AUFKLÄRUNG und DIALOG

Interview mit Reinhard Kannonier
für hillinger, geführt am 18.12.1996

Eugenie Kain: Die wissenschaftliche Auswertung der Erfahrungen mit der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht wird noch dauern. 3 Tage vor Schluß der Ausstellung dürfte es aber Anzeichen für eine positive Bilanz geben. Reinhard KannonierReinhard Kannonier: Die Bilanz ist sicher positiv. Was die Besucherzahlen anbelangt, wird es ein Rekord werden. Das ist es heute schon. In Klagenfurt waren 12.000 BesucherInnen, in Wien eigenartigerweise nur 7.000. Noch wichtiger als das Quantitative ist das Qualitative, also was da an breiter Diskussion passiert ist. Es melden sich Leute, die etwas erzählen wollen. Heute hat eine Frau aus dem Salzkammergut angerufen, die möchte etwas über die Alpenfestung erzählen. SS-Leute wären da bei ihr im Haus gegen ihren Willen einquartiert gewesen und sie hat da Widerstand organisiert...Oder es kommen Leute mit Bildern. Aus Ohlsdorf kommt einer mit Bildern und das sind die Pendants zu den Bildern, die da hängen. Die hat er 50 Jahre irgendwo gehabt und jetzt kommt er mit den Bildern und bestätigt das. Oder es rufen Leute ganz einfach an und beschimpfen uns, warum müßt ihr das heute wieder aufrollen. Oft sehr emotional. Aber es bewegt sich etwas und das ist für mich das Positivste überhaupt: Dass wir jetzt dort hinkommen, wo wir schon vor 40 Jahren hätten sein sollen.

Es wird eine Dokumentation geben, die aus 3 Teilen bestehen wird: Die Reden und Eröffnungsreden; der Erfahrungsbericht seitens Birgit Hebein als Ausstellungskoordinatorin sowie in Form der soziologischen Auswertung der überaus zahlreichen Fragebogenrückläufe - und dann wollen wir noch das Begleitprogramm dokumentieren. Das war ja eine tolle Sache.
Kain: Was müßte deiner Meinung nach an diese Wehrmachtsausstellung anschließen, um die Kontinuität der Aufklärung zu bewahren? Es ist eine Ausstellung in Hartheim geplant, das war ja LH Pühringers Verweis, dass ohnehin eine andere Ausstellung stattfindet. Es gibt einen Verein, Präsident ist jener Trauttenberg, der die Eröffnungsrede hier gehalten hat. Das wäre der nächste Schritt, dass man Hartheim ins Bewußtsein ruft. Wichtig an dieser Ausstellung ist, dass sie die Traditionslinien aufzeigt, die zu Hartheim führten. Da gibt es Vorläufer, ideologische und rassistische Traditionen. Das ist nicht vom Himmel gefallen, dass das passiert ist. Erich Klinger: Wer hat Interesse, den Mythos der Kriegsgeneration aufrechtzuerhalten und daran, die Spaltung der Generationen ins Gespräch zu bringen? Ich würde unterscheiden zwischen einem direkten Interesse, das Thema gar nicht mehr zu stellen und dem Interesse, das Bild, das von der Wehrmacht bis vor 15 Jahren bestanden hat, so zu belassen. Diese Ausstellung hat Symbolcharakter. Da geht es nicht so sehr um die historischen Fakten, diese Generation ist ja auch nicht mehr so groß. Da leben ja nicht mehr so viele Leute, die davon direkt betroffen sind. Der erste Teil der Antwort ist klar. Leute, die direkt betroffen waren oder beteiligt waren, haben kein Interesse, dass das thematisiert wird. Aber das ist so ein kleiner Prozentsatz, dass das eher ein biographischer Aspekt ist. Dann gibt es den gesellschaftspolitischen Aspekt im weiteren Sinn, der mit der österreichischen Identität zusammenhängt, mit der