Ein Porträt von Eugenie Kain.
Treffpunkt ist das Café Landgraf. Nicht aus nostalgischer Erinnerung an Zeiten, da die Stadtwerkstatt noch um ein Haus näher und das Landgraf noch das Landgraf war, sondern aus pragmatischen Gründen. Es liegt mit relativ guten Parkchancen an der Strecke zur Uni. Dort wurden im Jänner auf dem Kulturgang A Computergraphiken, Textilarbeiten und Bilder der Künstlerinnen Helga Schager, Sylvia Wiesner und Astrid Esslinger gezeigt. Titel der Ausstellung: FrauenArt. Astrid Esslinger war mit Acrylbildern und einem Teppich vertreten. Die Frauenköpfe "Muchachas" wirken kräftig und schnell, der Teppich "Frühling" vermittelt Unbeschwertheit.
Später wird mir Astrid Esslinger erklären, daß sie unheimlich schnell im Weben ist, sie aber das Entwerfen eines Teppichs mehr reizt als die Ausführung. Beim Malen setzt sie keine vorgefaßte Idee um, das Bild entsteht und ändert sich während der Arbeit.
"Müssen Frauen nackt sein, damit sie ins Metropolitan Museum kommen?" fragten Anfang der 90er Jahre die Guerilla Girls in New York, und wiesen in zahlreichen Aktionen darauf hin, daß weniger als 5 Prozent der in den Abteilungen moderner Kunst vertretenen Künstler Frauen sind, aber 85 Prozent der dort dargestellten Nackten weiblich.
Was für New York gilt, gilt auch für Linz. Künstlerinnen werden im Durchschnitt weniger durch Stipendien und Preise gefördert als ihre männlichen Kollegen, sie haben an der Kunsthochschule weniger Aussichten auf eine Professur, und unter den von der Neuen Galerie angekauften Werken finden sich jedes Jahr wieder nur zwei, drei, die von Frauen stammen. Hin und wieder gibt es eine größere Ausstellung oder es wird ein Schub "Frauenbilder" angekauft, und dann geht es weiter wie gehabt.
Wie lebt es sich als freischaffende Künstlerin? "Danke es geht. Ich lebe sehr bescheiden und brauche nicht viel" .Der feine ironische Ton in der Stimme kommt im Printmedium nicht rüber. Freischaffend ist Astrid Esslinger schon seit Beginn der 80er Jahre. Zuvor hat sie in Salzburg Kommunikationswissenschaften studiert und wollte, weil sich da Kommunikation nur auf den Medienbereich beschränkt, wenigstens als Doktorarbeit "etwas Gscheites machen, was mich wirklich interessiert." Thema: Kommunikation bei den Indianern Nordamerikas. Sie forschte in mehreren Reservaten und lebte unter anderem bei den Lakota in den Black Hills. Während der Studienaufenthalte wurde sie mit den vielen Formen des Krieges konfrontiert, der in den USA gegen die Urbevölkerung geführt wird. Sie erlebte Belagerungen durch das Militär, Repressionen, die Armut und die Auswirkungen einer aufgezwungenen fremden Lebensweise. "Die indianischen Sprachen kennen weder Vergangenheit noch Zukunft. Diese Sprachen und ihre Kultur wurden ihnen systematisch ausgetrieben. Klar hat das Auswirkungen." Zurück in Salzburg meinte der Professor zu ihren Erfahrungen, das sei alles sehr interessant, aber es müsse sich beweisen lassen. "Da habe ich mich endgültig für die Kunst entschieden."
4 Jahre arbeitete Astrid Esslinger im Künstlerkollektiv der Stadtwerkstatt, seit 10 Jahren im Isolation Tank. Dort entstehen die Textilarbeiten, die Radierungen und Acrylmalereien seit kurzem wieder in einem Gemeinschaftsatelier mit Hermine Asamer . "Der Arbeitsprozeß ist ein ständiges Loslassen von Vorstellungen." schreibt sie in ihrem Katalog. "Die Dynamik der Emotion und der Rhythmus des Mediums bestimmen die Fläche. Malereien und Kaltnadelplatten enstehen eher aus einer starken seelischen Bewegtheit heraus. Webstimmung ist mehr ein Tag in Gleichmut." In Los Angeles hat Astrid Esslinger John Lilley kennengelernt, der als Reaktion auf die permanente Reizüberflutung den Isolation Tank entwickelt hat, um damit wieder zu unbeeinträchtigten, genauen Wahrnehmungen zu kommen. Astrid Esslingers Isolation Tank steht in Uring. "Zuerst fahr ich in Aschach von der Bundesstraße ab, da wird's langsamer, der Verkehr wird weniger, ab St. Agatha bin ich meistens schon allein auf der Straße, das letzte Stück ist dann nur mehr ein Schotterweg durch den Wald, da kommt zum reduzierten Tempo noch das Holpern und Rumpeln dazu, und dann bin ich da und es ist nichts mehr.Das ist für mich schon eine Auflösung von Zeit und Raum, es gibt keine Ablenkung mehr und ich spür mich selber wieder ganz scharf." Auch die bewußte Verknappung von Stilmitteln und Reduktion der Materialien sind eine Konsequenz auf das Reizbombardement im Alltag. Wobei dabei auch der ökologische Aspekt eine Rolle spielt. "Die Ökologie wird in der Bildenden Kunst nicht thematisiert. Meine Teppiche verrotten wenigstens, ohne daß irgendwas überbleibt."
Der Katalog Positions 95 entstand anläßlich einer Ausstellung in New York im vergangenen Sommer, und ist in Linz in der Buchhandlung Alex um 100 ÖS erhältlich.
Zur Zeit ist Astrid Esslinger auch in der Virtuellen Galerie des Guggenheim Museums SoHo mit Arbeiten vertreten, anzuschauen unter http://www.austriaculture.net. Für Herbst ist eine Ausstellung in der Galerie Paradigma geplant.