Die 11 Forderungen
des Frauen-Volksbegehren
und Erläuterungen dazu
Die UnterzeichnerInnen des Frauenvolksbegehrens fordern den Beschluß
folgender bundesgesetzlicher Maßnahmen:
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz
zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden)
verpflichten sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligung
von Frauen.
Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende
gesetzliche Maßnahmen herzustellen:
1. Unternehmen erhalten
Förderungen und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür
sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem
Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.
Das Gleichbehandlungsgesetz reicht nicht aus, um Frauen tatsächlich
gleiche Aufstiegsmöglichkeiten im Erwerbsleben zu sichern. Um das zu
ändern, sind Förderungen und öffentliche Aufträge so
zu vergeben, daß Unternehmen, die sich nicht darum kümmern, daß
Frauen die gleiche Chance bekommen wie Männer, einen finanziellen Nachteil
hinnehmen müssen. Unternehmen jedoch, bei denen entweder Geschlechterparität
herrscht, oder bei denen zumindest geprüfte Pläne und Etappenziele
vorliegen, können durch ihre frauenfreundliche Politik einen finanziellen
Vorteil (=öffentliche Aufträge und Subventionen) erhalten.
2. Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist anzustreben. Deshalb
ist ein Mindesteinkommen von 15.000,-- öS brutto, das jährlich
dem Lebenskostenindex angepaßt wird, zu sichern.
Im Jahr 1996 verdienten Frauen immer noch nur 67% der Männer-Einkommen
(für gleichwertige Arbeit). Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
ist immer noch Illusion. Tätigkeiten, die als "typische"
Frauenberufe gelten, werden finanziell niedriger bewertet. Ein Mindesteinkommen
von öS 15.000 brutto würde dazu beitragen, die Kluft zwischen
Frauen- und Männerlöhnen zu verringern.
3. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits-
und sozialrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen.
Derzeit gibt es bis zur Regelarbeitszeit keine Überstundenzuschläge.
Das ist zu ändern. Geringfügig Beschäftigte sind nur unfallversichert,
diese Personen können keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, Pension,
Karenzgeld und Krankenversicherungen geltend machen. Eine sozial- und arbeitsrechtliche
Gleichstellung dieser Personen ist mit Hilfe der Forderung 3 anzustreben.
4. Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage.
Das Individualbesteuerungssystem, welches eine der Säulen eines
selbstbestimmten Lebens der Frauen darstellt, wird an zwei Stellen wesentlich
durchbrochen: Ab einer gewissen Einkommenshöhe des Partners wird keine
Notstandshilfe bezahlt, und außerdem wird die Ausgleichszulage zur
Pension nach dem gemeinsamen Einkommen der Partner berechnet. Diese Verstöße
gegen das Prinzip der Individualbesteuerung sind aufzuheben.
5. Die Gleichstellung der Frauen muß auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen
gefördert werden. Die Bundesregierung hat geschlechtsspezifische
Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu erstellen und jährlich
zu veröffentlichen.
Frauen müssen Qualifikationsmöglichkeiten, die vom Gesetzgeber
und von der Verwaltung geschaffen werden, nützen können, um niemandem
die Möglichkeit zu geben, sich auf mangelnde Qualifikation der Frauen
ausreden zu können.
6. Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher
hat der Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger qualifizierter
Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen zu sorgen. Tagesmütter
sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.
Es ist darauf Bedacht zu nehmen, daß Kinder und Beruf für Mütter
und Väter vereinbar sein können. Deshalb besteht das Recht auf
eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Kinderbetreuungsplätzen.
Kinderbetreuung durch Tagesmütter und -väter ist als Beruf zu
verstehen.
7. Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen.
Lebenspartner haben gemeinsam Anspruch auf zwei Jahre Karenzzeit pro
Kind, AlleinerzieherInnen aber bloß auf eineinhalb Jahre. Diese Diskriminierung
der AlleinerzieherInnen ist zu beseitigen.
8. Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern
bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollarbeitszeit.
Um Kinder und Beruf besser vereinbaren zu können, ist ein gesetzlich
garantiertes Recht auf Teilzeitarbeit für Väter und Mütter
bis zum Schuleintritt ihres Kindes einzuführen.
9. Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf
26 Wochen.
Derzeit werden viele Frauen während ihrer vierwöchigen Behaltefrist
nach der Karenzzeit gekündigt. Dadurch sind sie nicht in der Lage,
wieder einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben und müssen so
aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Ausdehnung der Behaltefrist auf 26
Wochen würde den Anspruch auf Arbeitslosengeld neu entstehen lassen
und verhindern, daß Unternehmer auf Kosten der Frauen mit kleinen
Kindern Arbeitskräfte abbauen.
10. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter
dem Existenzminimum liegen darf. Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig
ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung
und Pflegearbeit wirken pensionserhöhend.
Rund ein Fünftel der Frauen im Pensionsalter hat derzeit keine eigene
Pension. Wichtiger Teil der Selbstbestimmung von Frauen ist es, auch im
Alter über eigenes Einkommen zu verfügen. Deshalb ist für
Frauen und Männer eine Grundpension zu sichern, die nicht unter dem
Existenzminimum liegen darf.
11. Keine weitere Anhebung des Pensions-Antrittsalters für Frauen,
bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen
gegeben ist.
Das Pensions-Antrittsalter der Frauen wird bis zum Jahr 2028 schrittweise
an das Pensions-Antrittsalter der Männer herangeführt. Vorgezogene
Anhebungen des Pensions-Antrittsalters von Frauen wären nur für
den Fall gesetzeskonform, daß bereits nachweislich in allen Bereichen
die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern gegeben
ist.