politischen Kultur in der 2. Republik, die im wesentlichen darauf basiert, dass kritische Fragen, von der nationalen Frage bis hin zur Schuldfrage - Österreich als erstes Opfer usw. einfach ignoriert wurden. Auf einer bestimmten gesellschaftspolitischen Ebene besteht nachwievor Interesse daran, alles so zu belassen wie es ist, weil es so am bequemsten ist. Das sieht man ja auch an Fragen wie der Wiedergutmachung und anderen Schrecklichkeiten, die auch heute noch immer wieder passieren. Und dann gibt es noch eine dritte Ebene im engeren politischen Sinn, wie man das an der Inseratenaktion gesehen hat, die die Freiheitlichen in manchen Zeitungen geschaltet haben, dass halt jetzt umgedreht aktiv damit Politik gemacht wird. Man sagt nicht, man soll nicht darüber reden, man sagt, wir reden schon drüber, aber dann gehen wir in die Offensive: das sind gefälschte stalinistische Bilder, das sind die Linken, die das machen.... Klinger: ...diese Ausstellung wird mit öffentlichen Geldern finanziert... Das war ja der Ausgangspunkt der ganzen Debatte. Also keinen Groschen für diese Ausstellung... Der Inhalt dieser Inserate war in der Sprache wie aus den 30er Jahren. Auch verbal. Dieses Inserat war für mich eigentlich schon ziemlich erschütternd. In der Ausstelltung sehe ich die Sprache der Gewalt und dann lese ich das Inserat, das in Wirklichkeit mit den selben Metaphern arbeitet.

Die ganze Geschichte wäre ja überhaupt nicht passiert, wenn, wie ursprünglich anzunehmen war, zumindest die Stadt Linz die Subvention bewilligt hätte. Wir hätten die Hälfte weniger Medienberichte gehabt, die Aufmerksamkeit wäre wahrscheinlich wesentlich geringer gewesen. Mit der Nichtsubventionierung haben sie in Wirklichkeit genau das Gegenteil von ihrer Absicht erreicht, nämlich eine breite öffentliche Debatte, dadurch ist das Interesse an der Ausstellung ungeheuer gestiegen, das manifestiert sich jetzt in den Besucherzahlen. Alle Erfahrungen, die die Birgit Hebein direkt vor Ort macht, zeigen, dass auch in der Praxis das genaue Gegenteil eintritt. Die Generationen werden nicht gespalten. Ich bin von der Stimmung in der Ausstellung sehr beeindruckt. Es hat kaum Zwischenfälle gegeben. Im Großen und Ganzen finden dort Dialoge statt. Und vor allem Aufklärung. Die Leute sind schon sehr betroffen. Das merkt man, wenn man hineingeht. Wenn aus dieser Betroffenheit ein Dialog entsteht, dann ist das eine andere Ausgangssituation als wenn ein Dialog abstrakt entsteht über irgendwelche Floskeln, über Klischees wie Spaltung der Generationen oder Pauschalverurteilung aller Wehrmachtsangehörigen. Mit diesen, die Dialogfähigkeit untergrabenden, Floskeln und Schutzbehauptungen wird versucht, gegen die Ausstellung zu arbeiten, um zu verhindern, dass die konkrete Auseinandersetzung stattfindet.
Kain: Ich war dreimal in der Ausstellung, da habe ich mehrmals das Argument der Einseitigkeit gehört und zwar nicht nur von älteren Leuten: Man erfährt nichts über die Grausamkeit der Partisanen, kein Wort über die Bombardierung von Dresden, kein Wort über die Vertreibung aus dem Sudentenland. Es ist müßig, zu sagen, das ist nicht Thema dieser Ausstellung. Sie wollen das Thema nicht wahrhaben. Da denke ich mir, dass man die sogenannte Aufbaugeneration zuerst kollektiv in psychotherapeutische Behandlung schicken müßte, damit etwas weitergeht..
