| THE GENDER
DIVISION OF WELFARE Am Beispiel der ökonomischen (Un-)Sicherheit von älteren Frauen |
Endlich, der neue Sozialbericht ist fertiggestellt. Wieder einmal läßt
sich schwarz auf weiß nachlesen, was alle Interessierten ohnehin schon
wissen: Ältere Frauen sind durch das österreichische Pensionssystem
entweder überhaupt nicht oder sehr schlecht abgesichert. Das österreichische
Pensionssystem, so wird deutlich, ist - individuell betrachtet - an einer
typisch "männlichen" Erwerbsbiographie orientiert.
Die Einbindung in das System der sozialen Sicherheit ist eben am Leitbild
eines männlichen Lohnarbeiters in seiner Funktion als Familienernährer
orientiert. Unser Sozialstaat ist nicht nach universalistischen Kriterien,
sondern nach dem Versicherungsprinzip aufgebaut, was für Frauen - so
kann daraus gefolgert werden - zu einer strukturellen sozialpolitischen
Benachteiligung führt. In der englischsprachigen Literatur hat sich
dafür der Begriff des "gender division of welfare" durchgesetzt.
Trotz vieler - nicht nur legistischer - Veränderungen in den letzten
Jahrzehnten bestehen weiterhin auffallend große geschlechtsspezifische
Unterschiede in der ökonomischen Sicherheit sowie größere
Armutsrisiken für Frauen. Daß frauenspezifische Armutsrisiken
mit der nahezu ausschließlich von Frauen übernommenen Verantwortung
für Kinder und Familie zusammenhängen, läßt sich an
vielen individuellen Beispielen nachzeichnen. Nachfolgend werden zur Illustration
der ökonomischen Unsicherheit von älteren Frauen zwei Bereiche
sozialer Sicherheit dargelegt: Sozialhilfe und Pensionsversicherung.
Erstens: Sozialhilfe
Analysen zur geschlechtsspezifischen Struktur der Sozialhilfe zeigen, daß
sich trotz umfangreicher gesellschafts- und sozialpolitischer Maßnahmen
für Frauen in den letzten 20 Jahren keine gravierenden Veränderungen
bemerkbar machen: 1992 betrug österreichweit das Verhältnis Sozialhilfebezieherinnen
zu Sozialhilfebeziehern 60 zu 40. Der Vergleich mit 1984 zeigt, daß
die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Laufe der 80er Jahre nicht weniger,
sondern im Gegenteil, sogar größer geworden sind. In Oberösterreich
beispielsweise sind mittlerweile bereits zwei Drittel aller SozialhilfeempfängerInnen
weiblich. Frauen stellen weiters in allen Altersgruppen - soweit aus bundesdeutschen
und kommunalen österreichischen Untersuchungen bekannt - den überwiegenden
Anteil der BezieherInnen. Das Risiko für Frauen, sozialhilfeabhängig
zu werden, ist aber ab dem Erreichen des Pensionsalter mehr als doppelt
so hoch ist als jenes der Männer! Bei einer für die Stadt Linz
durchgeführten Längsschnittanalyse von Sozialhilfebedürftigkeit
hat sich zudem gezeigt, daß Frauen wesentlich länger auf den
Bezug der Sozialhilfe angewiesen sind: Drei Viertel aller Langzeitbezieher
sind weiblich! Die Gruppe der LangzeitbezieherInnen setzt sich wiederum
überwiegend aus von Armut betroffenen älteren Frauen zusammen.
Als Unterstützungsgründe werden vielfach mangelnder Unterhalt
oder Arbeitsunfähigkeit ohne Pensionsanspruch angeführt.
Das höhere Sozialhilferisiko von Frauen geht zugleich mit einer Benachteiligung
von Frauen im Sozialhilferecht und in der Verwaltungspraxis einher. Die
Erwerbszentriertheit sozialer Sicherung ist auch im zweiten sozialen Netz
festgelegt, wobei die Ungleichbehandlung Frauen doppelt trifft: Erstens
führen die geringeren Erwerbschancen und niedrigeren Erwerbseinkommen
von Frauen zur Fortschreibung von geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden.
