Es wird uns ein Vergnügen sein
Mit Eva Rossmann vom Unabhängigen Frauen Forum (UFF) sprachen Eugenie Kain, Udo Danielczyk und Erich Klinger


Kain: Sie sind zur Zeit in Sachen Frauenvolksbegehren in ganz Österreich unterwegs. Mit welchen Fragen werden sie da am meisten konfrontiert?
Rossmann: Die meisten Frauen, die so weit sind, daß sie zu Veranstaltungen kommen, fragen, wie können wir euch unterstützen, was können wir tun? Wie geht es weiter? Bringen wir es wirklich durch? Männer fragen eher, glaubt ihr, daß ihr das wirklich schafft? Wir unterstützen das zwar voll, aber ist das gut so, ist das nicht gefährlich, weil derzeit die Wirtschaftssituation so schlecht ist.
Dann kommen natürlich inhaltliche Fragen, das ist schon klar.

Kain: Ich habe die Diskussion anhand von LeserInnenbriefen verfolgt. Viele Frauen haben da den Eindruck, das Volksbegehren beschäftigt sich nur mit Fragen, die berufstätige Frauen betreffen. Genau diese Leserbriefschreiberinnen verstehen aber die Forderung überhaupt nicht, wonach der berufstätige Partner für die daheimbleibende Partnerin Pensionsbeiträge einzahlen soll.
Rossmann: Unser Grundzugang zum Thema ist, daß es auch für Frauen ein selbstbestimmtes Leben geben muß. Ein selbstbestimmtes Leben und das Dasein einer Hausfrau lassen sich nicht sehr gut verbinden. Jede Frau soll entscheiden können, was sie tut in ihrem Leben. Aber ich warne die Frauen, daß sie halt in Abhängigkeit sind. Deshalb sagen wir, wenigstens in der Pension soll es den Frauen, die ihr Leben lang gratis Sozialarbeit gemacht haben, möglich sein, halbwegs eigenständig zu leben und nicht dann auch noch, wenn es blöd hergeht, zu Sozialhilfeempfängerinnen zu werden.

Kain: Haben Sie das Gefühl, daß sie an Hausfrauen herankommen?
Rossmann: Es ist ganz witzig. Gerade an ältere Hausfrauen. Es gibt doch sehr viele Frauen, die sich ihr Hausfrauenschicksal nicht ausgesucht haben, sondern wo der gesellschaftliche Druck oder die aktuelle Situation so war, daß sie damals praktisch keine andere Wahl hatten oder sahen. Das sind Frauen, die jetzt sagen, ja, wir wollen schon, daß die nächste Generation einfach die Chance hat, auch etwas anderes zu machen. Dafür möchte ich etwas tun. Diesen Standpunkt höre ich relativ oft.
Die Hausfrauen, an die wir nicht herankommen, sind so die meisten reicheren Hausfrauen. Die das Gefühl haben, das ist ja fast peinlich, wenn Frauen sagen, daß sie benachteiligt sind. Die sagen, das ist doch alles ein sozialer Unfug, Frauen können doch eh', wenn sie wollen und wenn sie nicht wollen, dann tun sie es eben nicht. Allerdings gibt es auch die eine oder andere Arztgattin, die irgendwann auch einmal blöd schaut, wenn ihr der Mann abhanden kommt. Das wäre so eine Schicht, die wir schwer erreichen. Aber die ist nicht so groß. So viele glückliche Hausfrauen gutverdienender Männer gibt es nicht in Österreich.