Individuell passieren Sachen in der Ausstellung, die psychotherapeutisch sind. Ich hatte vergangenen Sonntag eine Führung. Da kommt eine Gruppe älterer Menschen und fragt, ob sie sich anschließen dürfe, ich sage, warum nicht, wir warten uns im Foyer zusammen, dort ist ein Büchertisch. Ein älterer Herr schaut sich die Bücher an, auch den dicken schwarzen wissenschaftlichen Begleitband mit den Aufsätzen. Er sagt, das habe ich alles gelesen, weil ich kenne mich da aus. Ich war nämlich bei der SS. Da habe ich mir gedacht, na servas, das wird jetzt eine harte Geschichte. Das Gegenteil war der Fall. Er hat gesagt, jeder Satz stimmt. Es kann sich niemand mehr vorstellen, wie verroht wir damals waren. Er hat zum ersten Mal seit 50 Jahren darüber gesprochen. Der Vorwurf der Einseitigkeit ist absurd. Es ist ja immer gesagt worden von uns, es geht um ein ganz präzise umschriebenes Thema und einen ganz präzise beschriebenen Bereich im Südosten Europas. Wir haben auch immer wieder die Gründe erklärt. Dass das ein Rassenkrieg war, dass die Slawen aus dem Blickfeld der Nazis Untermenschen waren, dann darunter noch die Juden, dort haben Millionen von Juden gelebt, insbesondere arme Juden, wo mit dem Klischee des schmutzigen Juden gearbeitet wurde. Dass die Wehrmacht Teil dieser Vernichtungsstrategie im Sinne des Holocaust war, ist ja nichts Neues. Das ist ja schon seit mehr als 10 Jahren in der wissenschaftlichen Diskussion dokumentiert. Das ist natürlich eine Schutzfunktion, dass man sagt, man darf nicht zeigen was war, ohne gleichzeitig zu zeigen, wie schlimm die anderen sind. Die Absurdität ist ja eklatant. Wo kämen wir hin in einer Gesellschaft, wenn man sagt, ich darf einen Mord nicht benennen, weil ein anderer auch gemordet hat. Das wäre eigentlich die logische Konsequenz.

Reinhard KannonierEs ist auch absurd, dem Hamburger Institut Einseitigkeit vorzuwerfen, weil die Ausstellung Teil eines Gesamtprojektes ist: "Angesichts unseres Jahrhunderts" beschäftigt sich primär mit der Frage, wie es möglich war, im Zivilisationsprozeß, im Aufstieg der Moderne, wo Gewalt im Sinne der Aufklärung eigentlich abnehmen müßte, daß wir jetzt am Ende des 20. Jahrhunderts stehen, zurückschauen und feststellen, das ist das Jahrhundert, wo die größte strukturelle Gewalt überhaupt in der Geschichte der Menschheit ausgeübt wurde. Das ist eine sehr spannende Fragestellung, wie die zwei Seiten einer Medaille eigentlich zusammengehören: Zivilisationsprozeß da, Massenvernichtungsmaschinerie dort und eine unglaubliche Verrohung. Da gibt es drei Projekte, die das Institut in diesem Zusammenhang macht. Das eine ist der Schwerpunkt Armenien, wo von 1915 bis 1917 800.000 Armenierinnen und Armenier von der türkischen Regierung umgebracht worden sind. Das war der erste große Völkermord im 20. Jahrhundert. Es gibt auch eine Beschäftigung mit Briefen aus dem Gulag, aus der Zeit, wo es noch nicht zu diesen großen Säuberungsprozessen Ende der 30er Jahre gekommen ist, wo geschaut wird, welche Stränge führen dorthin zu dieser Geschichte. Auch von daher kann man nicht von Einseitigkeit reden.
