Sie sind Hausmeisterin in einem Wiener Wohnhaus mit über 70 Wohnungen.
Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?
In erster Linie ist das Haus sauber zu halten. Im Sommer muß außerdem
der Rasen gegossen und gemäht werden, und im Winter ist der Gehsteig
zu räumen. Wobei mir mein Mann sehr bei der Arbeit hilft. Der Rasen,
die Garage und der Gehsteig gehören ihm. Er hat als Polizist einen
Radldienst und ist deshalb tagsüber oft zuhause.
Wie kamen Sie zu dieser Hausmeister-Stelle?
Durch Zufall. Ich habe Verkäuferin bei Julius Meinl gelernt. Nach
meinem ersten Kind bin ich zuhause geblieben, dann wurde ich ein zweites
Mal schwanger. Nachdem mein Mann aus seiner ersten Ehe schon zwei Kinder
hatte und Alimente zahlen mußte, wurde es mit den Finanzen knapp.
Aber mit zwei Kindern im Verkauf zu arbeiten war unmöglich. Deshalb
hat mich mein Mann gefragt, ob ich nicht den Hausmeister machen würde.
Meine Mutter ist Hausbesorgerin, also habe ich ungefähr gewußt,
was mich erwartet. Ich hatte am Anfang nur Bauchweh, wie die Leute im Haus
sein würden. Aber wir haben zum Großteil sehr nette, freundliche
Mieter. Die Kinder sind das größere Problem. Der Spielplatz ist
von lauter Häusern umgeben, deshalb hallt es im Innenhof sehr ­p;p;
und dann kommen die Leute oft zu uns und verlangen, daß wir den Lärm
abstellen.
Gelten Sie im Haus als eine Respektsperson?
Mein Mann vielleicht, ich sicher nicht. Mit den meisten Leuten habe
ich einen sehr freundschaftlichen Umgang. Es gibt ja viele Kinder im Haus,
und nachdem ich selbst zwei Kinder habe, sitze ich viel mit den anderen
Müttern am Spielplatz. Da bin ich sicher keine Respektsperson.
War es schwer, eine freie Stelle zu finden?
Wir haben uns bei Baustellen umgesehen und an die jeweiligen Hausverwaltungen
geschrieben. Doch viele stellen gar keine Hausmeister mehr an, sondern beauftragen
statt dessen eine Firma. Und bei der Gemeinde wollte ich nicht arbeiten,
weil es in den Gemeindebauten immer so fürchterlich ausschaut. Schließlich
hatten wir Glück, nach zwei Jahren hat uns eine Genossenschaft dieses
Haus hier angeboten. Im August sind wir eingezogen, im September sind dann
die ersten Mieter nachgekommen.
Sie machen diesen Job nun schon einige Jahre. Macht Ihnen die Arbeit
Spaß?
Mein früherer Job hat mir sicher mehr Spaß gemacht. Und es
gibt auch Momente, in denen ich gerne wieder etwas anderes machen würde.
Zum Beispiel, wenn ich mich wieder einmal furchtbar ärgere, weil ich
den Hundekot vom Gehsteig wegputzen muß. Aber wenn dann am Monatsanfang
das Geld kommt, ist die Welt wieder in Ordnung. Beim Meinl habe ich 7000
Schilling bekommen, dafür mußte ich von sieben Uhr in der Früh
bis um halb sieben am Abend dort sein. Jetzt bin ich viel bei meinen Kindern
zuhause und verdiene sogar mehr als früher, die Dienstwohnung noch
gar nicht mitgerechnet. Für eine Wohnung in dieser Größe
zahlt man bei uns im Haus immerhin 3000 Schilling.
Haben Sie als Hausmeisterin jemals Feierabend?
