SPÄTES FRÜHSTÜCK IM |
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Langsam trete ich angespeiste Luft.
Dabei habe ich durchaus Gründe, glücklich zu sein: Ich habe nämlich
soviele Außenstände, in allen erdenklichen Sinnen, daß
mir die Verbindlichkeiten nie nicht ausgehen werden. Verbindlichkeiten
sind schön.
Andererseits wiegen meine Trägheiten und ich immer öfter so schwer,
daß wir mehr und mehr mit den Liften fahren, die sich bieten. Und
sie bieten sich! So gesehen ist es schön in Wien zu sein, denn hier
haben auch die U-Bahn-Stationen in der Regel Lifte. Linz funktioniert ja
viel ebenerdiger, darum mußte ich mir dort immer überlegen wie
ich mich bewege. Natürlich immer von oben nach unten, dann konnte
ich den Schwung mitnehmen. Trotzdem bin ich dann einmal stehen geblieben
und mußte so logisch eigentlich schwunglos weitergehen.
Aus und mit mir selbst heraus. Weg. Das ist heute noch anstrengend und
auch hier sind die Lifte dann doch eine zu kleine oft eigenwillige
Minderheit.
Der Trost hält sich nobel zurück, Schlingel der er ist.
Er braut seine Gegengifte ganz gemächlich, wenn überhaupt. Die
Zeiten zwischen zum Beispiel den Konzerten oder Platten oder
Liedern, die mir Hügel zum Schwung nehmen bauen, werden immer länger.
Ängstlich, wie ich auch bin, habe ich schon eine Angst, daß
sie gar nicht mehr kommen wollen. Wenn sie dann kommen, muß ich immer
mehr rundum ausschalten, damit ich den Hügel noch sehen und benutzen
kann. Und mit dem Ausschalten ist das auch so eine Sache. Das geht mir
nicht mehr so leicht von der Hand. Ich möchte ja, vielleicht ein wenig
willkürlich, in den nächsten Zeiten möglichst eingeschaltet
sein. Überhaupt, es ist ja ein Skandal, wieviel da immer rumstehen
muß um diese zum Beispiel schöne Musik. Immer öfter
stellt sich ja aber auch heraus, daß es Lufthügel sind, von
denen ich mir nur einen Luftschwung holen kann. Da schlage ich dann immer
ganz furchtbar auf und mag mich gar nicht mehr rühren. Oder abgelaufene
Hügel, die Hügel von jemand anders.
So gesehen kein Wunder, daß mir auch früher einmal die Stimme
weggeblieben ist, wie ich meine eigene Vergangenheit wiederaufführen
wollte. Das hatte ich schon gesagt. Daran hatte ich mich schon heiser geschrien.
Vom Wohnen im Hotel Kummer und im Hotel Friendship habe ich schon erzählt.
Die Verwaltung hat mich ja jetzt auch was bleibt einem schon übrig?
im Erinnerungshotel einquartiert, bis ich mir über meine weiteren
Reisen gefälligst im klaren bin. Oder eben eben nicht. Sie haben mir
einen überraschend hohen Stock zugestanden. Die Zimmer sind dort besser,
sagt der Portier, ansonsten ein sekkanter Mensch. Der Lift hat sein Eigenleben
ich bin mir auch sicher, daß er mit der Regierung verschworen
ist der hält, wo er will. So wird eine Verabredung zum Frühstück
ein kleines Abenteuer. "Ein Treppenhaus ist zu gefährlich",
sagt der Portier und grinst abgestanden in seiner abgestandenen Uniform
in seiner abgestandenen Portiersloge, in der er ein fast-vollvergilbtes
Bild der ersten Filmnackten der Geschichte hängen hat, "könnte
sie an Hügel erinnern!". Es heißt, wir wohnen in einem
ehemaligen Kurhotel.
Unter uns Gästen geht die Geschichte von einem anderen Gast
um, den der Lift in einer versunkenen Etage ausgesetzt hat. Als er wiederauftauchte
ich traf ihn zufällig an seinem letzten Tag bei einem späten
Frühstück, das er mehr großflächig und fleckenintensiv
über seine Kleidung verteilte als aß konnte man ihn in
seinem Zimmer immer Schreien hören. "Verscheißerrrrrrrrrrn",
schrie er, rollte das "r" wie verrückt und setzte dann ein
heiseres, sehnsüchtiges "Neutralität" nach. Er soll
Geschichtslehrer gewesen sein. Er fand sein Ende, als er von einem Lufthügel
auf den Boden seines Zimmers krachte. Er mochte sich dann nicht mehr nur
nicht mehr nicht rühren er konnte nicht mehr, nie wieder!
Nach meinen späten Frühstücken gehe ich nicht mehr so viel
aus, wie vielleicht noch vor einem Jahr. Ich bin es leid, auf Hügel
zu hoffen. Ich habe ja jetzt auch eine Freundin. Dieser Satz und dieser
Umstand ist sehr erstaunlich. Erbaulich. Sie besucht mich oft und wir reiben
uns dann freudig aneinander. Ohne uns allerdings in der Regel aufzureiben,
wie an all den Dingen und Menschen vor dem wirklich einladenden Hotel-Portal
draußen . Sie hat auch ihre eigenen Hügel meine teure Freundin,
kleinere wohl, von denen sich wenigstens meine Finger (und andere, in der
Regel weniger sichtbar getragene Teile) Schwung holen können.
Sie hat auch schon um ein Zimmer im Hotel angesucht. Wir werden sehen.
Bis dahin vermeide ich es, Tagebuch zu schreiben, und hänge
mir möglichst wortlos nach und mit mir um. Mit dieser Sprache ist
es ja auch so eine Sache. Solange sie nicht völlig klar ist, trägt
sie nur zur Verwirrung und Verstellung bei. Meine Bücher habe ich
längst der Heilsarmee vermacht.
Wenn ich doch rausgehe, manchmal, vergesse ich nie, mir Pistazien zu kaufen.
Ihre Schalen spucke ich auf die Menschen, die unter meinem Zimmerfenster
vorbeigehen. Die Krähen vom Dach krähen dann immer ganz anerkennend.
Die Pistazien machen mich auch meinen Hunger vergessen, bis ich wieder
mit dem Lift zu einem späten, ungewissen Frühstück aufbreche.