Zwei Meister ihres Faches

Anläßlich des Auftritts von Hubert Grillberger (H) und Gerald Wilhelm (F) im KANAL, 03.02.96

Hat die Rockmusik noch Zukunft? H: Die letzte Chance hat der Blues, sonst ist nichts mehr da. Nur der Blues hat noch Chancen. Man muß heutzutage soweit sein einzugestehen, daß es nie ein Ende geben wird. Das ist alles.
Was kommt nach Schwertberg? F: Im März München und dann Ende April WUK in Wien.
Wie beurteilst Du die Überlebenschancen Deines Gewerbes? F: Mein Gewerbe hat sehr gute Zukunft, weil Underground-Poeten in unserer Gesellschaft sehr hoch im Kurs stehen. Es muß immer Sieger geben.

Bewegungsmelder beim Hauseingang, verheißungsvolles Warten in der zum Bersten unterfüllten Bar. Das Sozialprojekt Grillberger-Wilhelm wird, so scheint es, den Auftritt ohne Aussicht auf erhebliche Einnahmen abwickeln.

FLATI Abgehobenes Berlin. Intercity. Kreuzberg, Altstadt, Blues in den Venen, bierdurchmischt. Ich klopfe an. Rocksau(m). Brian Jones in der Kneipe, bedient. Bermuda-Dreieck-Reisen. F/H agieren gezielt aneinander vorbei. Nachts in der fetzigen Londoner Underground-Disco. Nina Hagen in enganliegender Kleidung, schweißdurchnäßt, hinter dem Mischpult. Wolfvertreibungsgesang, zerhackt. Anarchie-Stadt - Eisentor. Dem Erzählfluß abträgliche Pausen bei Seitenwechsel; Flati braucht Blähbäck (meint sein Manager für Grönland). Aufschnitt/Bugatti/Straßenbahn/Bar. Reklamerauschschrift. The last time, kein Schlaf bis Kleinmünchen (no sleep til` little munich). Künstlerpech. Absturz, kein Strom auf der Gitarre. F singt, schreit. Hubert singt, spielt, Flati verzerrt Stimmbänder.

Vom Coretto in die USA, Raumgleiter, Onkel aus Texas, Seattle, Blues-fragmente, F/H ineinander einzahnend, Doppel-Spuren, in guten Momenten hörspielähnliches Unterlegen von Worten mit Musik, zeit-versetzte Spuren. Keyboard/morbider Sprechgesang. B-Movie Sound-track. Die Monster von Gumpoldskirchen. Gute Ernte, 10 km außerhalb von Wien, Onkel aus Texas, Gastgeber, Würgerfest, 1005 Trips aus Herzogsdorf & ein Krug Most dazu. Fahrt zur Schweinefarm, Schweine auf Trip. H schaut erstaunt, verliert kurz den Überblick.

Wehmütige Reminiszenzen aus den Kathedralen des Kiffens, roll another one. Stadschauade Eseln. F/H unter verkappten Pensionisten. Gerald, verloren im Blätterdschungel. Eine ziemlich abgefahrene Doppel-Conference entspinnt sich, nebensächlich spürbar verzögerte Fortsetzung der Wiedergabe des gestrandeten Textes. "In dem mein Körper makellos von Brandwunden ist." Flati verlangsamt, Hubert erhöht das Tempo. Barmherzige Ansage des Zirkusdirektors: "Ladies and gentlemen, the king of underground poetry". Gespräch über L.A. und Amerika, zwei Menschen, die nie über Europa hinauskommen werden, aber ständig außerhalb leben.

Indianer auf Abwegen, 6 Uhr abends, whiskybeladen. Wehgeschrei trinkender Bastarde, F beschwört die Gottheit der Untergrund-Poesie, Rülpser von J. Hendrix. Miami Geiß, Flati fickt Kusinen, Surfbrett, Saufbrett, Hubert hustet engagiert, sein Partner versucht das Gleichgewicht zu bewahren. Flati + H kurze Zeit auf gleicher Spur. H: Als schlechter Schwimmer darf man kein Surfbrett betreten. .. Es war keine einzige Möwe mehr zu sehen, alle Möwen waren verschwunden. F: abgedroschen. Beirut, Hubert spricht F nach. Da war kein Hotelzimmer, sondern eine Pension. F beginnt amerikanisiert zu sprechen, verursacht politische Schwierigkeiten. Kurze Auszeit für Hubert, Flati macht alleine weiter, ...und die glühende Nachmittagssonne am Horizont unterzugehen beginnt...". F wird entführt. Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe. Für wen arbeitet Flati? Suleika. Er wird nicht ermordet und zurückgebracht, Zuckerpuppe ohne den Poeten. Schod, daß`d ned schwul bist (H). Wilhelm, das wilde Tier im Smaragd.