Klinger: Ich denke mir, es gab eine klare Themenvorgabe und auf ein Thema kann ich mich nur einlassen, wenn ich nichts anderes einfließen lasse. Es ging augenscheinlich darum, die Verbrechen der Wehrmacht am Balkan, in Polen und der Sowjetunion zu zeigen. Das Wichtigste ist, daß dabei wir im Mittelpunkt stehen, Wir sind es, und das ist der Grund, warum die Leute meines Erachtens so emotionalisiert reagieren. Nicht um die Schändlichkeiten der Amerikaner in Vietnam oder der Hutus und Tutsis, nein es geht um uns, um unsere Eltern und Großeltern. Das ist es auch, was so eine große psychologische Spannung aufbaut. Es gibt auch Erfahrungsberichte, daß jetzt in Familien viel mehr diskutiert wird, eigenartigerweise eher zwischen Enkel- und Großelterngeneration. Es ist anscheinend leichter, über eine Generation hinweg zu diskutieren. Der wichtigste Punkt ist, das ist unsere Geschichte. Hier sind die größten Scheußlichkeiten passiert, die je in der Menschheitsgeschichte stattgefunden haben. Beim Volk eines Goethe, Beethoven, Schiller etc. Wenn man zum Beispiel erzählt, daß ein Dokument in der Brieftasche eines Wehrmachtsangehörigen gefunden wurde, die Brieftasche macht man auf. Auf der ersten Seite ist das Bild seiner dreijährigen Tochter, auf der zweiten Seite das Bild seiner Frau, und in der dritten Folie ist das Bild eines erhängten Juden drinnen. Wie geht das in einem Menschen zusammen? In einem Menschen, der ja von hier aus auch nach außen ging. Es ist ja nicht so, daß die Amerikaner in Österreich oder in Deutschland eingefallen wären. Es waren schon die Deutschen und Österreicher, die einen Aggressionskrieg geführt haben. Das ist nicht austauschbar. Man muß die Wurzeln klar benennen. Und eine der Wurzeln ist die Wehrmacht, die schon lange vor Beginn des Krieges eine Stütze des Naziregimes war. Kain: Der Unwillen, sich jetzt konkret mit genau diesem Thema auseinanderzusetzen oder dieses Thema zu sehen, hat sich bei den Zeitungskommentatoren der Chefetagen fortgesetzt,obwohl in den einzelnen Zeitungen eine sehr differenzierte Berichterstattung zu beobachten war, je nachdem wer geschrieben hat. Für den Chef der OÖN war die Ausstellung zwar pädagogisch wertvoll und wichtig, aber in Summe gesehen aufgrund der die Aussöhnung von Generationen behindernden Einseitigkeit "Leider nur eine Provokation". Der Kukacka nahm im Volksblatt die Ausstellung zu einer Polemik gegen "selbsternannte linke Antifaschisten" her und haut ihnen den Renner rein. Also dieses Kommentieren ignoriert einfach das Thema. Wie kommt man sich als Zeitgeschichtler mit wissenschaftlichem Anspruch vor, wenn einem Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen wird und zwar deshalb, weil man anscheinend wissenschaftlicher ist, als es den Kommentatoren genehm ist.
Das erwartet man bis zu einem gewissen Grad, wenn man sich als mit Zeitgeschichte befaßter, politisch interessierter Mensch die Medienlandschaft vor Augen führt. Eines muß man aber schon sagen. Die Berichterstattung über die Ausstellung war in Linz um vieles besser als in allen anderen österreichischen Städten, wo die Ausstellung gezeigt worden ist. Im Gegensatz zu allen anderen Städten, wo die Krone massiv draufgehaut hat, hatte sie in Linz nur eine sachliche Ankündigung. Im Wissen, wie es in Wien und in Klagenfurt abgelaufen ist, habe ich es mir viel schlimmer vorgestellt.
