"Dünngeistige Nasenbohrer"


Nach mehrmaligen Zensurmaßnahmen stellt der Zeichner Gerhard Haderer in Bälde seine Arbeit für das selbsternannte oberösterreichische Landeshauptblatt ein. Über Satire, was sie darf und soll, Zensur und aufrechnten Gang, sprach mit ihm Ferdl Frühstück.

Wird es für Witzemacher und Satiriker jetzt eng. Speziell für den Witzemacher und Satiriker Haderer.

Haha. Selbstverständlich wird's eng. Der Satiriker und Witzemacher Haderer war bis jetzt nicht gewohnt, daß er sich um irgendwelche redaktionellen Zusammenhänge irgendwelcher Medien etwas geschert hätte. Und jetzt stellt er fest, daß der Druck der sogenannten wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Rücksichten bei den Zeitungen einfach so groß wird, daß man auch mit Ablehnungen rechnen muß, wenn man der Meinung ist, man hat auch was zu sagen. In diesem Sinn wirds eng.
Was jetzt die Person Haderer betrifft wirds natürlich nicht eng. Da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.

Ich meinte jetzt auch, eher die Möglichkeit der Publikation und der Führung gesellschaftlicher Auseinandersetzung in Medien, die sich - bestenfalls - ein liberales Mäntelchen umhängen.

Für mich persönlich wirds auch deswegen nicht eng, weil ich in diesem manischen Produktionszwang den ich habe, meine Zeichnungen immer machen werde. Es hat mich einfach noch nie gekümmeret ob meine Zeichnungen gedruckt werden oder nicht. Ich mache meine Zeichnungen aus einer bestimmten Stimmungslage heraus und, wenn ich glaube eine Aussage ist notwendig. Über Dinge die mich entweder besonders belustigen oder besonders betreffen.

Ich denke, daß solch kleingeistigen Zensurmaßnahmen eher die Notwendigkeit von Satire bestätigen oder begründen.

Daß es bisher so war, daß sich die Zeitungen darum gerissen haben, das ist ein angenehmer Nebeneffekt, der mit erlaubt, daß ich mir täglich mehr als zwei Packerl Zigaretten kaufen kann. Wenn das nun nicht mehr so ist, werde ich mein Produktionsverhalten in keiner Weise umstellen, ich werde meine Zeichnungen weitermachen. Ich werde mich auch inhaltlich nicht verändern. Diese Geschichten die da in letzte Zeit passiert sind haben mit ja einige neue Inspirationen gebracht und bestätigen mir nur: Vollgas weiter in die gleiche Richtung. Vielleicht sogar noch ein bisschen deutlicher in Zukunft.

Satirische Auseinandersetzung ist in unseren Gesellschaften in der jüngeren Geschichte, wo auf die liberale Tarnung noch mehr Wert gelegt worden ist, eher geduldet gewesen. Man hat sich das einfach auch geleistet. Gerade in Deutschland hat sich da das Blatt ziemlich deutlich gewendet. Beispielsweise der "Eulenspiegen" ist wegen der Bärbel Bohley-Karrikatur zu einer Unsumme verdonnert worden. "Titanic" wegen der legendären Badewannen-Geschichte mit dem Engholm. Oder "Konkret" wegen der Henscheid-Geschichte über diese Germanistik-Professorin Höhler ("Sie muß verrückt sein"). Das sind nur einige wenige Beispiele wie Satire jüngst zuleibe gerückt wurde. Ist der Trend da bei uns ähnliche?

Ja selbstverständlich ist die Liberalität in diesem Bereich sehr ausgetrocknet. Anscheinend mutieren wir da zu einer totalen Advokaten-Gesellschaft. Das ist eine Vision, die ich eh schon seit Jahren habe. Die Auswirkungen hat man doch schon lange sehen können, wenn man die Augen offen hatte. Es ist in Wirklichkeit keine neue Situation. Was wirklich neu ist, ist, daß man Bereiche wie künstlerische Freiheit oder eben wie in diesem Fall politische Satire hineinbezieht. Man kommt eben in eine furchtbare Situation, die sich so darstellt, daß man beginnen muß, wie ein Junganwalt im Gerichtsjahr, seine eigenen Äußerungen auszuargumentieren - juristisch und politisch.

