Eugenie Kain

Putzfetzen,
Putzfetzen,
putz, putz!

Das Theater Phönix und 1000 Jahre Österreich

Vier Frauen hasten durch Gänge, von einer Tür zur nächsten, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Raum. Jede will Erste sein. Endlich sind sie am Ziel: eine harte Bank, Spindkästen und über allem thront ein Schreibtisch mit Stempelgarnitur und Aktenstößeln. Willkommen im Amt.

Am Anfang von Österreich stand ein mickriger Verwaltungsakt, der festhielt, daß der Kaiser dem Erzbistum Freising einen Acker bei Neuhofen an der Ybbs geschenkt hat. Da mag der Stolz des Niederösterreichers Brust schwellen lassen, aber richtige Feststimmung kommt nicht auf. 1000 Jahre Österreich heißt auch 1000 Jahre Verwaltungsakt. Hier knüpft das Theater Phönix bei seiner Spurensuche nach der Befindlichkeit Österreichs im Jubeljahr an. Die Frauen bekommen umständlich und peinlich genau Putzutensilien ausgehändigt und machen sich mit dem Arbeitswerkzeug umgehend und gründlich an die Arbeit, streng kontrolliert und gehunzt vom Revisor Hirsch. Auf der harten Bank sitzen bleibt das männliche Gedächtnis mit seiner Arbeit, Reden österreichischer Politiker in Papiersackerl abzufüllen.

Es ist schon eine Freude, daß es in Linz das Theater Phönix gibt, denn da wird nicht nur anderes Theater, sondern noch dazu Theater vom Feinsten geboten. 9 Wochen lang hatte das Ensemble Zeit, gemeinsam ein Stück zum Thema Tausendjahrfeier zu entwickeln.Vorlage gab es keine, das Stück entwickelte sich im Laufe der Probe- und Improvisationsarbeiten, eine neue Arbeitsweise für Regisseur Hans Escher, der bisher auf österreichischen und deutschen Stadt- und Staatsbühnen unterwegs war. Die Recherchen führten das Ensemble aufs Arbeitsamt, zu den Wahlkampfauftritten Haiders im UNO-Center und am Hauptplatz, zum österreichischen Liedgut. Es wurde ausgelotet, improvisiert, geprobt, verworfen, diskutiert und Neues erprobt. Das Ergebnis: "Österreich macht frei"- Untertitel: Vormals 1000 Jahre Arbeitsamt - ein spannendes Stück Theaterarbeit mit intensiven Bildern, das ganz ohne Dialoge auskommt und doch nichts Pantomimisches hat.

Putzbrigade Es ist Präzisionsarbeit, wie Susanne Lietzow, Renate Köhn, Ingrid Höller, Maria Schwarz und Alenka Maly ihre Putzfrauen anlegen und nur durch Gang und Gestik definieren. Da ist Genoveva Wurzbacher, die Aufbegehrende, Käthe Müller, die Gewitzte, Eusebia Bitterpey, die Pedante, Elsa Leitner, die Laszive und Rosza Horvath, die Ignorierte. Auf ihren Platz verweisen will sie Revisor Hirsch, schlurfenden Schrittes und abgefeimt dargestellt von Christian Lemperle, dazwischen wieselt ein hervorragender Helmut Fröhlich in Hosen der freiwilligen Feuerwehr als unermüdlich Politikerreden zitierendes (sehr gutes ) Gedächtnis, dessen sorgsam gesammelte warme Luft doch keiner haben will. Susanne Özpinar-Graber lieferte mit ihren Kostümen ein Gustostückerl der besonderen Art: sie sind ausschließlich aus der Putzfrauen Werkzeug hergestellt: Fetzen, Drahtwaschel, Wettex....
Als Bestandsaufnahme österreichischer Befindlichkeit in Erinnerung bleiben die Putzfetzen-Polka oder der sehnsüchtig-wollüstige Lobgesang auf die Krankenkassen. Am stärksten eine Szene: Zum Alpenglühen werden passende ländliche Weisen angestimmt, da schleicht Käthe Müller zum Telefon und flüstert ins Telefon: "Feindliche Stürme durchtoben die Lüfte...." Die Botschaft wird aufgenommen, der Putzfrauenchor findet sich zur "Warschajanka" zusammen, die Putzfrauen auf ihren Spinden erheben die Fäuste, bis zum Refrain "auf die Barrikaden, auf die Barrikaden!" kommen sie aber nicht, denn da ertönt die Sirene, Pausenzeit ist angesagt, die Revolution wird vertagt und das Putzfrauenvolk verbrüdert sich in Wein- und Heurigenseligkeit mit dem Revisor. Das Ende vom Lied. Eine Jede bringt sich auf putzfrauenspezifische Art um, man "putzt sich weg", wie der Goiserer sagt.

Das wars: Spannend, ein bißchen böse und sehr komisch. Aber man hätte gern mehr gehabt. Was fehlt? Die Schärfe? Die Tiefe? Der Zeigefinger? Der (Holz)Hammer ? Das ist eine erste Bestandsaufnahme, sagt der Regisseur. Wir hätten noch zwei Wochen gebraucht, sagen die Schauspielerinnen. Theater in progress. Das Theater Phönix bleibt weiter auf Spurensuche nach der österreichischen Befindlichkeit. Nächster Schritt: Pension Schöller, "Ein Vorführakt österreichischer Eigenheiten in einem Aufwasch". Premiere am 9. Mai. Bis dahin: "Österreich macht frei!"


MÄRZ 96


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