Kain: Bei den Forderungen des Frauenvolksbegehrens handelt es sich um Kompromißforderungen. Es gibt viele Frauen, denen die Forderungen zu zahm und zu wenig weitreichend sind. Die gehen zwar zum Frauenvolksbegehren und unterschreiben, aber mit Bauchweh. Welche Botschaft gibt es für diese Frauen?
Rossmann: Das ist ganz einfach. Wir haben von vorneherein gesagt, das kann nur ein Mindestkatalog sein. Dabei handelt es sich nur um die ganz primitiven, einfachen Ansätze in Richtung Gleichberechtigung. Es gibt eine ganze Menge Grundthemen, die nicht drinnen sind, es gibt viele Sachen, die viel weiter gehen müssen, für meine Begriffe, aber das ist der erste Schritt und der soll der Aufbruch sein. Wir haben gesagt, es müssen ein paar Mindestforderungen sein, und die deutlich. Alles andere muß nachher passieren. Zum Beispiel, ganz wichtig: Wir haben das Thema Ausländerinnen nicht drinnen. Das ist ein zentraler Punkt, wo zusätzlich etwas passieren muß. Wir haben die ganzen Lesbensachen nicht drinnen, auch das ein zentraler Punkt für mich, wo etwas passieren muß. Wir haben Arbeitslosigkeit nur immer in Punkten. Es würden unsere Punkte hoffentlich gegen Frauenarbeitslosigkeit wirken, aber da gehört viel mehr gegen die Ausgrenzung von Frauen getan, wenn sie arbeitslos sind. Ich denke mir, wir werden ohnehin nicht die ganze Frauenpolitik für ewige Zeiten erledigen können. Daher dieser Mindestkatalog.

Kain: Bleiben wir gleich bei der Ausgrenzung von Frauen durch Arbeitslosigkeit. Durch die gesetzlichen Bestimmungen werden Frauen gegängelt, bevormundet und entmündigt. Das fängt beim Notstand an, auf den man keinen Anspruch hat, weil einen ja der Mann erhalten kann, dann kommt die Verfügbarkeit, wo Kinderbetreuung als Arbeitsunwilligkeit ausgelegt wird, dann gibt es kein erhöhtes Karenzgeld, wenn eine Frau den Vater ihres Kindes nicht nennen will. Wäre das nicht eine der ersten Aufgaben der neuen Sozialministerin Hostasch, diese Ungerechtigkeiten sofort zu beseitigen?
Rossmann: Die Hostasch ist noch sehr neu im Amt, muß man fairerweise sagen, und ich denke mir, das Sagen in dieser Regierung hat nicht die Frau Hostasch, sondern der Klima und der Schüssel. Solange die nicht begreifen, daß da etwas passieren muß, passiert sicher nichts. Ich hoffe auch, daß die neue Frauenministerin eigenständig auftritt und zumindest einfordert. Wobei die natürlich immer so etwas wie Opposition in der Regierung ist. Sie kann fast nur das machen, was wir machen, nämlich Medienarbeit und Öffentlichkeitsarbeit und sagen, das muß passieren. Ich erwarte mir da auch von der Gewerkschaft wesentlich mehr. Die Frauen in der Gewerkschaft sehen die ganzen Probleme, aber tun können die gar nichts, entschieden wird in der obersten Etage.

Kain: Nehmen wir an, das Frauenvolksbegehren erhält mehr Stimmen als das Tierschutz-Volksbegehren. Es kommt dann in das Parlament und wird dort behandelt. Was stellen Sie sich für ein Szenario vor, wenn das VB im Parlament behandelt wird? Diese Woche hat sich das Parlament mit der sprachlichen Gleichbehandlung beschäftigt....
Rossmann: Man hat ja gemerkt, wie sie reagieren. Ich habe schon in meinem Parlamentsbuch festgestellt, wie groß überhaupt die Angst vieler männlicher Parlamentarier ist, sich mit der Idee der Gleichberechtigung auseinanderzusetzen. Aus ihrer Angst heraus können sie nur ununterbrochen blöde Witze machen. Ich hoffe nur, daß ihnen beim Frauen-VB klar wird, daß ziemlich viele Frauen nicht wollen, daß es so weitergeht. Ihnen muß klar sein, daß sehr viele Frauen solche Sachen nicht mehr wollen. Ich sehe das Parlament sehr realistisch: Je größer der Druck ist, der durch das VB erzeugt wird, desto eher werden sie etwas tun, d.h. je mehr Leute wirklich unterschreiben, desto mehr steigt die Angst, daß sie konkret Wählerinnenstimmen verlieren werden, wenn sie nichts tun. Und das ist unsere Chance. Wobei wir von Anfang an gesagt haben, wir werden dahinterbleiben. Nach dem FVB geht es richtig los, 100%ig. Wir beobachten, was dann passiert im Parlament, wir schauen, wo hakt's, an welchen Abgeordneten hakt's, warum macht der das nicht, wir haben ja gute Kontakte durch die Frauen, die teilweise voll dahinterstehen im Parlament. Wir werden erfahren, welche Männer da was verhindern wollen und das machen wir öffentlich. Das ist völlig klar. Und das ist die einzige Chance, die ich sehe.