Die Leute kommen mit allem möglichen, wenn eine Glühbirne
kaputt ist, wegen der Münzen für die Waschküche, wenn der
Aufzug stecken bleibt oder wenn das Garagentor klemmt. Und das kommt natürlich
auch am Samstag oder am Sonntag vor. Trotzdem finde ich, daß dieser
Job sehr familienfreundlich ist. Denn in der Regel kann ich mir die Arbeit
einteilen. Manchmal arbeite ich am Vormittag und manchmal am Nachmittag.
Und wenn meine Kinder krank sind, bin ich zuhause oder zumindest ganz in
der Nähe. Das ist ein großer Vorteil: Ich sehe das ja bei meiner
Freundin. Wenn deren Kinder krank sind, muß sie Pflegeurlaub oder
Urlaub nehmen. Wenn der erschöpft ist, kommen die Verwandten dran.
Das ist jedesmal ein Drama.
Welche Nachteile hat dieser Job für Sie?
Das einzig problematische ist der Urlaub. Da müssen wir uns immer eine
Vertretung suchen. Meistens zieht meine Schwägerin ­p;p; sie wohnt
nur ein paar Straßen weiter ­p;p; für vier oder fünf
Wochen hierher.
Das Putzen an sich stört Sie nicht?
Nachdem meine Mutter das schon seit zwanzig Jahren macht, bin ich daran
gewöhnt. Mein Mann und ich haben ohnedies vor, diese Arbeit nur noch
drei bis vier Jahre zu machen, weil sie körperlich doch eher belastend
ist. Gerade am Anfang hatte ich oft Kreuzschmerzen.
Welchen anderen Beruf könnten Sie sich vorstellen?
Als Mädchen hatte ich den Wunsch, Kindergärtnerin zu werden. Seit
ich selbst zwei Kinder habe, bin ich allerdings davon abgekommen. Eine andere
Möglichkeit wäre, etwas in Richtung Dolmetscher zu machen. Ich
bin zwar in Österreich zur Schule gegangen, aber eigentlich bin ich
eine geborene Türkin. Zu Hause wurde nur Türkisch gesprochen,
sodaß ich diese Sprache heute perfekt beherrsche. Freilich ist es
nicht einfach, etwas Passendes zu finden. Mein Mann hat mir gesagt, daß
es allein bei der Polizei 45 Dolmetscher gibt. Eine andere Möglichkeit
wäre, es in einem Spital zu versuchen. Aber darüber zerbreche
ich mir den Kopf, wenn es soweit ist.
Was halten Ihre Freunde und Bekannten von Ihrem Job als Hausmeisterin?
Vor allem die älteren Leute reagieren meist sehr positiv, sie sagen:
Recht habt ihr, ihr seid gescheit. Die Jüngeren hingegen schlucken
erst einmal. Das habe ich erst vor kurzem bei unserem Klassentreffen gemerkt.
Vielleicht hängt es von der Bildung ab, ob sich jemand zu gut ist für
diese Arbeit oder nicht.
Interessant ist auch, daß die österreichischen Freunde eher reserviert
reagieren, während die türkischen ganz begeistert sind, wenn sie
unsere Dienstwohnung sehen. Nur meine Mutter drängt mich immer wieder,
daß ich mit dieser Arbeit bald aufhöre. Wahrscheinlich deshalb,
weil sie weiß, wie mühsam sie ist, aber auch weil es in der Türkei
sehr wichtig ist, daß man gesellschaftlich etwas darstellt. Meine
Verwandten in der Türkei sind überhaupt völlig entsetzt,
wenn sie erfahren, daß ich Hausmeisterin bin.
Warum?
In der Türkei sind Hausmeister sehr arme und sehr schlecht angesehene
Leute. Sie kommen meist vom Land in die Stadt, wo sie dann in einem Loch
im Keller leben; sie sind eine Art von Sklaven und müssen alles machen,
zum Beispiel einkaufen oder von Haus zu Haus gehen und den Müll einsammeln.
Und so wie man in Österreich sagt, du bist wie ein Sandler angezogen,
so sagt man in der Türkei, du bist wie ein Hausmeister angezogen.
