktions-Kalibern schlug sich in einer intenisven Beschäftigung mit dem Phänomen "Sound" nieder. Obsession Band. Auf Touren - "ein rotes Feuerwehr-Kommandofahrzeug, ein lilagrüner VW-Bus als Verdachtsmoment für die Zöllner, ein ausrangiertes Behindertenfahrzeug - Europareisen mit Kurort" - und zahlreichen Konzerten im Inland erspielt sich der Kurort den Ruf einer beeindruckenden Live-Band, die etwas zu sagen hat.


Die Texte, die (hoch-)deutsch geschrieben und oberösterreichisch gesungen und geschrien werden, sind ein weiteres unverkennbares Merkmal: "Warum sollte mensch den ureigenen Ausdruck in einer fremden Sprache finden? Deutsch zu schreiben und österreichisch gefärbt zu singen ist für uns immer wieder eine Gratwanderung. (...) Wir beharren auf uns."

Das jenseits von Fun-Punk, L'Age D'or-Kopfsprachakrobatik oder neuer Volksmusik. Die Band hat sich tragfähige Kontakte zu Sacro Egoismo, Flex Digest und Umfeld aufgebaut, die in die immer noch weite Welt des Hardcore abstrahlen und führen. Sie bereisen das Europa, das wir meinen. Schweiz, Polen, Deutschland, Dänemark, Ungarn, Tschechien, "die Fußböden, die Gastfreundschaften überall, Frühstück und Veggie-Food am Abend." Die ständige Live-Präsenz, ihr gewinnendes Wesen und nicht zuletzt die "Spring"-Ep und 1993 schließlich "Frost" auf CD und Vinyl bringen Feedback von überall. "Fast schon sehe ich diese Band als Aufbäumen gegen jegliches `Hc ist tot'-Grabreden, die fulminante, eindringliche Emotionalität straft jeden Lügen, der meint, nur mehr im musikalischen Grenzbereich seinen Adrenalinstoß zu bekommen", schreibt das deutsche Fanzine Toys Move.

Das amerikanische Profane Existance sieht und hört die Sache nüchterner: "strong, powerful Hardcore with personalized political lyrics." Trotzdem oder wie mensch als gelernter Österreicher weiß - natürlich - ist nicht alles eitel Wonne in der Welt von Kurort, nicht in ihren Texten und schon gar nicht in ihrer realen Situation: "Unser Effizienzdenken beruht auf unserer Arbeitssituation: seit Jahr und Tag in Hälften auf Bad Ischl und Wien verteilt, kommen wir selten neben den Konzerten zum Proben zusammmen, wir haben keine Zeit zu verschwenden. Die Gereiztheit unserer Musik hat wahrscheinlich mit unserer individuellen Lebenssituation zu tun. Zu wenig, um von Musik leben zu können und so viel mit der Band zu tun, daß sich kein regulärer Job halten läßt. Immer wieder biegt sich über einem von uns die Decke bedrohlich."

Eine Situation, die "Stachanov" ihr unlängst erschienenes zweites Album widerspiegelt. "Stachanov" ist der endgültige Freischwimmer von KURORT, ein zunächst sperriges Album, das den Sound, den sie für sich mit "Frost" definiert haben, weiterführt und sprengt. Stücke mit so wunderschönen Titeln wie "Kategorischer Imperativ mit Revolver in der Hand" oder "Kreuz über Polen" durchdringen auch meine Wahrnehmung von KURORT als Phänomen zugunsten des tatsächlichen Aufnehmens ihrer Musik. Der "Koffeinblues": langsam, manisch, schleppend und vor allem durch den Dialekt-Gesang, der wie selbstverständlich mit dieser Musik korrespondiert, ungeheuer intensiv - "sanfter aufprall/feedback von nirgends/brodelnd überkochend/vor dem zusammenfall."

Natürlich gibt es auch die genre-typischen Tempo-Attacken auf "Stachanov", aber auch sie fallen eine Spur anders, fremdartiger, verstörender aus als erwartet. Auch für verspielte Zwischenstücke und eine abschließende Sound-Collage von Rudi Vogtenhuber mit Percussion-Einlagen von seinem gelegentlichen Schlagzeug-Lehrer Klaus Hödl ist Platz. Selten hat eine österreichische Band das Medium Album in dieser Form wahrgenommen, ohne in basislosen Überbau oder bedeutungsschwangerem Konzept-Pathos verloren zu gehen. (Kritiker-) Euphorie nehmen sie gelassen. "Bei solchen Komplimenten bleiben wir lieber skeptisch und konzentrieren uns auf das Wesentliche: den nächsten Schritt."

In ihrem Fall - soviele Decken können sich gar nicht biegen - eine sieben-wöchige Europatournee mit den amerikanischen Naked Aggression, beginnend am 1.März.