Kain: Also eine Spezialbeobachtung...
Rossmann: Eine Spezial- und eine generelle Beobachtung, und jedesmal wieder öffentlich machen und nachschauen, wo hakt's, warum tut sich noch nichts. Es wird uns ein Vergnügen sein.

Kain: Und wird jetzt das VB von den Parlamentarierinnen quer durch alle Parteien unterstützt oder gibt's Unterschiede?
Rossmann: Ja, es gibt schon Unterschiede. Die Grünen und die Liberalen haben von Anfang an gleich gesagt, das unterstützen wir voll. Bei der SPÖ war es sofort ein bißchen gespalten, da war beim Großteil der Frauen sehr viel Zustimmung da. Bei den meisten Männern war die Schrecksekunde relativ lang und teilweise dauert sie noch an. In der ÖVP war's natürlich so, daß offenbar der klubinterne Druck so groß war, daß niemand dafür ist. Anders kann ich es mir nicht vorstellen, weil die eine oder andere Frau durchaus engagiert war.

Kain: Und wie wird das begründet?
Rossmann: Naja, ich erleb's einfach so: Die eine oder andere Frau von der ÖVP ist zu mir gekommen und hat gesagt: Also ehrlich gestanden, finde ich eh' ganz wichtig, daß da endlich was passiert, aber ich kann leider nichts tun, es geht bei uns nicht. Man kann es auch Feigheit nennen, aber ich möchte nicht werten. Bei den ÖVP-Männern ist es so, daß ich seit langem eine öffentliche Diskussion mit Andreas Khol führen will, und er läßt jedesmal ausrichten, mit der diskutiere ich nicht einmal. Ich erzähle das jetzt möglichst oft, möglichst öffentlich, weil irgendwann, denke ich mir, muß er doch bereit sein, seine Feigheit zu überwinden und mit mir diskutieren und das wäre mir ein Vergnügen.

Kain: Wahrscheinlich hält er es auch für ein Orchideenthema.
Rossmann: Das kann schon sein.

Kain: Gibt es einen Überblick, wo Österreich im europäischen Vergleich steht, in punkto Gleichbehandlung?
Rossmann: Es ist unterschiedlich in Wirklichkeit. Es gibt gewisse Punkte, da sind wir gar nicht so schlecht und andere, da sind wir ziemlich hinterher. Wo wir sehr hinterher sind, sind viele der informellen Geschichten. Also, Umgang mit Frauen im Arbeitsleben, da erzählen mir immer wieder Frauen, z.B. aus Italien oder Deutschland, daß bei ihnen nicht möglich wäre, daß eine Sekretärin mit 45 Jahren als "Mäderl" bezeichnet wird. Dieser ganz direkte patriarchalische Zugang, auch in der Arbeitswelt, hat sich in Österreich offenbar am längsten gehalten und dann ist eines noch, bei den harten Fakten: Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist ziemlich unter dem Durchschnitt. Es gibt verschiedene Berechnungen, daß in Österreich zur Zeit ca. 60% der Frauen im Erwerbsalter tatsächlich erwerbstätig oder in Arbeitslosigkeit sind, während man EU-weit - beachtenswerterweise ist das nie erhoben worden, es gibt keine einheitliche EU-Zahl - wenn man sich das hochrechnet, auf ca. 8% mehr kommt. Und in den skandinavischen Ländern liegt's zwischen 70 und 85%. Und das Arge in Österreich ist ja, daß die Erwerbsbeteiligung der Frauen zur Zeit wieder sinkt. Das ist natürlich nicht freiwillig, das ist schon das Verdrängen, zurück zum Herd, wobei bei diesem Sinken noch nicht einmal das Sparpaket drinnen ist.

