Rainerstraße 22, ein graues Haus in einer grauen Straße. Der Hinweis auf das B. A. M. ist unscheinbar. Im dritten Stock befindet sich die Werkstatt, im 5.Stock das Beratungszentrum. Helle Räume, freundliche Menschen, keine Bittstelleratmosphäre. "Eigentlich betrachten wir uns als Clearing - Stelle", erklärt Franz Edlinger, Leiter des B. A. M. "Menschen, die lange arbeitslos sind, haben meist auch andere Probleme, die zuerst gelöst werden müssen. Dabei helfen wir ihnen. In den Beratungsgesprächen kristallisiert sich heraus, ob jemand eine Therapie braucht, einen Entzug, oder erst seine Schulden in den Griff kriegen muß."
Seit April arbeiten die BetreuerInnen des B. A. M. - 7 Psychologen, SozialarbeiterInnen, SoziologInnen und Pädagogen mit Zusatzausbildungen - unter erschwerten Bedingungen. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten sich auch Arbeitende beraten lassen, die aus verschiedenen Gründen von ihrem Arbeitsplatz weg wollten oder Arbeitslose, die nicht vom Arbeitsamt geschickt wurden. Damit ist es jetzt (fast) vorbei. Für diese Menschen erteilt das Arbeitmarktservice keinen Beratungsauftrag mehr. Jetzt bestimmt das Arbeitsamt die Klienten, und das B. A. M. muß dann nicht nur die Beratung, sondern gleich auch die Vermittlung übernehmen.
Beratung mit anschließender erfolgreicher Arbeitsvermittlung, das sei natürlich im Sinne eines integrativen Ansatzes von Arbeitslosenbetreuung - wenn die Rahmenbedingungen stimmen, betont Franz Edlinger im Gespräch mit hillinger Problematisch werde es dann, wenn nur mehr auf die Vermittlung geschielt wird. "Vom Arbeitsamt kommen sehr schwierige Leute, die schon lange arbeitslos sind, und da ist es nicht leicht, einen Erfolg in Form von einer Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt zustande zu bringen. Es gibt auch andere Erfolgskriterien." Unter Umständen ist es ein Erfolg, wenn sich jemand durchringt, zuerst einmal seine Zähne herrichten zu lassen. Oder wenn akzeptiert wird, daß es ein Alkoholproblem gibt und dagegen etwas unternommen werden muß. Am Ende einer mehrwöchigen Beratung kann aber auch die Erkenntnis stehen, daß es den heißersehnten Traumbjob aufgrund mangelnder Ausbildung oder langjähriger Absenz vom Arbeitsleben nicht mehr spielen wird, andere akzeptable Alternativen aber noch gar nicht wahrgenommen wurden. Zwischen dieser Erkenntnis und dem tatsächlichen Zurückfinden in die Arbeitswelt liegt für die Betroffenen dann noch immer eine lange Durststrecke, auf der ihre wiedererlangte Motivation auf die Probe gestellt wird.
Welchen Sinn soll es da haben, 5 Arbeitslose möglichst schnell auf eine freie Stelle hinzuprügeln, die doch nur einer bekommen kann? Auch Walter Hanke, im B. A. M. für ältere Arbeitslose zuständig und auf Rechtsfragen spezialisiert, weiß von der Ineffizienz dieser Vermittlung auf Druck. "Das ist keine Integration sondern ein Austauschprozeß, der nur kurzfristig die Statistik schönt. Für jeden Arbeitslosen, der `weg' ist, kommen ja zwei wieder zurück."
Derzeit wird das B. A. M., neben dem Fahrradprojekt die zweite Sozialeinrichtung des Vereins Arbeitsloseninitiative B7, zu 80 Prozent vom Arbeitsmarktservice finanziert, der Rest kommt von Stadt, Land, AK, privaten Spenden und der Kirche. Zu spüren bekommt das Beratungszentrum in diesem Zusammenhang auch die neue Regelung mit dem Kirchenbeitrag. Seit 1994 kann nur mehr die Hälfte des Kirchenbeitrages zweckgebunden eingezahlt werden und das auch nur mit bürokratischem Aufwand. Die Kirchenbeitragsspenden sind deswegen auf ein Drittel zurückgegangen. Für das B. A. M. bedeuten aber mehr Eigenmittel auch mehr Spielraum. Über die Bischöfliche Arbeitslosenstiftung wird etwa ein Beraterposten finanziert und so finden Hilfesuchende, die nicht übers Arbeitsamt kommen, doch noch Gehör.
Im statistischen Schnitt werden die Klienten von der B. A. M. rund 10 Wochen betreut. In Wirklichkeit liegt die Beratungsdauer in einem Zeitraum von zwei Wochen bis zu einem Jahr. Voraussetzung für eine erfolgreiche Motivierung ist das Bewußtmachen des jeweiligen Problems. Was gar nicht so einfach ist. "Viele Klienten spüren sich körperlich und seelisch nicht mehr. Da geht es zuerst einmal darum, daß wir sie anregen, mehr auf sich selbst zu schauen. Nicht im egoistischen Sinn, aber für Ausgebrannte ist es keine Selbstverständlichkeit, sich und ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Dann kann man daran gehen, Lebensziele zu formulieren."
