ZEIT & GENOSSEN
Politische Verschlamptheit und Verrohung
Wieder einmal ist es dem Betreiber dieser Kolumne nicht gelungen, damit
aufzuhören, obwohl der Beschluß diesmal so gut wie fix war. Es
sind jedoch, wie immer, politische Zusammenhänge anzuführen, die
ein weiteres Erscheinen notwendig machen, und vor allem Entwicklungen, Haltungen
und Positionen von Menschen, die vorgeben, nicht auf der Seite der Macht
zu stehen. Menschen und Zusammenhängen, die von der Gesellschaft mehr
fordern als das neoliberalistische, mit rasender Geschwindigkeit in Richtung
Totalitarismus schlitternde System zu geben bereit ist. Die Polemik gegen
sich links und alternativ gebärdende Figuren, dubiosen Gaunergestalten
der politischen Szene, mag bei Lesern dieses Blattes nicht so sehr auf Gegenliebe
stoßen, wiewohl beispielsweise eine geharnischte Kritik gegen diverse
Oberpolitikwursteln aus den regierenden Etagen. Aber die Auseinandersetzung
mit Pühringer und Achatz, mit Krenn und Haider ist schlichtweg langweilig,
verströmen diese Kryptofaschisten und Blödmänner doch eine
dermaßen seditativ-einschläfernde Wirkung, daß Spaß
in der Auseinandersetzung sich nicht wirklich einstellen kann. Was nicht
heißen soll, daß nun die anderen spannender wären. Aber
um mit dem alten Henscheid zu reden: "Kritik z.B. an der eigenen Verwandtschafts-Bagage
bringt viel mehr erotic drive." Und dem Autor wahrscheinlich wieder
einmal Prädikate wie "Stalinist" oder nur einfach "Arschloch".
Alle ändern sich und doch bleiben sie so gleich. Diese "Böhsen
Onkelz"-Rocker beispielsweise, Naziburschen seit ehedem, Kultband der
Jungfaschisten immer noch. In jüngster Zeit, so verlangt es wahrscheinlich
die PR-Abteilung, versuchen sie, ihr Image als Nazi-Band loszuwerden. Ein
schweres Unterfangen wenn man gleichzeitig betont und poltert "Unsere
Erfahrungen bleiben - so wie unser Name", "Unsere Ehre heißt
Treue" wenn's ein bißchen mehr sein darf ein ander Mal. Nach
wie vor gehätschelt in rechtsextremen Blättern wie "Moderne
Zeiten" oder "Europa vorn", wird eben nur das Image, der
Schein, poliert und nicht der Inhalt. Zur PR-gemäßen Imagepolitur
spannen sie gerne Gutmenschorganisationen vor, die dann bei Konzerten reden
dürfen, und man ihnen ein Almosen aufs Spendenkonto überweist.
Wie hier in Linz, wo eine sozialdemokratische Stammtischidee aufgegriffen,
"humanitäre" Organisationen eingeladen wurden, Infostände
aufzustellen vorm Konzert und vielleicht sogar Festtagsreden abzusondern.
Amnesty International und Volkshilfe haben den Schwindel schnell durchschaut
und abgewunken, salonfähig machen wollten sie die Nazi-Rocker und ihr
Umfeld nun wirklich nicht.
Nur die SOS-Mitmenschen und deren Geschäftsführer Ecker, bislang
im grauen Heer mittelmäßiger Peinlichkeiten dümpelnd, haben
sich nun kräftig hervorgetan und sind somit in den Olymp der "Zeit
& Genossen" Kolumne hinaufgefahren. Ja, ja, manche basteln halt
lange an solch einem Karrieresprung. Infostand und Rede sollten nun gehalten
werden beim Nazi-Gig. Krachlederne Dummheit das Argument von Ecker, an ein
solches Publikum würde man sonst nie rankommen. Als ob Jugendkultur
durch Festtagsreden bestimmt und vermittelt würde und nicht primär
durch Codes. Und die stärkeren Codes, jene, die bei den Kids auch ankommen,
haben da (und sind) die "Onkelz". "Böhse Onkelz"
steht beim Großteil der Fans heut immer noch für Rassismus, Ausländerfeindlichkeit,
Gewaltbereitschaft und Rechtsextremismus. Da ändert auch das neuerliche
Bravgeschwafel von der Band keinen Deut. War vor einiger Zeit ein Dialog
mit der rechtsextremen FPÖ noch Diskussionsstoff in der Szene, so ist
es heute der Dialog mit Neonazis, den manche führen wollen. Diese Aktion
verhindert, und den Geschäftsführer, den alten Gaidiburschen zurückgepfiffen,
hat dann doch noch der Vorsitzende der SOS-Mitmenschen Gruber. Ihm schien
noch nicht der letzte Funken Vernunft abhanden gekommen zu sein. Man müßt
halt wissen, welche Meinung bei der folgenden Aktion der SOS-Mitmenschen
er vertrat.
Eine Sache, die wahrlich nicht losgelöst von obigem Griff in den Dreck
betrachtet werden kann. "SOS-Mitmensch schlägt das Wachpersonal
des Linzer Polizeigefangenenhauses für den Menschenrechtspreis des
Landes Oberösterreich vor", war da in den Zeitungen zu lesen.
Ein ausgemachter Stiefel möchte der Wohlmeinende da sagen. Ein gefährlicher
dazu, möcht' ich noch anfügen! Die Polizei wurde vorgeschlagen,
weil Schubhäftlinge "Mensch ärgere Dich nicht" (ein
Hohn!) spielen dürfen und mit Kaffe und Tee bewirtet werden, den die
SOS-Mitmenschen spendieren. Weil die Polizisten neuerdings verstehen, daß
Schubhäftlinge unter starkem psychischem Druck stehen, wie ihnen das
die Mitmenschen beigebracht haben. (Was Wunder, wenn man manchen Gefangenen
direkt an den Galgen liefert.)
"Wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann schreie ich", lärmt
SOS-Schubhaftbetreuerin Kolic in staunenswerter Einfalt. Was will sie denn,
diese naive Figur? Häftlinge ruhigstellen, daß sie in aller Ruhe
abgeschoben werden können. Verhindern, daß Schubhäftlingen
sich in Hungerstreik begeben, sich wehren gegen die Auslieferung an ihre
Henker. Nicht daß die Leute abgeschoben werden ist die Frage, sondern
nur noch wie. So sehens jedenfalls andere, die ebenfalls AusländerInnen
betreuen.
Eine politische Verschlamptheit und Verrohung was SOS-Mitmensch da betreibt,
denn war früher noch die Asylpolitik Österreichs im Schußfeld
der Kritik, die zu den restriktivsten in Europa zählt; einer Asylpolitik
die zwar regierungskolitionär beschlossen, aber vom Volksbegehren "Österreicher
zuerst" festgeschrieben worden ist, gegen das die SOS-Mitmenschen noch
kerzenhaltend lamentierte. Jetzt weiß man, was von diesen Lichterketten
zu halten war. Die SOS-Mitmenschen exekutieren heute eben die Gesetze, gegen
die sich auch damals nicht wirklich protestierten.
Nicht die Asylpolitik ist ihnen das Problem, sondern die "Asylanten"
wenn sie sich dagegen wehren. "Ausländer raus!" mit anderen
Mitteln muß man meinen. Womit der Zusammenhang mit den "Onkelz"
wieder hergestellt wäre.
Matti Link