Klinger: Nochmals zu den politischen Parteien. Gibt es auch innerhalb der FPÖ Frauen, die Zustimmung zum VB geäußert haben?
Rossmann: Ich habe mit denen nie selbst geredet, muß ich dazu sagen, aber die Ursula Haubner zum Beispiel, hat eine Aussendung gemacht, daß sie es unterschreiben wird, daß sie es unterstützt. Wenn die Freiheitlichen jetzt unser Frauenprogramm übernehmen, ist das ja in Ordnung, allerdings sind meine Zweifel relativ groß. Ich zitiere aus dem Haider-Buch "Die Freiheit, die ich meine": "Die feministische Illusion von der Selbstverwirklichung der Frau und Mutter im Beruf hat sich als verhängnisvoller Irrtum verwiesen" und "Der Zwang zum Verdienen bringt sie dazu, ihre Aufgabe als Mütter zu vernachlässigen" und "Wir müssen Frauen dazu ermutigen, was ihr ureigenstes Anliegen ist, nämlich ihr Kind groß und tüchtig werden zu sehen und sich ihm zu widmen". Und irgendwie hat Haider in der Partei doch das Sagen.

Danielczyk: Wie ist die Stellung der Kirche zum FVB?
Rossmann: Die offizielle männliche Kirchenleitung, hat, soweit ich weiß, noch nichts dazu gesagt. Die katholische Frauenbewegung ist dafür.

Danielczyk: Warum enthält sich die offizielle Kirche einer Stellungnahme?
Rossmann: Wenn ich versuche, es real zu sehen: sie werden sich schwertun damit. Einerseits, bei sozialpolitischen Sachen, da sind sie ja gar nicht so schlecht, wenn man sich anschaut, was in der Wirtschaft passiert, und was die Bischofskonferenz zu Sozialthemen gesagt hat, da sind sie ziemlich fortschrittlich, allemal. Wenn's dann darum geht, daß Frauen nicht in erster Linie für die Kinder da sind, sondern gleiche Chancen im Erwerbsleben vorfinden sollten, dann werden sie schon ein Problem haben damit. Wobei ja inzwischen selbst der Papst sagt, daß die Frauen im Beruf gleiche Chancen haben müssen. Er sagt nie Frauen, sondern immer Mütter. Mütter im Beruf - Frauen kommen bei ihm sowieso nicht vor. Das habe ich recherchiert für mein Kirchenbuch, das war entzückend. Das Bild dahinter ist schon das: Frauen müssen in der Lage sein, ihre Kinder zu betreuen und dürfen nebenher arbeiten.

Klinger: Zu einem Punkt des Volksbegehrens, der Förderung von Unternehmen unter dem Aspekt der Gleichbehandlung: Bei den meisten Unternehmen trifft es nicht zu, daß Frauen in allen Ebenen gleichwertig vertreten sind. Gibt es einen zeitlichen Rahmen, innerhalb dessen die geforderte Gleichstellung in die Praxis umgesetzt werden muß, um die Förderungswürdigkeit glaubhaft zu machen? Vom aktuellen Stand ausgehend, würden ja wohl nur sehr wenige Unternehmen diese Kriterien erfüllen.
Rossmann: Wir sagen, Unternehmer haben dafür zu sorgen, daß das passiert, das heißt nichts anderes, als daß sie zumindest ab sofort geeignete Pläne erstellen müssen, die dazu geeignet sind, daß Frauen wirklich in allen Positionen eine Chance haben. Also, ich gehe davon aus, daß, um öffentliche Gelder zu bekommen, schon jetzt alle möglichen Unterlagen beigebracht werden müssen, daß alles mögliche geprüft wird, und daher sollte auch geprüft werden, ob entsprechende Pläne vorhanden sind, und ob diese Pläne geeignet sind, dazu zu führen, daß es auf allen Ebenen ein faires Geschlechterverhältnis gibt. Wenn sich jetzt wirklich Frauen für gewisse Jobs nicht melden, ist das nicht das Problem, aber es muß der Betrieb nachweisen, daß er Frauen grundsätzlich dieselben Chancen einräumt. Umgekehrt gilt das natürlich auch für Männer, das ist auch klar.

Klinger: Und wer soll das bzw. wer wird das dann überprüfen, wenn das durchgeht?
Rossmann: Das ist relativ simpel. Bei der Förderungsgewährung müssen alle möglichen Unterlagen beigebracht werden, und da müssen auch die Pläne beigebracht und als geeignet empfunden werden.

