Seit Ende der achtziger Jahre kämpfen nun schon freie Radiogruppen in ganz Österreich für diese mediendemokratisch längst überfällige Reform. 1994 schien es dann soweit. Doch im privatkapitalistischen Bestreben es den Zeitungsherausgebern recht zu machen, wurde ein Regionalradiogesetz zusammengemurxt, das dann im Juni 1995 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde. Für freie nicht kommerzielle Radios war in diesem Gesetz kein wirklicher Platz vorgesehen; man wollte sich aber mit einem schwammigen Begriff von Lokalradio darüber hinwegschwindeln; diesem Einwand ist auch der Verfassungsgerichtshof gefolgt. Weitere Gründe für die Aufhebung des Regionalradiogesetzes waren die zu ungenauen Vorgaben des Gesetzgebers bezüglich des Frequenzbedarfs des ORF, das Fehlen eines Erhebungsverfahrens bezüglich der Bedürfnisse des lokalen Rundfunks sowie das Fehlen einer Festlegung, wie viele regionale Hörfunkprogramme pro Bundesland möglich sein sollen.
So eilig es die Herrschenden hatten, der EU beizutreten, so wenig Lust empfinden sie dabei, manch demokratisch brauchbare Maßnahme in Österreich zu übernehmen. In der europäischen Rundfunklandschaft sind Freie Radios ein fixer Bestandteil. Laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Informationsverein Lentia 2000 u.a. (1993) ist der Staat "letzter Garant für die Freiheit zum Empfang von Informationen und Meinungsvielfalt", was eine Verpflichtung zur Sicherung des freien Zugangs zum Medium Radio miteinschließt.
Wenn jetzt jemand glaubt, daß aufgrund der Blamage durch den Verfassungsgerichtshof und den eindringlichen "Anregungen" durch den Europäischen Gerichtshof ein Bewußtseinsprozeß bei den verantwortlichen Politikern in Regierung, Parlament und Regierungsparteien in Gang gekommen wäre, irrt; - man sollte die österreichische Ignoranz gegenüber Angelegenheiten, die mit Freiheit zu tun haben, nicht unterschätzen.
Die Aktivisten der Freien Radioszene in Österreich haben nun die begründete Befürchtung, daß auch bei der jetzt anstehenden Novellierung des Regionalradiogesetzes, keine brauchbaren rechtlichen, technischen, finanziellen und verwaltungsorganisatorischen Voraussetzungen für Freie nichtkommerzielle Radios geschaffen werden. In der aktuellen Diskussion ist kaum was zu vernehmen, daß sich wer für das Dreisäulenmodell im Rundfunkbereich stark macht: für einen öffentlich rechtlichen Rundfunk, für einen privatkommerziellen und einem freien nichtkommerziellen. Das Finanzierungsproblem Freier Radios, das sich im Verhältnis zu den Summen, die im Medienbereich umgesetzt werden, lächerlich ausnimmt, wird vorgeschoben, um ja nicht offen über die Situation und Konzepte reden zu müssen.
Mit einem Aufruf, initiiert vom Freien Radio OÖ (FRO), der dann von den österreichischen Radiogruppen unterstützt wurde, wurde noch einmal ein Anlauf unternommen, die Ignoranz der unzuständig Zuständigen zu stören. An die 100 Verbände und Organisationen im freien Bereich wie die IG Kultur Österreich, die IG-Autoren, die österreichische Sozialplattform, die Öst. Hochschülerschaft und die Journalistengewerkschaft unterstützten diesen Aufruf an Regierung und Parlament.
Wie schon angesprochen, wird die notwendige und international übliche Mitfinanzierung Freier Radios durch die öffentliche Hand immer wieder als Vorwand benutzt, um Freie Radios in Österreich nicht aufkommen zu lassen. Der eine meinte ("ihr seid ja arme Hund", Ratzenböck), der andere wieder, wir sollten beim Fenster hinunterspringen, wenn wir ein Freies Radio haben wollen (Cap) - dies ist ungefähr das Niveau, auf dem über die Finanzierung Freier Radios diskutiert wird. Um das Niveau zu heben, hat das FRO einen Vorschlag für einen einzurichtenden Radiofond, aus dem dann die einzelnen freien Radiobetreiber anteilsmäßig mitfinanziert werden sollten, gemacht.
Durch einen Fond jährlich in der Höhe von ca. 60 Mio. ÖS kann die Basisfinanzierung einer nicht-kommerziellen Radiolandschaft in Österreich gewährleistet werden. Dabei müßten 2 Schilling der Landesabgabe (Kulturschilling) der Rundfunkgebühr pro Monat pro Hörer zweckgewidmet werden. Bei 2 492 746 Gebührenzahler ergibt das jährlich ca. 59 Mio. Eine zweite Quelle wäre eine 2%ige Abgabe aus kommerzieller Tätigkeit vom privatkommerziellen und öffentlich rechtlichen Rundfunk, was insgesamt ca. 31 Mio. ausmachen würde. Diese zwei möglichen Speisungen eines Radiofonds könnten alternativ oder kumulativ erfolgen. - Verwaltungsorganisatorisch wäre dies unkompliziert zu bewerkstelligen.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Theater Phönix im Oktober 1995 versprach Landeshauptmannstellv. Fritz Hochmaier im O.Ö.. Landtag einen Initiativantrag einzubringen; inzwischen ist dieser Antrag zwar noch nicht eingebracht, aber Hochmaier hat ihn an LH Josef Pühringer weitergeleitet, damit in beide Parteien gemeinsam einbringen können und kein parteipolitisches Kleingeld damit gemacht wird. Weiteres ist den Freien Radioaktivisten versprochen worden: Minister Scholten hat sich im November 95 bereit erklärt, einen runden Tisch von Politikern, Experten und Freien Radioaktivisten zu organisieren. Ob beides geschieht, muß beim derzeitigen Niveau demokratischer Sensibilität eher bezweifelt werden.
Es nützt uns kein Wohlwollen von gutmeinenden Politikern. Warum lähmt das Thema Freies Radio die herrschenden Politiker derart? Man wird wohl wieder ihre Sender stören müssen, damit ihre Wahrnehmung nicht gänzlich verkommt.
Franz Primetzhofer
APRIL 96
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