Das ist wirklich verrückt. Die haben das in der Redaktion von Dir verlangt?

Ja. Da hört für mich der Spaß dann wirklich auf. Da kann ich dann wirklich nicht mehr lachen darüber. Wenn ich für meine satirischen Zeichnungen den Wahrheitsbeweis wie vor Gericht antreten muß. Da ist man als Satiriker Zweiter. Wenn sich die Dinge in diese Richtung weiter verschärfen, dann ist es klar, daß es für Künstler und auch für Satiriker, weil die ja thematisch in der ersten Reihe tanzen, wirklich schwieriger wird.

Ich denke solche Auseinandersetzungen können ja auch sehr produktiv wirken. Wo Widerstand und Widersprüche sind, gibt es neue politische aber auch künstlerischer Herausforderungen

hades-cartoon (84k) Klar, das ist sicherlich das Wesen dieses Spiels. Wenn es Regeln gibt, dann diese, daß Mauern aufgebaut werden, die einzureißen sind. Als Satiriker mauß ich mich da einfach darüber hinwegsetzen. Man weiß: "Satire darf alles", Tucholsky ist ja nicht irgendwer, dieser Sager gilt für Zeichner und Literaten auch heute noch. Aber trotzdem, diese Mauern werden heute sicherlich wieder häufiger aufgestellt. Sie werden insgesamt sicherlich nicht stabiler. Wenn diese klassische Form der politischen Satire jetzt angeschossen wird, von allen Seiten gleichzeitig, dann heißt das, die Aggressionsbereitschaft ist gestiegen, was mir persönlich klarmacht, daß ich eine klarere Sprache sprechen muß. Man muß sich in solchen Situationen einfach noch deutlicher äußern als das bisher vielleicht der Fall war.

Ich denke andererseits, daß die politische Macht immer dann so wild um sich schlägt, je instabiler sie ist...

Ich mache das jetzt an dem jüngsten Beispiel, der Zensur in den OÖN und der darauffolgenden Vertragskündigung fest. Ein Beispiel das mich sicherlich sehr betroffen hat. Es gibt verschiedene Möglichkeiten diese Situation zu beurteilen. So wie ich das sehe, bin ich auf sehr elegantem Weg angehalten worden, selbst zu kündigen. Man hat drei meiner besten Zeichnungen in den letzten anderthalb Jahren einfach abgelehnt das heißt durch andere ersetzt. Das ist eine Zensur, die sich kein Mensch, der sich selber in den Spiegel schauen können will, gefallen lassen kann. Und wenn diese Herrschaften - davon kann man ausgehen das sie das gewußt haben - nun mit jemandem zu tun haben, der sich ein wenig aufrechter gebärdet als andere und weniger kriecherisch bestimmten politischen und wirtschaftlichen Zwängen gegenüber ist, dann ist das klar, daß diese Leute diesen Eklat provoziert haben.

Aber eine Provokation, die, mit Verlaub gesagt, bei einer weniger naiven Sichtweise der Dinge schon länger absehbar gewesen wäre. Oder zumindest nicht überraschend gekommen wäre.

Es ist nicht so, daß ich geschieden bin, weil ich vielleicht launenhaft bin. Für mich ist es klar, daß ich diese Feigenblattfunktion für diese Zeitung, die ich da sicherlich innegehabt habe in den letzten Jahren einfach nicht mehr erfüllen will. Sie ist für mich nicht mehr haltbar. Es gibt da auch keinen Hintergrund der mich stützt. Man hat begonnen, sich öffentlich für meine Zeichnungen zu entschuldigen. Eine absolut letztklassige Groteske. Das kann man europaweit suchen. Wo entschuldigt sich eine Zeitung für einen ihrer Autoren. Das ist wirklich ein Witz, sowas ist mir noch nie untergekommen. So ist es völlig logisch, mit der Zeichnerei für diese Zeitung aufzuhören. Das ist ein Muß. Entscheidend ist es, zu erkennen, mit welchen dünngeistigen Nasenbohrern man es da zu tun hat in dieser Zeitungs- und Medienlandschaft. Und wie vorauseilend dem politischen Druck gehorcht wird.