Klinger: Wie waren bisher die Reaktionen von Frauen außerhalb des parlamentarischen Spektrums, sagen wir in einem linken Bereich, z.B. aus dem Umfeld KPÖ oder aus dem Umfeld autonomer Frauen, auf das Frauenvolksbegehren?
Rossmann: Die Heidi Ambrosch, die die Frauenpolitik der KPÖ macht, war von Anfang an mit dabei. Das ist irgendwie relativ simpel und die unterstützt's nach wie vor. Frauen aus dem linksautonomen Bereich, die ich kenne und mit denen ich sonst auch Sachen mache, sagen, es ist höchste Zeit, daß etwas passiert und sie unterstützen uns. Es gibt aber viele, die eben sagen, es geht ihnen nicht weit genug.

Kain: Habe ich das von der Taktik richtig verstanden, nach dem berühmten ersten Schritt soll es viele, viele Schritte geben?
Rossmann: Natürlich. Es muß sowas wie einen Aufbruch geben. Und wenn der einmal geschafft ist, dann sind natürlich viel mehr Frauen und auch Männer, die mitarbeiten wollen, motiviert. Und da kann sich mehr tun, dann ist der Druck stärker auf die Politiker, dann müssen sie wieder mehr zuhören.

Kain: Wenn man ein paar Forderungen zu Ende denkt, hieße das ja Umverteilung.
Rossmann: Ja, natürlich...

Kain: ...Und damit ist es aber auch eine politische Frage.
Rossmann: Das ist schon klar. Ich sage jetzt gar nicht mehr Umverteilung, ich sage gerechte Verteilung und das ist eine Verteilung von oben nach unten. Es werden ständig ein paar Leute reicher und reicher und immer mehr Leute werden ärmer. Also, wem's da nicht einleuchtet, daß man da was tun muß, ja bitte. Was mich schreckt, ist, daß es vielen Leuten nicht klar wird, die selbst in Gefahr sind, eher zu den ärmeren zu gehören. Das hängt auch damit zusammen, daß das Thema Umverteilung momentan einfach tabuisiert ist.
Ich bin wirklich nicht dafür, alles zu verstaatlichen, ich bin nicht dafür, zu sagen, Unternehmer dürfen keinen Profit mehr machen. Es stellt sich aber die Frage, wo eine zulässige Grenze des Profits liegt. Wenn Unternehmer schon zu dumm sind, zu begreifen, daß sie Arbeitnehmer haben müssen, denen es halbwegs gut geht, um den sozialen Frieden zu sichern, durch den sie ja profitieren, um zu sichern, daß sie Absätze haben, dann muß man halt politisch argumentieren. Momentan passiert es halt nicht so, vielleicht können wir es durch die Frauendiskussion wieder ein bißchen in Gang bringen. Festzuhalten ist: Frauen verdienen deutlich weniger, sind teilweise in Bereichen, wo sie von ihrem Einkommen nicht mehr leben können, ja, und das wollen wir eben nicht.

Kain: Hoffentlich wird's was...
Rossmann: Das hoffe ich auch. Wir bemühen uns, und, wenn alle, die finden, daß es grundsätzlich eine gute Idee ist, etwas dafür tun, dann muß es gelingen. Es ist eine Frage der Mobilisierung und der Wellenbewegung.

Kain: Wie spielen die Medien mit?
Rossmann: Es besteht Angst, wenn man direkt gegen das Frauen-VB scharf ist, ist man somit gegen die Frauen und das kann man ja doch nicht sagen, das könnte uns ja was kosten. Also ist man dann gegen einzelne Punkte und sagt halt "unvernünftig" oder "Frauen können halt nicht so logisch denken, wenn' s um wirtschaftliche Sachen geht". Ich kenne schon viele Journalistinnen und Journalisten, die sagen, he, super, daß sich endlich etwas tut, die natürlich auch in den letzten Jahren unter nicht geringem Druck standen, daß Sozialthemen, jetzt frauenübergreifend, nicht mehr gefragt und Wirtschaftsthemen, wirtschaftsliberale Themen in waren bzw. sind. Und es gibt genug Journalisten, die sich Gegebenheiten anpassen. Wenn sie jetzt eher wieder die Chance haben, mit sowas andere Sachen zu transportieren, sind sie eigentlich recht froh. Und dann gibt's die, die eh' ständig, zumindest soweit es gegangen ist, Widerstand geleistet haben, und die sagen, super, was nur geht, tun wir.