Welche beruflichen Möglichkeiten hätten Sie als Frau in der Türkei?
Das kommt darauf an. In Istanbul hat sich schon sehr viel verändert,
nicht aber auf dem Land. Bei unserem vergangenen Türkei-Aufenthalt
haben wir uns einen Jeep ausgeborgt, um ein bißchen in die Dörfer
zu fahren. Ich war wirklich schockiert, als ich gesehen habe, wie die Männer
im Teehaus sitzen, während sich die Frauen abrackern. Ich habe dann
mit dem Chef eines Kaffeehauses gesprochen, und der hat gemeint: Was willst
Du, die sind zufrieden, die wollen nichts anderes. Aber da möchte ich
gerne auch einmal eine Frau fragen, ob sie das wirklich so will.
Haben Sie noch viel Kontakt zu Ihren türkischen Verwandten und Freunden?
Das ist eine komplizierte Geschichte. Als ich meinen heutigen Mann kennengelernt
habe, war das für meine Eltern ein Riesentragödie, sie waren total
gegen einen Christen. Meine Großmutter ist extra aus der Türkei
gekommen und wollte mich mitnehmen. Das haben wir noch so halbwegs hingekriegt,
bis meine Eltern erfahren haben, daß mein Mann schon einmal verheiratet
war. Von da an wollten sie nichts mehr von mir wissen.
Ich weiß noch gut, es war an einem Donnerstag, am Freitag sollten
wir in die Türkei fahren. Als mich mein Mann an diesem Tag in der Früh
abgeholt hat, habe ich zu ihm gesagt, wenn wir heute nichts unternehmen,
sieht du mich nie wieder. Ich hatte schon lange vorher heimlich um die Staatsbürgerschaft
angesucht. Also sind wir aufs Standesamt und haben gesagt, wir möchten
so schnell wie möglich heiraten. Ich bin nur noch kurz zurück
ins Geschäft, habe mir die Haare gewaschen, und in der Mittagspause
haben wir geheiratet.
Wie haben Ihre Eltern diese Nachricht aufgenommen?
Am Abend ist mein Mann mit der Heiratsurkunde zu meinen Eltern hingefahren,
ich selbst habe mich nicht getraut. Mein Vater hat sich so aufgeregt, daß
in der Nacht sein Magengeschwür aufgebrochen ist. Meine Mutter hat
mich am nächsten Tag in der Arbeit angerufen und mit den ärgsten
Worten beschimpft. Sie hat gesagt, daß sie von nun an keine Tochter
mehr hat und daß sie mein ganzes Gewand verbrennen wird. Ein halbes
Jahr lang hat sich niemand gemeldet. Dann hat meine Mutter angerufen und
gefragt, ob ich meine Sachen holen komme oder ob sie sie mir bringen soll.
Seither haben wir wieder Kontakt, aber wir haben nie mehr über dieses
Thema gesprochen. Nur die Familie meines Vaters hat den Kontakt völlig
abgebrochen, obwohl das ganze jetzt zwölf Jahre her ist.
Haben Sie mit so einer Reaktion gerechnet?
Ich hätte mir nie gedacht, daß meine Eltern so reagieren würden.
Sie waren schon seit zwanzig Jahren in Österreich, außerdem sind
beide nicht sehr religiös. Meine Mutter trägt kein Kopftuch und
beide essen sie Wurst. Aber der Druck der Gesellschaft war zu groß.
Meine Mutter hat gesagt, daß sie niemandem mehr in die Augen schauen
konnte. Bei meinem Bruder war das alles nicht so schlimm. Er hat einige
österreichische Freundinnen gehabt, das war überhaupt kein Problem.
Mittlerweile ist er mit einer Türkin verheiratet, die ein Kopftuch
trägt, und die würden sie jetzt am liebsten in einen Käfig
sperren. Männer dürfen scheinbar alles und Frauen nichts.