Selbstzensur ist die häufigste Form von Zensur heute. Nicht nur in den Medien. Sondern auch sehr verbreitet in der Kulturszene.

Man kann ja diesem seltsamen Landeshauptmann nicht einmal zu Vorwurf machen, daß er diesen Druck ausgeübt hätte. Es war nur vorauseilender Gehorsam, der diesen Eklat zur Folge hatte. Es wäre doch wunderschön, wenn dieser Landeshauptmann sagt: Weil mich der dessen bezichtigt oder weil mich der so und so darstellt, verbiete ich der Zeitung das. Da hätte man dann wirklich eine Figur, gegen die man wirklich auch persönlich intervenieren könnte. So ist es ja nicht. Ich war immer der Meinung, die Verhältnisse werden sich insoferne verschärfen nicht dadurch, daß beispielsweise der Haider so stark wird oder daß irgend ein anderer Vollidiot bestimmen kann was passiert. Sondern, daß sich eben die Unterläufeln aus ebendiesem Gehorsam schleimerisch in den Staub schmeißen werden. Das ist die Situation die wir jetzt haben. Sie kriechen nur noch am Bauch herum, haben nur noch Angst vor Dingen die möglicherweise kommen könnten. Damit habe ich als satirischer Mitarbeiter zu tun, aber auch viele andere Journalisten. Das Damoklesschwert der Zensur hängt über allen. Und der Faden an dem es hängt, ist schon verdammt dünn geworden.

hades

Diese Selbstzensur ist doch auch ganz stark sprürbar bei vielen jungen Zeichnern, die sich Satiriker nennen. Was da an Witzchen produziert wird ist zum Teil ja wirklich schlimm. Nicht nur in Österreich. Unpolitisch und auch vom Humorstandpunkt schmalbrüstig. Wo bleibt die neue Generation böser Menschen?

Du meinst jene Leute, die da zumindest ein Restgewissen befriedigen, die zeigen, es ist nicht alles klass was da läuft bei uns. Ich will da jetzt keinesfalls einen Rundumschlag gegen die jungen Zeichner veranstalten. Es ist aber so, daß alle spüren, daß die kritischen Äußerungen immer leiser werden. Sie werden immer mehr hinter vorgehaltener Hand geäußert. Das hat dann zur Folge, daß dann Zeichner wirklich wieder Inselwitze zeichnen und die glauben dann auch noch, das ist die absolute Botschaft. Aus dem Norden Deutschlands kommt so eine Strömung, die da meint es sei jetzt angesagt diese gräßlichen Witze wieder zu machen und sich nocheinmal abzuhauen darüber. Das ist eine Art Nihilismus, wenn man so will. Da ist ein apolitischer Grundkonsens, den man schön langsam wieder bereit ist einzugehen.

Ich denke, daß viele Leute einfach auf die Seite der Macht übergewechselt sind.

Ich sage gut, meine Herrschaften das ist Euer Weg, nicht meiner. Ich persönlich würde mir halt mehr Menschen wünschen, die weniger Angst haben. Leute die authentisch sind im klassischen Sinn, weil sie machen was sie einfach wirklich bewegt, und sich weniger darum kümmern ob sie vielleich berühmt werden. Eine gewisse Risikobereitschaft ist es einfach die ich einfordere, einer Bereitschaft, die ich bereit bin einzugehen.

Wechseln wir zu einem anderen Thema, das in jüngster Zeit heftig diskutiert worden ist. Das "Haus der Satire" oder den "Pöstling". Du wirdt diese Geschichte nicht mehr weiter vorantreiben, weil es einfach zu viele Querschüße gegeben hat. Ich denke aber, diese Idee eines Zusammenhangs der Gesellschaftskritik und Satire zusammenführt sollte man nicht einfach sterben lassen.