Zweitens werden angesichts der "Kinderlosigkeit der Väter in der
Sozialhilfe" die materiellen Versorgungsaufgaben der Frauen für
ihre Kinder ungenügend berücksichtigt. Als weiteres frauenspezifisches
Problem wirkt sich die von Gesetzes wegen festgelegte Gleichstellung der
Lebensgemeinschaft mit der Ehe aus, die u.a. für die Berechnung von
Leistungen wesentlich ist. Die Praxis der Sozialhilfe ist im Sinne der Sparsamkeit
der Verwaltung an der Aufrechterhaltung der Geschlechtsrollenstereotypen
interessiert: Da Männer als Versorger von Frauen wahrgenommen werden,
wird bei alleinstehenden Frauen zum Teil amtswegig, zum Teil aufgrund von
Anzeigen sehr genau hinsichtlich möglicher Lebensgefährten der
unterstützten Frauen ermittelt. Dies führt mitunter nicht nur
zur Kontrolle der betrofffenen Frau, sondern auch zur Vorladung des vermeintlichen
Lebensgefährten. Da diesbezügliche Kontrollen und Recherchen,
soweit aus den Akten bekannt, ausschließlich Frauen betreffen, kann
davon ausgegangen werden, daß die Gleichstellung der Leistungsbemessung
bei Vorliegen einer Lebensgemeinschaft primär zu Lasten von Frauen
geht.
Zweitens: Pensionssystem
Auch im Pensionssystem zeigt sich, daß die Vielfalt weiblicher Lebensverläufe,
die - durch die Zuständigkeit für Mann, Kind(er) und Familie bedingt
- sich mehrheitlich nicht an einer männlichen Normal(erwerbs-)biographie
anlehnen, de facto nicht berücksichtigt wird. Anders lassen sich die
eklatanten Unterschiede der Zahlungen aus der Pensionsversicherung nicht
erklären. Sie sind an Erwerbseinkommen und Versicherungsdauer gebunden.
Früher erwerbstätige Frauen erreichen bei weitem nicht die Höhe
der Pensionszahlungen von Männern. Einer durchschnittlichen Alterspension
für Männer von öS 13.900,- im Jahre 1995 stehen lediglich
öS 7.900 für Frauen gegenüber. In manchen Pensionsversicherungen
liegen die Differenzen noch wesentlich höher. Drückt man dieses
Verhältnis Männerpensionen zu Frauenpensionen prozentuell aus,
so zeigt sich, daß Frauenpensionen einem etwa 50- bis 60%igen Anteil
der Männerpensionen entsprechen. Der Vergleich mit den Daten von 1990
bestätigt, daß es diesbezüglich in den letzten Jahren keine
Verbesserung gegeben hat: Pensionierten Frauen steht im Vergleich zu Männerpensionen
prozentuell betrachtet sogar weniger Geld zur Verfügung als noch 1990.
Angesichts dieser Tatsache verwundert es kaum, daß viele Frauen auf
den Bezug der Ausgleichszulage zur Existenzsicherung angewiesen sind: 1995
waren 72% aller AusgleichsbezieherInnen Frauen. Da eine "echte Mindestpension"
nicht vorgesehen ist, wird mit dem Instrument der Ausgleichszulage eine
vom Haushaltseinkommen abhängige Mindestversorgung in Form der Ausgleichszulage
gewährt. Der Richtsatz für Ausgleichszulagen betrug 1995 für
Alleinlebende öS 7.700,-, für Ehepaare im gemeinsamen Haushalt
öS 11.000,-.
Ein Argument, das bei Diskussionen über die Pensionshöhe von Frauen
immer wieder hervorgebracht wird, ist jenes, daß Frauen doch "mehrere
Pensionen" erhalten. Dazu sei angemerkt, daß sogar dann, wenn
Frauen zu ihrer Eigenpension eine weitere Pension (z.B. Witwenpension) beziehen,
die Gesamtleistung im Durchschnitt ebenfalls niedriger ist als die einfache
Männerpension.
Frauen - so der simple Schluß - sind im österreichischen Sozialsystem
ökonomisch benachteiligt. Das primär an Erwerbsarbeit zentrierte
soziale Sicherungssystem ist kaum am weiblichen Lebenszusammenhang, der
von Phasen der Berufstätigkeit sowie Phasen der Familientätigkeiten
geprägt ist, orientiert. Der sekundäre Zugang zum System der sozialen
Sicherheit wird durch den abgeleiteten Status der Ehepartnerin ermöglicht.
Beide Zugangsmöglichkeiten reichen offensichtlich für eine adäquate
materielle Versorgung von älteren Frauen nicht aus. Bemerkt wird dies
von den betroffenen Frauen oft erst, wenn aufgrund des Alters, freiwillig
oder unfreiwillig, keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen werden
kann oder wenn die Partnerschaftsform "Ehe", die im Sozialstaat
Österreich als Versorgungsinstanz eingebunden ist, scheitert. Daß
damit beispielsweise im Normalfall die Pensionsansprüche der für
die Familie tätigen Frauen verloren gehen, wird vielen Betroffenen
erst dann bewußt, wenn sie den Weg zum Sozialamt antreten müssen.
Sollte man(n) Frauenanliegen ernst nehmen, so ist es in den nächsten
Jahren unumgänglich, neue Wege einer eigenständigen Alterssicherung
für Frauen zu finden.