Klinger: Der Professor Ardelt hat zu mir vor ein paar Wochen gesagt, am Anfang hatte man das Gefühl, die Ausstellung soll totgeschwiegen werden. Naja, der Großteil der damit befaßten Nachrichtenredakteure war interessiert und positiv eingestellt. Der Eindruck ist schon, daß als die Subventionsgeschichte abgelaufen ist und die Europa - Wahlen vor der Tür gestanden sind und dann auch noch geschlagen waren, dass dann die Situation in den Nachrichten ein bisschen differenzierter geworden ist. Auch der Chefredakteur hat sich sehr interessiert. Der hat sich bei uns Tonnen von Büchern ausgeliehen. Klinger: Vor ein paar Tagen habe ich mir den Film von der Ruth Beckermann angeschaut. Im Zusammenhang mit der Ausstellung sind mir dabei zwei Sachen aufgefallen: Der eine Bereich ist, daß ehemalige Wehrmachtsangehörige oder Menschen, die den Krieg mitgemacht haben, jetzt auf einmal herauskommen mit dem was sie erlebt haben und auch mit den Schrecken, die sie miterlebt haben. Auf der anderen Seite ist da noch immer so eine Haltung , wir haben das nicht gewußt. Es ist zwar vor unseren Augen passiert, aber wir wissen es nach wie vor nicht. Momentan gibt es ja auch so Situationen, die in unser Leben eingreifen. Es passieren Sachen, die von uns auch nicht so bewußt wahrgenommen werden oder verdrängt werden. Ein wesentlicher Unterschied ist natürlich, dass wir nicht in solche Handlungen verstrickt sind, dass wir nicht an Kriegsverbrechen beteiligt sind. Gibt es für dich Parallelen? Das ist eine wichtige, aber schwierige Frage... Klinger: Ich wollte mich nicht auf die Jugoslawien - Geschichte spezifisch konzentrieren, ich denke in einem globalen Zusammenhang, weil die Welt ja seit Beendigung des 2. Weltkrieges von der Information her wesentlich verknüpfter ist. Deshalb wissen wir mehr von Dingen, die passieren, da ist es dann natürlich schwerer festzumachen, was stimmt und was stimmt nicht. Da tu ich mir gerade in Zusammenhang mit Jugoslawien sehr schwer. Ich auch... Klinger: Ich habe mittlerweile den Eindruck gewonnen, daß Sachen, die von offizieller Seite verbreitet wurden, einen sehr verfälschenden Aspekt an sich haben. Die von Deutschland und Österreich betriebene Außenpolitik hat, meiner Meinung nach, einen sehr großen Anteil an diesem Krieg. Das sind zwei Fragen. Die eine, daß man Sachen einfach nicht wahr nimmt. Wenn einer erst 1943 in die Sowjetunion gekommen ist, ist es ohne weiteres möglich, dass er von dem Ganzen nichts mehr gesehen hat, das ist klar. Wenn er in Frankreich in der Wehrmacht war, hat er das auch nicht gesehen. Gehen wir von denen aus, die beteiligt waren oder zumindest etwas gesehen haben und trotzdem behaupten, sie haben nichts gesehen. Da gibt es noch nicht sehr viele Untersuchungen, aber ein paar gibt es. Viele, die daran beteiligt waren, haben diese Verbrechen nicht im Unrechtsbewußtsein begangen. Sie waren überzeugt davon, dass es richtig ist, was sie tun. Das darf man nicht unterschätzen. Da waren viele Nazis, die waren überzeugt davon, dass der Jude, der vor ihnen kniet, kein menschliches Wesen ist und ausgerottet gehört. Diese unglaubliche ideologische Durchdringung muß man berücksichtigen.
Leute, die schon ein Unrechtsbewußtsein gehabt haben und schreckliche Träume gehabt haben, die haben das sukzessive aus der Ebene des Bewußtseins verdrängt. Da kann es tatsächlich passieren, daß man dann glaubt, das war in Wirklichkeit alles nicht wahr. Das sind aber eher Ausnahmefälle. Aber gerade bei denen reißt in der Ausstellung etwas auf. Der individuelle Lebensentwurf, der nach 45 zusammengeflickt worden ist, wurde nie herausgefordert, im Gegenteil, es ist immer nach vorne gegangen: Aufbaugeneration. Und genau so argumentieren die Leute jetzt, der Kerschbaumer und der Kameradschaftsbund sagen: Ihr machts uns schlecht, wir sind die Aufbaugeneration! Das ist ihre Identität. Das ist ganz wichtig. Das liegt nämlich dazwischen. Das ist eine psychologische Barriere in der Auseinandersetzung mit einer anderen Generation. Macht uns nicht schlecht, wir haben das Land aufgebaut.

