Rainer Krispel
Als sich in der Stadt mit dem "L" nicht einmal mehr ein ausgewachsener und gutsortierter Plattenladen halten konnte ...
Diesbezüglich war Linz eigentlich schon immer ein Sonderfall. Die
Qualität der Tonträger-Umschlagplätze dieser Stadt stand
schon immer in direkten Zusammenhang mit ihrer Lebensqualität. In
beiden Fällen galt und gilt: Mach's dir selber oder besorg's dir woanders.
Die seelenlosen Tonträger-Aufbahrungen diverser Kaufmärkte waren
immerhin für meine ersten Deep Purple- ("Made In Japan")
und Beatles-Alben (of all places im Metro erstanden) gut.
Oder der grandiose Auftritt meiner Mutter in der Plattenabteilung des Passage-Kaufhauses,
als sie der doch etwas verdutzten Verkäuferin den gesuchten Titel
aus der Kinofassung von "Grease" einfach vorsang. Daß danach
die Single "Summer Lovin'" erstanden werden konnte, werte ich
als Beweis der Musikalität von Mutter Krispel (und der namenlosen
Verkäuferin!). Tolle Single übrigens!
Für ein kleines "Hoch" sorgte der long gone Meki im Innenhof
auf der Landstraße, gleich neben dem Klosterhof, nicht zuletzt als
"Wahn & Sinn"-Schachinger dort arbeitete. Unzählige
Geburtstags- Weihnachts-, Schularbeiten- und Zeugnis-Hunderter bis Tausender
wurden dort sofort umgesetzt. Und das ganz bestimmt nicht nur von mir.
(Mit Schrecken erinnere ich mich an Huckey's Übersiedlung in seine
Wohnung im fünften Stock. Gebt mir ein Klavier zu übersiedeln,
anytime, nur um Elvis willen keine Plattensammlung!). Auf meiner ersten
abgegriffenen und -gespielten Clash-Platte prangt heute noch das gelbe
Preispickerl mit "MEKI" und "129.-". Die O-Buslinien
41 und 43 waren meine Zubringer ins Musikparadies. Nicht nur einmal bin
ich nach einer "Musicbox" in die Stadt gefahren, um die soeben
gehörten aufregenden Platten zu kaufen p; Siouxsie & The
Banshees, Gun Club, Adam & The Ants ... Es leben Schülerfreifahrt
und Taschengeld! Nicht selten bin ich nach dem ersten Hören der Platten
gleich nochmal zum Meki p; was sich gerade noch ausgegangen ist (wo
bleibt der Scheiß-Bus schon wieder?): Um noch eine Platte der jeweiligen
Bands zu kaufen ...
Max
Goldt's Geschichte vom jungen Mann als Plattenkäufer: Hey,
that's me! Mit dem wohlgefüllten Plastiksackerl p; in most stylish
Meki-Grün-Schwarz p; unruhig hin und her wetzend im O-Bus sitzend,
schwitzenden Händchens und leuchtenden Auges das Cover studierend,
in ungeduldiger Erwartung der bevorstehenden Erfüllung sämtlicher
jugendlicher Hör-Begierden ...
Und die allmächtige "Instanz" Verkäufer!
Als ich eine - ich begann mich gerade als "echter" Punk zu fühlen
p; Abba-Platte als Geschenk brauchte, versuchte ich allen Ernstes
einen Schulkollegen zu überreden, das doch bitte für mich zu
erledigen. Im Endeffekt mußte ich sie natürlich selber kaufen
und hab' sie verdeckt unter einer "coolen" Platte zur Kassa getragen,
mich hektisch umblickend ...
In der Bischofsstraße p; glaub' ich p; gab's eine Zeitlang
einen relativ großen Laden, den ich aus meiner Erinnerung fast verdrängt
habe, weil die Platten so übel waren, die ich dort gekauft habe. Zum
Beispiel fucking Jethro Tull!
Die "Instanz" Verkäufer galt noch mehr im "Wahn &
Sinn" in der Adlergasse. Der eine Plattenladen in Linz, der es sogar
zu einer Erwähnung mit Photo im Spex gebracht hat. Dort habe ich meine
absolute Lieblingsplatte p; Rites Of Spring - gekauft, dessen ewig
nicht eingehaltene Öffnungszeiten haben mir vor verschlossener Ladentür
aber auch die erste Polizeikontrolle meines Punk-Lebens eingebracht. Wochenlang
bin ich immer wieder hin um p; ausgerechnet p; nach Exploited's
"On Stage" (nachweislich eine der schlechtesten Platten der bewiesenermaßen
schlechtesten Musik aller Zeiten, dem britischen Zweit- bis Dritt-Generationspunk)
zu fragen.
Später versorgte ich mich zusehends bei Kapu-Gigs bei den "fliegenden
Händlern", über Mailorder oder bei den selber auswärts
gespielten Konzerten. Die seltsame und wunderbare Erotik des Plattengeschäfts-Besuchs
(featuring Kaufen!) wurde in Wien ausgelebt. Fast ritualisiert fielen wir
bei Wasserkopf-Ausflügen im Ton um Ton (kurz), später im Why
Not und schließlich im Rave Up ein. Ebenso ritualisiert mußten
wir nach Stunden Huckey mit sanfter bis heftiger (Verbal-)Gewalt aus dem
Geschäft entfernen (und ihm womöglich noch beim Tragen helfen.)
Jetzt verschwinden sie zusehends, die guten (nicht nur die) Plattengeschäfte.
Überhaupt: Eine Ansammlung von noch so gut sortierten CDs entwickelt
für einen Vinylie einfach nicht annähernd den Sex von Regal um
Regal voller wunderbarer, ungehörter, neuer und alter Vinyl-Platten!
Auch wenn ein Laden wie der Ton Um Ton CD-Shop, der atmosphärisch
locker als die Wiener Inkarnation von Nick Hornby's "High-Fidelity"
(der Buchtip zum Text) durchgeht, den "Spirit" p; abhängen,
Musik hören, reden, stöbern, vielleicht ein wenig trinken p;
hochhält: Solche Nischen werden rar und Linz ist einmal mehr verwaist,
oder? (Die Dedication in Schachinger's WohnGeschäft aufzusteigen in
Ehren).
Gute Plattengeschäfte mit Charakter schön, daß
wir sie gekannt haben werden.