EU - TAGEBUCH JULI - AUGUST 96


geführt von Eugenie Kain

Juli

Welch ein Sommer ! Es ist saukalt, es schifft tagelang, nur aus dem Fernseher strahlt zu jeder Tageszeit Hansi Hinterseers Gebiß. Der 1. Juli ist dank Sparpaket Stichtag für eine Reihe weiterer sozialer Verschlechterungen. Der neue Wirtschaftsminister sagt dennoch öffentlich, es sei eine Sauerei, wenn Österreicher im nichteuropäischen Ausland billig einkaufen und nichts passiert ihm.
Aus Spargründen erscheint keine "hillinger" - Sommerausgabe und auch die OÖN sind auf der Höhe der Zeit und haben einen neuen Photowettbewerb ausgerufen: "Urlaub in Balkonien", weil es daheim ja angeblich am schönsten ist. Das stimmt nicht, auch wenn sich jetzt noch so viel willfährige Idioten mit den Füßen im Wasserschaff ablichten lassen. Es ist die Lethargie der Bevölkerung, die einen krank macht in so einem Sommer. Weil Österreich in der EU ist und die Maastrichtkriterien erfüllen muß, haben wir es mit Sparpaketen zu tun. Deshalb wird PflegegeldbezieherInnen in Altenheimen das monatliche Taschengeld auf 500 Schilling zusammengestrichen und die Umsätze(!) von Werkverträgen mit 20 % Quellensteuer belegt. - Überhaupt diese Werkvertragsregelung: Angeblich war daran auch Tom Schmid vom Sozialministerium beteiligt, den ich von früher kenne. Wer glaubt, die neue Werkvertragsregelung sei eine soziale Großtat, dem hat es die sozialen Koordinaten schon ordentlich verschoben. Verschoben haben muß sich auch was bei Josef Höchtl. Wozu denkt man sich, sind wir eigentlich in der EU, wenn es noch immer solche Typen gibt, die ohne Skrupel einstreifen, gleichzeitig mit ihren Beschlüssen andere Menschen kalt in die Armut schicken und sich dann auch noch für Opfer einer Menschenhatz halten. Das ist halt leider immer mein Trugschluß: Daß es in der EU zivilisiert, redlich und kosmopolitisch zugeht. Wäre es so, dürfte es in Wien keinen solchen Wahlkampf geben. Die SPÖ versucht freiheitlicher zu sein als die F, was bedeutet, daß Ausländern mehrmaliges Falschparken als mangelnder Integrationswille ausgelegt und ihnen deshalb die Aufenthaltsgenehmigung entzogen wird. Und wer sich Illusionen über das Europaparlament gemacht hat, braucht sich nur die Spitzenkandidaten der ÖVP anschauen: Ursula Stenzel und Karl Habsburg.

August

Die Bawag hat Steyrermühl verklopft , Herr Wlaschek den Billa, Semperit wird heimgedreht, Kästle lagert nach Slowenien aus, Thonet ist nicht mehr "unser" und der VOEST - Glas droht dasselbe Schicksal wie Semperit: Sie hat vor dem EU - Beitritt alle japanischen Autohersteller mit Windschutzscheiben beliefert. Seit 1995 ist der Zoll für den Import japanischer Autos von 4 auf 10 Prozent (EU - Außenzoll) hinaufgeschnalzt, weshalb die Japaner einen massiven Preisnachlaß für österreichisches Autozubehör verlangten und sich nach anderen Zulieferern umsahen.
Den Konzernen geht es nicht so schlecht: Die Volkswagen AG erfreut ihre Aktionäre mit einer Verzehnfachung des Konzernüberschusses, die Continental AG, die in Traiskirchen ihre Tochter Semperit durch Kündigungen, Lohnkürzungen und Auslagerung nach Tschechien billig zusperren will, konnte auf einen Bilanzgewinn von 47,2 Millionen DM verweisen und die Dividende auf 10 Prozent erhöhen.
Ein Freund war in Böhmen und sieht das mit Semperit globaler: Für die tschechischen Unternehmer sind auch schon tschechische ArbeiterInnen zu teuer. Sie beschäftigen Menschen aus der Ukraine. So ist der Kapitalismus. Außerdem hat er eine Packung Knedliky v pra´sku und die Bananentheorie mitgebracht. In Tschechien kostet jetzt das Kilo Bananen 13 Kronen, das sind ungefähr 5 Schilling. Beim Meinl kostet die Chiquita 29 Schilling, Hofer - Bananen gibt es um 20 Schilling. Aber vor 1995 waren sie viel billiger. Die Bananenkraft hat (vorerst) den Sozialismus abgeschafft, Bananen werden auch die EU und in der weiteren Folge den Kapitalismus zu Fall bringen. Im Gegensatz zu Arbeitsplätzen und Sozialleistungen läßt sich der Mensch Bananen anscheinend weder vorenthalten noch wegnehmen.Weiter sind wir in der Evolution noch nicht.
Im übrigen gibt es eine NATO - Beitrittscampaign, beim Billa spanische Salamis von ganz außerordentlichem Tiefdunkelrosa, das hoffentlich von der Cochenille -Laus und nicht einem Krebserreger stammt und europäische Normen für das Ei: es darf rund 63 Gramm wiegen und nur mehr vier Größen haben: Small, Medium, Large und X - Large.


September 96


wir lesen hören schauen linz