Bezüglich Jugoslawien würde ich sagen, das ist ganz klar, es gibt selbstverständlich eine konkrete Verbindung historisch gesehen im Raum Zentraleuropas, schon seit Jahrhunderten. Aber ganz konkret seit 1912, 1913, Serbienkriege und dann 1. Weltkrieg, der Befehl des General Böhme operiert ja genau damit, wir führen einen Rachefeldzug, weil da unten floßen 1914 aufgrund der Hinterlist der Serben Ströme deutschen Blutes. Da gibt es einfach die ganz konkreten Verbindungen der Verwurzelung österreichischer, vor allem österreichischer, aber auch deutscher Linien in diesen Raum. Und falscher Politik. Das ist nichts Neues. Serbien als Feindbild wurde ja beständig kultiviert. Deswegen ist es in der Außenpolitik immer recht leicht gefallen, das politisch umzusetzen. Selbstverständlich war es eine falsche Politik, die von Österreich und Deutschland jetzt wieder betrieben worden ist.
Klinger: Bei der von Rundschau und VHS organisierten Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Ausstellung hat Hannes Mitterer, Sprecher des Liberalen Forum gesagt, seine Partei ist grundsätzlich gegen die Subventionierung von kulturellen oder politischen Veranstaltungen, aber in diesem Falle nicht. Für mich leitet sich daraus ab: Gibt es eine grundsätzliche Berechtigung, daß Ausstellungen wie diese subventioniert werden? Das ist keine Berechtigung sondern eine Verpflichtung. Es ist eine Verpflichtung der öffentlichen Hand, also Staat, Länder, Kommunen, Aufklärungen dieser Art über die eigene Geschichte zu subventionieren. Wenn wir damit anfangen, das in Frage zu stellen und nur mehr Dinge zeigen, die sich selbst finanzieren, dann sind wir bald dort, wo jetzt die Musical - Bühnen, in einen politischen Sinn übertragen, stehen. Das ist ja ohne öffentliche Subventionen überhaupt nicht denkbar. Wissenschaftliche Arbeit ist ja auch nicht ohne öffentliche Finanzierung möglich. Die Ausstellung ist Teil wissenschaftlicher Arbeit. Kultur und wissenschaftliche Arbeit , wenn da angefangen wird, das auch nur an den Rändern in Frage zu stellen, ist man ganz schnell beim Kern , der in seiner Gesamtheit gefährdet ist. Da gibt es keine Berechtigung, sondern nur eine absolute Verpflichtung.

Die Finanzierung ist mit heutigem Tag so abzusehen, daß sogar ein Überschuß bleiben wird. Wir waren ja auch die ersten, die bei der ersten Pressekonferenz einen kompletten Finanzierungsplan in die Mappe gelegt haben in der Größenordnung von ca 770.000 Schilling, wobei der Großteil Personalkosten sind. Das Team ist besonders hervorzuheben, was die jungen Leute leisten, ist schlichtweg außergewöhnlich, da es ja keine normale Ausstellung ist, wo sich Leute Bilder anschauen. Das ist eine andere soziale Situation, mit ständiger Anspannung. Es gab insgesamt mehr als 300 Führungen , das ist sehr personalintensiv und das muß kosten. Und dann kommt noch das Begleitprogramm dazu. Wir haben von Anfang an gesagt, wenn es einen Überschuß gibt, geht der zum Verein Hartheim. Damit die Kontinuität gewährleistet ist.
