HILLINGERS EU-TAGEBUCH

1. Jänner

Und wieder ists ein neues Jahr. Die wohl einzige Frohbotschaft: DER HILLINGER WIRD BILLIGER. Wir können uns das leisten, weil, so Markus Binder, "den hillinger eh kaner kauft".

Ich lebe in einer Umgebung, wo, sobald im Fernsehen das Staatsoberhaupt erscheint und - heuer krankheitsbedingt mit Eunuchenstimme - zur Neujahrsansprache anhebt, der Ton abgedreht wird. Allerdings habe ich des HBPs Rede zuvor mit einem Ohr schon im Radio gehört, beim Krenreiben für einen köstlichen und gesunden Raunersalat. Eine Worthülse nach der anderen - a Schas mit Quasteln, wie der Wiener sagt - so möchte ich auch einmal mein Geld verdienen, dem HBP einen Wörterteppich verfertigen, beliebig umgruppierbare Nadelfilzquadrate im übertragenen Sinn genügen da, für den HBP als Orientierung, wann er mediengerecht die Stirn furchen, das Gebiß zeigen oder mit der Faust auf und niederfahrend sehr bedeutungsvoll tun soll. Deshalb weiß ich, daß Thomas Klestil, als er so dramatisch besorgt drein schaut, von uns in der EU spricht. Daß wir nämlich der EU erst unsere Leistungsfähigkeit beweisen müssen. Ojeojeoje.

Ein wenig später heißt uns der Media Markt wieder im freien Markt willkommen. Nach zwei Jahren EU wird der freie Markt für den einen oder die andere schon sinnlich erfahrbar. Der Media Markt trägt seinen Teil dazu bei, die Ösis vom sozialistisch-gewerkschaftlichen Grind zu befreien, der sie verkrüppelt hält und daran hindert, sich der Choreographie des freien Marktes entsprechend zu bewegen. Betriebsräte gibt es keine im freien Markt, die GPA hat trotzdem einen Dienstvertrag des Media Marktes in die Hände bekommen. Wer dort arbeiten will, darf nicht um einen Kuraufenthalt angesucht haben, die Aufteilung der Arbeitszeit bestimmt allein der Dienstgeber, die Überstunden, für die es nur eine Pauschale gibt, müssen täglich schriftlich geltend gemacht werden, sonst verfallen sie. Nach Beendigung des Dienstverhältnisses darf man bei einer Vertragsstrafe von 700 000 Schilling ein Jahr nicht bei einer Konkurrenzfirma arbeiten... Willkommen im freien Markt, wo auf Kollektivvertrag, gute Sitten und österreichische Rechtssprechung geschissen wird.

2. Jänner

Ich lese die OÖN vom 24. Dezember. Der EU-Gerichtshof hat den Beschluß aufgehoben, daß der Sonntag zur wöchentlichen Ruhezeit von mindestens 24 Stunden gehört. Damit steht der Sonntag als arbeitsfreier Tag auf der Abschußliste. Die alten Zeitungen sind Teil meiner guten Vorsätze und gleichzeitig Teil meines persönlichen Sparpaketes: Für österreichische Zeitungen werde ich 1997 kein Geld ausgeben.

17. Jänner

Aufgrund eines Koordinationsfehlers gibt es heute kein warmes Abendessen. Das EU-Parlament beschließt die Novel-Food-Verordnung. Im Kühlschrank ist noch allerhand Kleinzeug. Eine Mini-Salami, ein französischer "Energie-Snack". Schmeckt gut, überhaupt kein Verlgeich mit der Knabbernossi. Allerdings hat sie eine "Miteß-Pelle". Im "Produktpaß" der Würstel steht, fein zermahlene Fettstückchen würden nur den falschen Eindruck erwecken, in der Wurst sei kein Fett. Man schaut auf kleine Speckbröckerl und denkt "Miteß-Pelle". Als Nachspeise gibt es einen Vanillepudding mit Sauerkirschsoße vom Hofer. Aber oho, was steht da kleingedruckt? Cochenillerot. Nachdem der Haider im Fernsehen vor der EU-Wahl das spanische Joghurt geschwenkt hatte, setzte es 1000 Dementis: Bei uns nicht. Damit wir uns recht verstehen. Hier geht es um keine Attacke gegen den Hofer - ewig möge er die Brieftaschen erfreuen - auch soll dem Haider nicht rechtgegeben werden. Ganz im Gegenteil: Mit Genuß esse ich die Sauce mit der Farbe von der kleinen roten Laus, die schon bei den Azteken im Dienste der Menschheit stand - mehr über die Cochenillelaus bei Egon Erwin Kisch: Entdeckungen in Mexiko: Kolleg: Kulturgeschichte des Kaktus. Käme das Rot von einem gentechnisch veränderten und anschließend weiter verarbeiteten Ding, würden wir es nach dem neuen Gen-Gesetz gar nicht erfahren. Nur unsere Schießbudenfiguren im EU-Parlament, die dem von der EU-Kommission diktierten Gesetz zugestimmt haben, feiern sowas als Erfolg für die KonsumentInnen.


Februar 97


wir lesen hören schauen linz