Danielczyk: Wie ist eigentlich die Stimmungslage, was das VB angeht, am Land, in kleineren Gemeinden?
Rossmann: Es ist irrsinnig schwer einzuschätzen. Wir werden versuchen, ziemlich viele Straßenaktionen zu machen, um zu den Frauen direkt hinzukommen. Teilweise ist es ganz lustig, gewisse wenige Frauen sehen das als Racheaktion, so, jetzt einmal wenigstens können wir es den Männern heimzahlen.

Kain: Aufbruch auf dem Lande...
Rossmann: Das ist das Kernproblem, da wird man sehen, wie weit es wirklich geht. Es sind halt Vorurteile abzubauen, es gibt halt wirklich noch seit den 70ern das Schreckgespenst der Emanzen, der Feministinnen, das bewegt sich in Kategorien, wo man nicht mehr argumentieren kann.

Klinger: Was sagen eigentlich die Unternehmer zum FVB, das ja doch Auswirkungen hinsichtlich der Kosten hätte, gerade in einer Phase, wo die Suderei über personalkostenbedingte Wettbewerbsnachteile ständig breiteren Raum einnimmt?
Rossmann: Sie halten sich bedeckt, sie haben das Gefühl, sie können nicht offiziell dagegen auftreten, weil das eben nicht opportun ist, andererseits sind sie sicher nicht dafür. Wenn es eine faire Lastenverteilung geben soll, werden auch die Unternehmer ihren Teil dazu beitragen müssen, auch im Hinblick auf Kinder, auf Kinderbetreuung. Alle Unternehmer finden es wichtig, daß es in Österreich ausreichenden Nachwuchs gibt, auf der anderen Seite wollen sie nichts dafür tun, da ist es ihnen plötzlich egal. Und genauso bei diesen Flexibilisierungsmaßnahmen, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird weiß Gott wieviel Flexibilisierung verlangt, wenn man dann einem Unternehmer sagt, Väter und Mütter mit kleinen Kindern sollen ein Recht auf Teilzeit haben, dann sagen sie, das ist nicht zu machen, das kann man nicht organisieren. Die müßten halt auch flexibel sein.

Kain: Wir alle müssen den Gürtel enger schnallen. Mit dem Sparpaket ist es so: der Herr Wiener Bürgermeister spürt es recht und die anderen spüren es gar nicht. So ist das.
Danielczyk: Öffentlicher Protest und Österreich, das paßt anscheinend wirklich nicht zusammen...
Rossmann: ...Und deswegen denke ich mir gerade, daß das so notwendig wäre, diese neue, vielleicht etwas andere, Art der Politisierung, wir können es selbst machen, wir müssen nicht warten, bis jemand etwas erledigt, wir protestieren selbst, mischen uns ein, fordern eine andere Art der Politik. Da, denke ich mir, ist das Frauenvolksbegehren auch ein Zeichen hin zu dieser eher bürgerlichen Gesellschaft, die nicht so stark obrigkeitsstaatlich denkt, das wäre für mich in Wirklichkeit eine zentrale Geschichte. Ich sage immer bei Veranstaltungen: "Lieber als ein starker Mann sind mir viele starke Frauen (und Männer, natürlich)." Dieses Gefühl, selbst etwas bewegen zu können, hat schon etwas an sich, und das müssen viele erst wieder bekommen.