Kain: Grundsätzlich zur Subvention in Linz. Das war ja das Einzigartige in Linz: Wir sind in des Führers Lieblingsstadt, die Ausstellung findet in der Kunsthochschule statt, das Gebäude ist ein typisches Beispiel für NS-Architektur und gerade hier werden öffentliche Subventionen verweigert. Und Ihr zeigt dann auch noch, dass man so eine Ausstellung ohne öffentliche Gelder machen kann, wobei diese Subventionen von Stadt und Land ohnehin nur ein Drittel der Gesamtkosten abgedeckt hätten. Eben, darum sage ich ja, dass es eine Verpflichtung der öffentlichen Hand gibt. Wir hatten eine Ausnahmesituation. Die Bausteinaktion der Grünen, wie die gelaufen ist, das war unglaublich. Dann muß man ja noch etwas sagen: In Wirklichkeit waren es zwei Leute, die die Subvention des Landes in der Höhe von 120.000 Schilling abgedeckt haben. Der eine war der Heimrad Bäcker, der andere war der Primarius Dr. Franz Dirnberger. Kain: Und die Böhsen Onkelz? Die hätten angeboten, die Ausstellung mit 50.000 Schilling zu unterstützen, im Rahmen ihres Wandels, ob vermeintlich oder nicht, will ich dahingestellt lassen. Aber uns war das zu unklar. Und wir wollten in Zusammenhang mit dieser Ausstellung auch nicht einen Funken der Unklarheit aufkommen lassen. Das war noch dazu zu einem Zeitpunkt, wo wir kein Geld gehabt haben. Klinger: Also sie wollten wirklich spenden... Es gab schon Informationen, dass die wirklich Ausstellungen gegen Ausländerfeindlichkeit finanzieren, es gab aber auch andere Informationen. Was auf keinen Fall passieren darf, ist dass auch jetzt noch bei Konzerten alte CDs verkauft werden mit Texten, zu denen sie nicht mehr stehen. Dafür müssen sie sorgen. Da gab es Hinweise, dass das nicht passiert. Dann gab es ja auch noch eine politische Initiative für das Verbot des Konzerts. Wir wollten da nicht dagegensteuern. Kain: Es sind verhältnismäßig viele Schulklassen da. Habt ihr damit gerechnet? Vom Präsidenten Riedl gab es den Hinweis, dass es die Ausstellung gibt, das war für unsichere Lehrer gewissermaßen eine Ermutigung. In Klagenfurt gab es 150 Führungen, also die Hälfte. Wir mußten schon vor einer Woche aufhören, Führungen anzunehmen.

Es gab ja auch vom Bundesministerium für Verteidigung einen Erlaß vom 9. November, wo der Besuch der Ausstellung während der Dienstzeit unter der Bedingung empfohlen wird, dass das im wehrpolitischen Unterricht besprochen wird. Das muß man auch dazu sagen. Da sitzt ein sehr liberaler General, der das offensichtlich dort macht, vielleicht nicht immer im Sinne des Ministers, aber es gibt diesen Erlass. Und es sind sowohl Offiziere dagewesen, als auch Soldaten. Der 10.000. Besucher war tatsächlich ein Bundesheerler.
Klinger: Die Ausstellung kommt als nächstes nach Salzburg... Als nächstes in Österreich kommt sie voraussichtlich nach Salzburg, das wäre im März `98. Jetzt geht sie nach Deutschland zurück, dort wird sie runderneuert, weil sie doch schon etwas lädiert ist, dann wird sie in Karlsruhe und weiteren deutschen Städten gezeigt. Für die nächsten Jahre ist die Ausstellung ausgebucht. Klinger: Das war ja überhaupt nicht geplant, dass diese Ausstellung so lange gezeigt wird. Sie war ja ursprünglich nur für Deutschland und Wien konzipiert. Wien war die letzte Stadt, wo die Ausstellung den VeranstalterInnen nichts gekostet hat, weil sie die Hamburger finanziert haben. Klinger: Das Begleitprogramm ist in Wien vom Bundesministerium finanziert worden. Von der Stadt Wien hat es nichts gegeben? Nein, aber die Ausstellung hat den Wienern nichts gekostet und das geht jetzt nicht mehr. Kain: Gibt es eine weitere Zusammenarbeit mit dem Hamburger Institut? Ja, die gab es ja auch schon vorher. Was Theorie anbelangt, Faschismustheorie, Nationalsozialismustheorie, sind sie zur Zeit eindeutig die besten, sie gehen über die traditionellen Faschismustheorien, die halt wir alle noch so intus haben, hinaus, auf diesem Gebiet tun sie sehr viel. Aber wer interessiert sich heute noch für Theorie? Fast niemand, zu meinem Leidwesen.
Reinhard Kannonier ist Universitäts-Dozent am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Uni Linz, und Mitorganisator der Ausstellung in Linz.


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