Halbe-Halbe

Die Geburtenbeihilfe gestrichen, die Karenzzeit verkürzt. Mit dem Sparpaket hält sich die Regierung an den Frauen schadlos. Verkauft wird das Sparen als Förderung der Partnerschaft, weil jetzt auch der Mann seinen Beitrag leisten muß, damit es 2 Jahre lang nicht einmal 5000 Schilling Karenzgeld monatlich gibt. Angesichts der herrschenden Einkommensunterschiede ist klar, daß sich diese "Partnerschaft" die wenigsten Familien und Lebensgemeinschaften leisten können. Im folgenden ein Bericht eines der wenigen Privilegierten.
Eigentlich hätte man(n) sich doch als Held fühlen sollen. Für ein Jahr raus aus dem Job und als "Speerspitze der Emanzipation" die Büromöbel getauscht mit Wickeltisch, Herd und Staubsauger. Die Reaktionen von Frauen, die davon erfuhren, daß ich bei der Karenzzeit mit meiner Frau Halbe-Halbe gemacht habe, hätten das Heldengefühl zusätzlich steigern können. Nein so was, daß Du Dir das zutraust, allerhand, super!
Daß ich mich nicht als Held und Vorkämpfer fühlen konnte, sondern als Privilegierter, liegt an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Denn um als Mann die Karenzzeit oder zumindest einen Teil davon in Anspruch zu nehmen, braucht man(n) weniger Mut als vielmehr zwei Rahmenbedingungen, die eher selten erfüllt sein dürften. Einerseits muß die Frau einen Job haben, der ordentlich entlohnt wird. Denn sonst fällt das Familieneinkommen gefährlich in Richtung Armutsgrenze. Und zweitens muß der Mann einen Arbeitgeber haben, der zumindest minimales Verständnis zeigt für männliche Karenzzeit. Denn Freunde haben mir versichert, ihr Boß würde sie nach Ende der Behaltefrist sicherlich hochkant hinausgeworfen haben - weil männliche Karenz für eine Provokation gehalten werde, oder als Belg dafür, daß man(n) nicht die richtige Einstellung zur Arbeit hat.
Aus diesen Gründen und im gesamten gesellschaftlichen Umfeld muß die Aktion "Vater beim Kind" wirklich für ein Privileg gehalten werden - eines mit Haken übrigens: Denn so leiwand, wie sich manch einer das vorstellen mag, ist es nicht, zwischen Herd, Wickeltisch und Waschmaschine umherzuhetzen oder sich mit einem Kinderwagen durch knöcheltiefen Salzmatsch zu kämpfen. Trotzdem: Der Staat sollte die Bedingungen dafür schaffen, daß Halbe-Halbe in diesem Bereich kein Privileg bleibt.


April 97
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