Jetzt könnte man sagen: all diese Kategorien sind ja nichts neues, das selbe Modell könnte man ebenso für die Printmedien anwenden. Das stimmt, denn generell werden sich die marktwirtschaftlich und konsumorientierten Prinzipien unseres Gesellschaftssystems auch in der Computerkommunikaton und vor allem im Internet durchsetzen. Das einst idealistische Modell eines nicht-kommerziellen, frei zugänglichen Kommunikationsnetzes wird sich von seinem moralischen Kodex, der "Netiquette" verabschieden müssen, denn die kommerziellen Anbieter drängen herein und wollen ihre neuen Markt-Chancen nutzen, um jeden Preis. Der anarchistische Gedanke der frühen Net-Community - jeder darf unbeschränkt senden und empfangen - wurde nie wirklich realisiert. Noch bevor der Durchschnittsbürger seinen PC ans Netz gehängt hat, wird sich das System seine Beschränkungs- und Kontrollmechanismen geschaffen haben. Als da wären: Beschränkung durch finanzielle Hürden - gute Information wird teuer oder für den Normalverbraucher gar nicht zugänglich. Kontrollmechanismen durch staatliche Netzüberwachung, wie es in den USA bereits praktiziert wird.
Für Heath Bunting vom Cybercafe London (Gast bei "DIALOG 2 - Die Internet-Surfer" in der Kunsthochschule am 23.6.) ist das Thema der Kontrolle im Netz (wer kontrolliert wen?) das Thema des nächsten Jahres schlechthin. Nach "Interaktivität", "Virtual Reality", "Internet" also nun "Kontrolle". Zur Frage nach dem Verlust der großen Ideale der Netzgemeinde sagte er:" Die meisten Menschen betrifft diese Frage ohnehin nicht, denn sie haben noch nie einen Internetzugang gehabt, oder wissen nicht einmal, was das ist. Auch für die Aristokratie ist es leicht, über den Verlust von irgendwelchen Idealen zu klagen, aber für die meisten Menschen bedeutet das gar nichts."
Wir sollten uns überlegen, welche Auswirkungen die Computerkommunikation auf die Face-to-Face-Kommunikation hat. Das Eingangsbeispiel zeigt, daß es bereits erste konkrete Verschiebungen gibt. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß es in der Computerkommunikation keine oder wenig Redundanz und keine Abschweifungen wie beim Face-to-Face-Dialog gibt. Aber genau bei solchen ungewollten Abschweifungen beginnt der kreative Prozeß in der Kommunikation. Assoziationsketten, Kontextsprünge und kreative Inputs werden durch Entgleisungen im Gespräch evoziert. Beim Computerdialog wird alles auf die knappeste Formulierung gekürzt, Information verdichtet, alles Redundante vermieden. Die Dynamik der Software und die Telefongebühren bestimmen die Dynamik und Qualität der Kommunikation, die zusehends zur Oberflächeninformation verkommt. Aus der Summe der leichten Verfügbarkeit von Oberflächeninformation und einer Point-and-click-Pseudointeraktivität entsteht eine neue Sucht - die Informationssucht ... und wieder öffnet sich ein Fenster, eine neue WWW-Seite, click, und wieder ...
Nach der allgemeinen Internet-Euphorie - mit dem Höhepunkt der ars 95 - stellt sich nun die Frage: Welche Auswirkungen hat die Computerkommunikation auf unsere sozialen und politischen Systeme?
Die Face-to-face Kommunikation wird sicher nicht ersetzt werden, im Gegenteil, mit zunehmender Technisierung der Kommunikation steigt das Bedürfnis nach realen Empfindungen, sensations, Erlebnissen. Die Generation der 90er lebt diese neue Körperlichkeit bereits vor. Die Kommunikation hat wieder einen Schwerpunkt im gemeinsamen Erleben, im Aufgehen in der Gruppe, aber auch im biedermeierlichen Rückzug in die Kleinstfamilie gefunden.
Am 17. November 1995 besprechen in der Hochschule für Gestaltung Linz Kommunikationsfachleute im Rahmen unserer Reihe DIALOGE, wer, wie, mit wem im nächsten Jahrtausend kommunizieren wird.
Trotz all dieser Kritik über Internet (das mußte doch einmal gesagt werden): LOB der transglobalen Kommunikation, LOB den e-mailings, LOB dem WWW-Hillinger.
DIE FABRIKANTEN, BÜro für Kommunikation