Ich gehe kurz auf die Idee ein, die ich da hatte. Titel dieser Geschichte war "Der Pöstling". Insgesamt war das eine sehr lebendige, kantige Idee. Ein brodelndes Forum für die jungen Intellektuellen sozusagen, die da unter dem gemeinsamen Konsens Satire zusammenfinden sollten um dann Theater zu machen, zu schreiben, zu zeichnen. Und das in einem Umfeld, das das ermöglicht und vor allem auch alle diese Mischformen zuläßt und entwickelt. Konsens sollte sein, daß man sich eben satirisch mit der gesellschaftlichen und politischen Realität auseinandersetzt. Hinterfragend auf sie zugeht, und sie vielleicht auch dadurch aus den Angeln hebt. Eine Brutstätte der satirischen Aufmüpfigkeit zu schaffen wäre die Grundidee gewesen. Genial war für mich auch, das ausgerechnet am Pöstlingberg zu machen, in diesem leerstehenden Hotel da oben in Spuckweite von dieser Wahlfahrtsbasilika. Das hat mich geistig wirklich unheimlich befruchtet. Und viele Leute mit denen ich geprochen habe, haben das geteilt mit mir.

Es ist ja dann doch nichts draus geworden.

hadesDie politische Realität war dann aber, daß ich bald gemerkt habe, daß das ein sehr hohes Spiel ist das ich da spiele, es hat für mich unbedingt der Pöstlingberg sein müssen. Der Rückzug von diesem Projekt war für mich nur ein Selbstreinigungsprozess. Weil ich einfach festgestellt habe, daß, wenn jemand eine solche Geschichte ohne persönliche Interessen und Projektionen einfach auf den Tisch legt - ich wollte nicht durch diese Geschichte sehr berühmt werden, ich wollte auch nicht reich werden dadurch - dann ist das gewissen Leuten einfach suspekt. Meine Bedingungen zu denen ich das gemacht hätte, die ja nach wie vor aufrecht wären, würden die Leute ja wirklich wundern. Das hat die Politiker wahrscheinlich nervös gemacht. Wenn da einfach einer kommt, der sich nicht bereichern will und nicht berühmt werden will, dann ist das einfach nicht nach ihren Spielregeln. Das ist, wie dieser Spruch vom Josef Hader, der da sagt, daß ein Seehund mit einem Balle alles machen kann, aber wenn man ihm einem Würfel hinwirft, dann schaut er deppert. Ich glaube, ich habe den Politikern diesen Würfel hingeschmissen. Nach wie vor bin ich der Meinung, daß so ein Projekt für das geistige Leben dieser Stadt eine ungeheure Bereicherung wäre.

Glaubst Du nicht auch, daß es auch inhaltliche Überlegungen von Seiten der Stadtmächtigen waren, die das ganze letztendlich zu Fall gebracht haben.

Denen war natürlich sofort klar, daß einer, der eine Idee so rigoros angeht nicht leicht einzuvernahmen ist. Die wollten halt eine Geschichte, bei der sie ihre Bräute anschleppen können, dort zu dinnieren und zwischendurch lustige Zeichnungen anzuschauen. Bei meiner Geschichte hätte es sich nur noch abgespielt mit Leuten die einfach nicht in den Griff zu kriegen sind. Das wars wahrscheinlich was den Ausschlag gegeben hat.

Die wollte wahrscheinlich ein Museum. Domnistizierte Satire die niemand weh tut.

Vereinfacht gesagt hat denen die Idee gefallen daß dort ein feines Haubenrestaurant ist und zwischen den einzelnen verhaltenen Rülpsern zwischen den Speisengängen schaut man sich kurz irgendwelche ketzerischen Bildchen an, speist anschließend weiter und hat einen schönen Abend verbracht. Meine Position war von Anfang an, genau das ad absurdum zu führen und aus den Angeln zu heben. Das habe ich auch bis zum Schluß gemacht. Daran ist das letztendlich gescheitert. Ich habe dann den Schlußpunkt gezogen. Zwei Jahre hab ich mich an der Nase herumführen lassen, das reicht wirklich.




September 96


wir lesen hören schauen linz