BONJOUR, April 96


Here we go. Und niemals aufhören. Willkommen bei der heimischen Musik. Wir könnten uns auch von irgendwelchen Bands kaufen lassen und dann positive Reviews schreiben. Oder uns falsche Freunde mit unserer Schreibe machen und das dann schamlos ausnützen. Oder irgendwen fertigmachen, nur so, und nachher tierisch darüber lachen. Oder uns einschmeicheln bei einer Band, nur um zu sehen, ob sie einem dann die Füße küssen. So könnten wir sein, das könnten wir tun. Ganz ohne Sinn. Weil wir«s auf die Spitze treiben wollten. Das alles und noch mehr. Wir könnten, aber....
Wir sind wir. Schickt mit Freude, Enthusiasmus und Liebe eure Sachen (Tonträger, Fanzines, Videos,...) an uns, und wir schreiben, was wir denken.
KAPU, Kennwort: Bonjour!, Kapuzinerstr. 36, 4020 Linz.
Huckey


 
SCAPEGOAT / RE-EVOLUTION
Incisor  
Split-CD, Whorehousemusic

Ich weiß nicht; Ich weiß nicht. Das ist, was ich zielsicher Postpunk (aber unter Anführungsstrichen) nenne. Auch wenn sich sicher keiner über die Songs an sich beschweren wird, und auch technisches Können sowie Aufnahmequalität in Ordnung geht, fehlt mir ein bißchen der Biß, das Besondere, das letztendlich Innovative oder wie man sonst zu dem sagt, was Musik eigentlich ausmacht. Genaugenommen passieren mir persönlich hier textlich wie musikalisch zu viele Anspielungen (z.B. "..the boy with the thorn in his side died of fear.." (Scapegoat), wobei mir nicht wirklich klar ist, wie das gemeint ist). Während SCAPEGOAT ihre musikalischen Einflüße "in der Weiterentwicklung des Punk in den frühen 80ern (Joy Division, the Cure,...)" sehr treffend beschreiben, nennen RE-EVOLUTION ihre Musik angeblich (laut Presse) "Underground-Rock". Puh, da sage ich nichts mehr. Einigermaßen entschädigend wirken die durchaus sympathischen Selbstdarstellungen beider Bands in den Infos, sowie nette Briefe und Telefonanrufe. Ich bin weit weg davon, diese Bands durch den Kakao zu ziehen, im Gegenteil, die Einstellung stimmt, aber da ist mehr drinnen, bei beiden. Das ist es, was mich eben ärgert. Wahrscheinlich sollte man ihnen eine Chance bei der BONJOUR!-Live-Serie geben, um zu sehen, was da wirklich dahinter ist (das Livetape von SCAPEGOAT ist nämlich schon um einiges cooler). Nichts für ungut und: CD trotzdem kaufen!!! (SCAPEGOAT: Gernot Grassl, Goldschlagstr. 104/18, 1150 Wien, Tel.: 0222/9859610; RE-Evolution: Gabriel Gruber, Gatterholzgasse 19/8, 1120 Wien, Tel.: 0222/8173824)
Huckey

SILBERSTERN
Tape 
(Eigenvertr. H. Strasser, Nelkeng. 15, 8600 Bruck/Mur)

SILBERSTERN lehnen sich in ihrem musikalischen und textlichen Schaffen ziemlich an die sogenannte Hamburger Schule an, sprich trashiger Pop mit deutschen Texten, die sich um Alltagsthemen drehen. Teilweise übertreiben sie es ein wenig, etwa bei der Beschreibung des Lebens in "dunklen Bars", also ich kenn ja die Bruck/Murer Beiselszene nicht so genau, doch da dürfte wohl zeitweilig die Bewunderung für Herrn Distelmeyer die Autenzität überwuchert haben. Dort allerdings, wo SILBERSTERN die behandelten Themen offensichtlich nahe gehen und zwar im Reich der kaputten Beziehungen, find ich die Band recht gut. Insgesamt gibt«s auf diesem Tape 11 Nummern zu hören, die sich die TOCOTRONIC/BLUMFELD-Fangemeinde ruhig einmal reinziehen sollte.
daniel

WIPE OUT
Remixes 12" 
(CCP-Rec.)