Hubert Rotterdam, Flati als einfacher Passagier. Hafenkneipe, Bekannter. Anruf beim Magier. Freundschaftspreis für amerikanische Marlboro. "Der Magier erwartet uns in seiner alten Villa außerhalb von Rotterdam." Zwei Koks-Straßen. Stoßspiel. Auftritte von F/H fallen in die Kategorie der verbotenen Glücksspiele. Einen humpelnden Feldweg entlang. Der Magier streckt die Hände über der Kawasaki aus und spricht fremdsprachige Worte. Flati fliegt, Hubert beschleunigt enorm. F wird von einer Bluesgruppe erwartet.

  P a u s e .     
Der Leidensweg der Unterdrückten am Bf. von Mexico City, von Ohio kommend. Kurz-Rap. Die Hitze im Wageninneren. Im Reservat der Tequilaflaschen. Häuptling "Schwarzer Elch" in Mexico. Weiße Männer aus Texas. H: Man sollte Feindseligkeiten vermeiden. Ich mache das schon, Amigo. Flati als Verbündeter der Indianer. "In dem ich mich für ihre Rechte einsetzte, in dem ich drei Wochen bei ihnen wohnte." Endlich wieder Schlüsselbrett, fernöstlicher Gesang. Flati drischt auf sein Instrument ein, was nichts an den Tönen und der Lautstärke verändert. Der König bescheinigt Hubert, die 7. Inkarnation von Mantau (=Manitou?) zu sein. H: Ihr habt mich alle übersehen.

Lichterglanz der Sterne, beschauliche Sekunden der Umnachtung folgen. Das Keyboard tönt weiter (selbsttätig). Nachts in der belebten City, die Schlüsselablage verschwindet zwischendurch unter Gitarrenklängen. "Werft eure Ängste und moralischen Bedenken über Bord!" Wandrin` star/H. London again, Schwert des Kalifen, Ritter Flati, Kingpoet von D + Österreich, Leben in Linz, Revolutionsführer, Studentenführer in politischer Hinsicht, Sicherungen ausgebrannt. Einzublendende Versatzstücke: I foa mit`n Flati nach London/der Taxifahrer fährt auf der falsche Seite, Gruppensexorgie (F) contra Techno-Party mit Ecstasy (H). "Are you ready?", Flati singt ("), H schaut & hört zu, stimmt nach Überwindung der daraus resultierenden Momente der Resignation gröhlend mit ein, ausgezeichnetes Zusammenspiel, Route 66.

Etwa eine Textlänge später verabschiedet sich Hr. Grillberger vom Bühnengeschehen in mehreren bemerkenswerten Etappen, beste Sequenz: der innerliche Vor-Ausstieg. Telegramm nach Linz, Hubert sitzt erschöpft am Bühnenrand, Flati hinterläßt nach wie vor tiefe Furchen in den Gehirnen des Publikums, das blöde Keyboard jault seit der Pause un- und angetastet in der Selchkammer, und Hubert klettert auf die Bühne zurück, greift erneut zur Gitarre. Trotz aller Müdigkeit Hoawoschn, heja heja heja heja heja heja heja heja he, hea, hecha, höher. Wegspinnen. Dancing in the disco. "Auf geht`s!", der Textabstand vergrößert sich. Hubert und Flati in Vorfreude auf Altersheim und Griaßkoch. Hey Joe, Schachspiel am Kanalgitter, abschnittsweise mieselsüchtiges Kabarett. These boots are made for walkin`, die beiden Akteure spielen ungerührt auf permanenten Publikumswechsel hin. Ich taste mich durch den Nebel in Richtung Themse.

An der Grenze zum neuen Tag passiert ein Frachtschiff meinen Standort. Tiefer, komprimierter Blues schwingt über die von der Schiffsbewegung verstärkten Wellen ans Ufer.

"Wir müssen mit beiden Beinen am Boden stehen, sonst sind wir verloren"
(Hubert Grillberger vor dem Ereignis).


MÄRZ 96


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