Vertrauen muß wachsen und ist Bedingung für eine erfolgreiche Beratung. Jetzt sollen aber die Ergebnisberichte schriftlich an das AMS abgeliefert werden. Franz Edlinger: " A hagliche Gschicht". Schließlich gibt es ja auch die Verschwiegenheitspflicht. "Wenn ich in den Ergebnisbericht hineinschreiben soll, daß mir jemand seine Trinksucht anvertraut hat, ist für mich die Grenze überschritten." Der Aufbau einer Vertrauensbasis ist ohnehin schwierig genug. Während es früher freiwillige Angelegenheit jedes Einzelnen war, sich beraten zu lassen oder nicht, wird jetzt vom AMS mittels RSA - Brief zur Beratung vorgeladen. Die Folge: Die BeraterInnen werden immer mehr mit dem Arbeitsamt identifiziert. Den Druck spüren Klienten und BeraterInnen und daß der Ergebnisbericht ein Kontrollinstrument gegen beide ist, spüren sie auch. " Wir sind jetzt dabei, Erfahrungen zu sammeln, ob das alles mit unserer Vorstellung von Beratung vereinbar ist."
Herbert Schnell, Name von der Redaktion geändert, wandte sich im Dezember an die B. A. M. Als Akademiker konnte ihm das Arbeitsmarktservice nicht helfen ,er wurde zum Teil falsch und nicht ausreichend über seine Möglichkeiten am Arbeitsmarkt informiert.Vom B. A. M. erfuhr er über Umwege und merkte von Anfang an den Unterschied: "Die BetreuerInnen hier sind psychologisch geschult. Die gehen auf dich als Person und nicht als Nummer ein. Der Umgang ist ganz anders. Hier habe ich auch speziell für mich relevante Rechtsauskünfte erhalten." Clara Korn, Name von der Redaktion geändert, wurde vom Arbeitsamt zugewiesen. Clara ist schon ziemlich lange arbeitslos. Auch sie fühlt sich im Beratungszentrum "ganzheitlich" betreut ,weil zum ersten Mal ihre persönlichen Probleme mit der erfolglosen Arbeitssuche in Zusammenhang gebracht werden.
Um sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, läuft im Beratungszentrum ein Experiment: Montag hat das "Bewerberbüro" mit Zeitungen, Stellenangeboten und Telefon geöffnet. Wenn notwendig, helfen die BeraterInnen beim Formulieren von Bewerbungsschreiben und beim Aufsetzen von Inseraten. Für die Zukunft soll noch ein Computer und eine Videoanlage zum Trainig für Bewerbungsgespräche angeschafft werden. In der Werkstätte wird bei kleineren Arbeiten wie Etikettenkleben, Zettelfalten oder Versand das Arbeiten trainiert.
Die Statistik spricht für das Beratungszentrum. Bei rund zwei Drittel der Beratungen gibt es ein positives Ergebnis. Rund 33 Prozent der Klienten steigen gleich danach ins Berufsleben ein, rund 20 Prozent ergreifen Weiterbildungsmaßnahmen, rund 10 Prozent wird dabei geholfen, in Pension zu gehen, ein kleiner Teil beginnt mit einer Therapie, ein anderer mit einem Studium. Bei 20 Prozent wird die Beratung ergebnislos abgegrochen. "Wunder bewirken wir keine."
Der Ausblick: Die Beratungsdauer wird wegen der komplizierten "Fälle", die das Arbeitsamt zuweist, ansteigen. Immer mehr Ältere werden Hilfe suchen. Die Vermittlung wird schwieriger. Was wünscht sich das B. A. M. da für die Zukunft?: Eine Beratung ohne Zwang, Vermittlungsdruck und Vorladung vom Arbeitsamt. Wenn sich jemand nicht beraten lassen will, sollen ihm keine Schwierigkeiten erwachsen. Endlich notwendig wären längerfristige Verträge mit dem AMS, bei denen der Leistungaustausch festgelegt ist. Und letztendlich wünscht sich die B. A. M. ein selbstbewußteres AMS, das sich ständig dem Druck der Wirtschaft beugt, der sie doch nichts recht machen kann, anstatt sich auf seine Stärken und seinen Auftrag zu konzentrieren. Über eines sind sich die BeraterInnen klar : "Mit der Beratung schaffen wir noch keine Arbeitsplätze. An der Arbeitslosigkeit können wir nichts ändern. Aber wir können helfen."
B. A. M , Beratungszentrum für Arbeitssuchende Menschen, Rainerstr. 22, 5. Stock. Tel: 60 02 30. Wer sich dort beraten lassen will, sollte diesen Wunsch zuerst beim Arbeitsamt deponieren. Das B. A. M. betreibt Außenstellen in Kirchdorf und Freistadt und hält Sprechtage in Grieskirchen ab. Auskunft über die Zentrale in Linz und die jeweiligen Arbeitsämter.