Kein Ende der Geschichte


Diesen Mai jährt sich die Befreiung von Linz vom Naziterror zum 51. Mal. Das allgemeine "niemals vergessen" des vorigen Jubiläumsjahres soll kein bloßes Lippenbekenntnis gewesen sein, besonders aufgrund der Tatsache des bereits wieder zerfallenden antifaschistischen Konsens in der österreichischen politischen Landschaft.

Geschichte scheint immer etwas mit längst vergangenen Ereignissen zu tun zu haben, das Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus verleitet nur allzuleicht an die Unwiederholbarkeit solch einer historischen Entwicklung zu glauben. Trotzdem sollten aktuelle Ereignisse immer wieder kritisch beobachtet werden und genau darauf geachtet werden, welche Signale von wem gesetzt werden. Für die Errichtung eines Terrorregimes wie des nationalsozialistischen wird ein allgemeines unmenschliches gesellschaftliches Klima benötigt. Die Schritte in diese Richtung erfolgen schleichend, ein bestehendes Rechtssystem kann ausgenutzt und in die gewünschten Bahnen geleitet werden. Die Verfolgung politischer Gruppen beginnt langsam und unscheinbar bei Leuten, die einem selbst sowieso suspekt sind, doch nur allzuschnell klopft staatlich gelenkter Terror an die eigene Tür. Daher ist es notwendig jegliche Bewegungen, die in Richtung Faschismus zeigen, zu bekämpfen.

Biedere Männer

Von Seiten der Freiheitlichen ist mensch seltsame Stellungnahmen zur Vergangenheit bereits gewohnt, daß ihr Top-Typ Pretterebner den Nationalsozialismus bei Vorträgen als linke Bewegung bezeichnet, erscheint im ersten Moment eher grotesk. Eine nähere Betrachtung dieses Unfugs läßt einem jedoch das Lachen im Halse steckenbleiben, kommen doch aus dem konservativen Lager in letzter Zeit ebenfalls erschreckende historische Interpretationen. Angefangen vom "Dollfuß - ist - ein - Held" Sager des ÖVP-Klubobmanns Khol, über seinen, zur Ausgrenzung jeglicher Opposition einladenden, Konstrukts eines Verfassungsbogens, bis hin zu einem Artikel aus der Zeitung "Campus" der rechtskonservativen Studifraktion JES, in der Antifaschismus als verwerflich dargestellt wird, kann ein einheitliches Vorgehen in Richtung einer Rehabilitation von faschistischem Gedankengut durch das gesamte konservative Lager beobachtet werden. Das sich Schüssel auch noch in Uniform in Bosnien ablichten läßt, kann wohl nur mehr als Tüpfelchen auf dem i bezeichnet werden. Als besonders problematisch erscheint diese Entwicklung im Lichte der staatlich verordneten Entsolidarisierungswelle in Form der laufend auf uns zukommenden Sparpakete, die eine soziale Polarisierung vorantreiben. Die gleichzeitige Demontage der reelen Bilungsmöglichkeiten für sozial Schwächere, läßt ein gefährliches Vakuum entstehen, in der rechte Ansichten womöglich neuen Auftrieb erhalten könnten.

Gesetz ist Gesetz

Das Gesetze etwas sind, an das sich Staatsbürger einfach zu halten hätten, wird von jedem Herrschaftssystem verkündet. Welche Blüten sich allerdings im Paragraphendschungel befinden, merkt mensch oft erst, wenn es fast schon zu spät ist. Die Deutschen gaben Anfang März, kaum beachtet von der Öffentlichkeit wieder einmal einen Schuß auf die Meinungsfreiheit ab: Die Aussage "Soldaten sind Mörder" soll mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe (!!!) bedroht werden. Schließlich könnten sich ja Soldaten in ihrer Ehre gekränkt fühlen. Jedoch gibt es kaum Grund die Empörung zu stark über die Grenzen schwappen zu lassen, hat doch die heimische Justiz ganz andere Kaliber, was die Kriminalisierung von Worten betrifft, auf Lager. So wurden am 23. Jänner und am 7. März dieses Jahres Hausdurchsuchungen bei Menschen, die der legal angemeldeten Partei "Revolutionsbräuhof" nahestehen sollen, durchgeführt. Beschlagnahmt wurden Computer, Disketten, Terminkalender, private Aufzeichnungen etc. Begründet wird mit der Mitbegründung einer Partei sowie der Herstellung von Druckwerken, "wodurch die in der Verfassung festgelegte Staatsform Österreichs abgelehnt wird bzw. in gehässiger Form verächlich gemacht wird." Strafrahmen bis zu 20 Jahren Haft (!), es könnte sich beim Revolutionsbräuhof ja um eine "kriminelle Organisation" handeln.
So ein mit Kanonen auf Spatzten schießen legt natürlich die Vermutung nahe, daß hier mit der Bekämpfung kleiner oppositioneller Gruppen ein Testlauf für eine allgemeine Einschränkung der Grundrechte erfolgen soll. Rasterfahndung und Lauschangriff sollen hier nur als Stichworte erwähnt werden.
Daniel Steiner


MAI 96

wir lesen hören schauen linz