WIPE OUT legen mit dieser Maxi (Juhu Vinyl!!!) wieder einmal einen Beweis des Potentials der heimischen Musikszene, der sich gewaschen hat, hin. Sie verlassen sich dabei nicht auf irgendwelche großen Namen, sonder lassen von DJ«s aus ihrem Umfeld remixen. Die "This Side" bilden SONIC FUSION (She will leave me) und IMAGE 2040 (Romper Stomper) mit eher populären Varianten dieser Nummern ohne jedoch in Kommerztechnosphären abzudriften. (Hier möchte ich anmerken, daß mir, durch meinen persönlichen Zugang zu elektronischer Tanzmusik über Soundsystems wie SPIRAL TRIBE oder URAN C, deren DJ«s gerne Extreme ausloten, wahrscheinlich sehr schnell etwas als populär erscheint.) Auf der "Other Side" folgen dann mit OPPRODUCTIVE (Swamps of Happiness) und (noch einmal) SONIC FUSION (Diluted) die eher unkonventionelleren Remixes. Besonders OPPRODUCTIVE«s offensichtliches "auf-Gewohntes-Scheißen" hat meine Ohren entzückt.

DESPERATE CRY 
Freiheit 
CD, ATS-Records

Vier junge Metal-Nachwuchskerle aus Vorchdorf, die ihren Sound selber als "groovigen Metal-core" bezeichnen, stellen sich mit ihrem, auf analogem 4 - Spur Rekorder aufgenommenen, CD-Debut "freiheit" der Öffentlichkeit vor.
Nun, die Musik würde ich ebenfalls unter die Rubrik "grooviger Metal-core" einordnen, wobei dem Groove durch Verwenden eines etwas uninspiriert dahinhämmernden Drum-computers leider ein tonnenschwerer bleiener Riegel vorgeschoben wird, doch könnte die gesamte Darbietung ruhig etwas mehr Ecken und Kanten vertragen, um beim Zuhören nicht vollends in sich anschleichende Lethargie zu versinken.
Meiner Meinung nach sollten sie einfach Maschine gegen Mensch eintauschen, um an Dynamik dazuzugewinnen, was bei Metal-core, der grooven soll, durchaus ein wünschenswerter Effekt wäre. Vor allem würde ein/eine Kerl od. Kerlin hinter der Schießbude dem Ganzen zu mehr Transparenz verhelfen.
Völlig daneben der deplazierte Akkustik-(Frisör-Metal)-Gitarren-Schrammel-Schmonzes.
pezzy

KULTIA DEMENTIA 
Live, CD

Das es so etwas auch noch zu hören gibt, läßt hoffen. Wiener Punks aus dem EKH Umfeld fegen in bester Old-School Deutschpunk-Manier über alles drüber, was sich ihnen in den Weg stellt. Frühe SlIME, fallen mir auf Anhieb dazu ein, doch verleiht der in derbstem Slang vorgetragene deutschsprachige Gesang den Pogo heraufbeschwörenden Punk von KULTIA DEMENTIA einen gewissen eigenständigen Charme. Textlich wird gegen sämtliche verachtenswerte Einrichtungen, von biederem Bürgertum über Polizei und Staat, zum Angriff geblasen und mit einer Selbstverständlichkeit vorgetragen, die viele Bands heutzutage leider vermissen lassen.
Funktioniert live wahrscheinlich um einiges besser als auf dieser Abschieds-CD, die ausschließlich aus Live-Nummern vom Abschlußkonzert im Flex besteht, aber geht schwer o.k. mit mir.
pezzy

TÖRT 
Mixtape 3/96
(zu beziehen über die Kapu)
Sklaven des Rhythmus! Freunde der Acid (hier: Techno)-Klänge aufgepaßt: 90 Minuten in the feinstem Mix. Wer jetzt "das kann ja jedeR" schreit, hat Recht - wer dies im negativen Sinn, meint hat Punkrock nicht verstanden. Im Hier und Jetzt ist jede Diskussion über Mixtapes müßig. Wer sudert, braucht sich das ja nicht anzuhören. JedeR kann Gitarre spielen, jedeR kann 2 Turntables bedienen, und natürlich kommt es nur auf das WIE an. Acid Techno angereichert mit Industrial-Klängen, interessantem Gruselsprachgewusel, ohrenbetäubenden Krachgebilden usw. - wessen Ding das ist, der ist in dieser Hardcore-Ecke ( Hier: Einstellung! plus Geschwindigkeit) bestens aufgehoben.
Im Wiener Flex sind Feste mit solchen gelungenen Eskapaden bereits gutbesuchter & qualitative hochwertig besetzter Programmfixpunkt. Linzerorts garantieren URAN-C Feste, wo auch TÖRT deejayt, für Gefühlsbäder in der Lendengegend. (Pezzy sagt: Scheiß auf Deutsch).
WC


APRIL 96


wir lesen hören schauen linz