Klinger: Wie wird diese ganze organisatorische Arbeit eigentlich finanziert?
Rossmann: Wir haben erstens einmal nicht gerade besonders viel Geld, es gibt ein paar öffentliche Stellen, die uns subventionieren, das ist das Frauenministerium, ein Teil der Stadt Wien, die Grünen, die Liberalen lassen ein bißchen ein Geld aus, und dann sehr viele freiwillige Spenden. Es gibt durchaus Frauen, aber auch gar nicht so wenige Männer, die spenden. Bei den Landesinitiativen läuft es genauso, vom Prinzip her. Dazu kommt, daß wir, die das machen, alle gratis dafür arbeiten, natürlich, und ich denke mir, ein paar von uns können sich das schon leisten, das ist auch eine Form der Umverteilung. Viele Sachen, die uns öffentlichkeitsarbeitsmäßig einfallen würden, die können wir nicht machen, weil wir nicht soviel Geld haben. So muß man halt immer versuchen, zu bündeln, also diese Mischung von Veranstaltungen machen, mit Frauen direkt reden und natürlich sehr wichtig, über Medien zu arbeiten.
Wobei wir jetzt, im letzten Monat, noch ziemlich durchstarten müssen. Jetzt's geht darum, klarzumachen, Eintragungswoche vom 7. bis 14. April auf dem Gemeindeamt, geht's wirklich hin und geht's unterschreiben, das sind so Grundbotschaften, die ganz deutlich kommen müssen. Und auch so die Grundbotschaft, was ist es eigentlich? Nichts anderes als ein Mindestkatalog der Frauen, der dazu führen soll, daß es Frauen wirklich einmal gelingt, gleiche Chancen und gleiche Rechte zu haben. Und nichts anderes, als daß es einfach an den Bürgerinnen und Bürgern selber liegt, dafür zu sorgen, welche Politik sie haben wollen. Wenn wir das vermitteln können, ist es optimal.

Kain: Also es hat auch einen demokratischen Aspekt ...
Rossmann: Ja, selbstverständlich. Das ist auch das, von dem ich hoffe, daß es überbleibt, unter anderem, abgesehen von der Verbesserung der Lage der Frauen, gerade, wenn man sich anschaut, wieviel jetzt an Gegendemokratisierung eigentlich läuft - und da meine ich nicht nur die parteipolitische Landschaft, sondern durchaus auch wirtschaftliche Sachen - so wichtig ist es eigentlich dann, den Menschen selbst irgendwie einen Anhaltspunkt zu geben, daß es nicht so sein muß.

Klinger: Die bedingungslose Flexiblisierung der Arbeitszeit läuft auch in vielen Fällen auf eine Entdemokratisierung hinaus, weil ja die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die davon betroffen sind, sehr oft dastehen und nicht wissen, wie sie das mit ihrem Leben, mit ihren familiären Verhältnissen ins Reine bringen sollen...
Rossmann: Selbstverständlich. Das ist ja eine der Geschichten, warum Frauen sich noch immer weniger am öffentlichen Leben beteiligen, also in Parteien und rundum, als Männer, weil sie oft einfach nicht die reale Möglichkeit haben, wenn sie arbeiten gehen und den Haushalt und die Kinder haben usw., fehlt ihnen die Chance. Wenn man Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen so flexiblisiert, daß sie zu nichts anderem mehr kommen, und zum Denken schon gar nicht, dann nimmt man ihnen die Demokratie damit.

Kain: Wenn man so unterwegs ist, spürt man, daß sich etwas bewegen könnte...
Rossmann: An manchen Tagen denke ich mir, es geht super. Und dann denke ich mir wieder, sei vorsichtig, ganz so ist es noch nicht. Aber das Gefühl ist schon da, daß sich etwas bewegen könnte, daß es schon erste Anzeichen gibt. Und das alleine ist mir schon wichtig. Ich mache ganz einfach das, was ich dazu beitragen kann, das bin nur ich, aber wenn es viele machen, dann wird's gehen. Wenn man etwas macht, daß einen sehr bürgerlichen, einen Ansatz zur Bürgerdemokratie hat, kommt sehr schnell die Frage: "Ja, Sie sind die Initiatorin des VB....". Oder, das erlebt die Elfi Hammerl immer wieder, wenn sie herumfährt, daß dann uns fast schon wieder eine Hierarchie aufgedrückt wird, daß wir dann wieder sagen sollen, was diese Frauen tun sollen, was die Leute tun sollen, das ist unglaublich tief drinnen. Klar, wir stehen vorne und versuchen, Inhalte zu vermitteln, aber was herauskommt, ist nicht, was ich bin, sondern, es kann nur etwas widerspiegeln, was wir alle sind. Und das ist ein spannender Prozeß, finde ich.

Dr. Eva Rossmann, Mitinitiatorin des Frauenvolksbegehrens, ist als freiberufliche Journalistin und Buchautorin tätig.


April 97
wir lesen hören schauen linz