HILLINGERS EU-Tagebuch


15.Oktober
Kann man der Fratze des Kapitalismus ins Auge schauen? Man muß nur Zeitung lesen. Mitunter blickt man da in ein Allerweltsarschgeigengesicht. So ein Gesicht stelle ich mir zu dem Kürzel (heb) vor, das in der Rubrik "Nachrichten Anders"der OÖN unter einer wohl lustig sein sollenden Kritik an den "spendablen Diensten" der Gemeinde Steyr steht. "...Nebenbei gibt es auch ,Schmutzzulage für Pissoirreinigung'. Und wer glaubt, die Pflege des eigenen Arbeitsgerätes sei im Grundlohn inkludiert, der irrt: Baggerfahrer kassieren als Zulage noch eine ,Schmierzulage'". Wer den Unterschied zwischen Griffel und Bagger nicht kennt und mit Sicherheit eifrig Rechnungen sammelt, damit er vom Finanzamt für s e i n eigenes Arbeitsgerät und dessen Pflege Geld herausschinden kann, weiß auch nicht Bescheid über die Arbeit in Altenheimen - schreiben darf er trotzdem darüber: "Manchen Arbeitern und Arbeiterinnen überweist die Stadt eine ,Gesundheitsgefährdungszulage' - nein, nicht dem Kanalreinigungspersonal, sondern den ,Büglerinnen, Näherinnen sowie den Haushaltsgehilfinnen der Heimabteilung des Alten - und Pflegeheimes Tabor'. Den selben Zuschuß kassieren auch die ,Windelwäscherinnen'...". Wie ist das ist mit den vollen Windeln aus dem Altenpflegeheim Tabor? Wurde da nicht eine zuviel gewaschen? Hätte die nicht zumindest auf dem Schreibtisch von (heb) landen sollen?
22. Oktober
Beim ersten Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO im Dezember in Signapur wird die EU keine Initiative für die Einführung von Sozialklauseln ergreifen. Diese Klauseln hätten Basisrechte wie das Verbot von Kinder - und Gefängnisarbeit und die freie Assoziierung von Gewerkschaften enthalten sollen, aber die Niederlande und Großbritannien stemmten sich dagegen.
24. Oktober
Eine deutsche Schuhhandelskette für "Markenschuhe" eröffnet in Vöcklabruck und in Freistadt neue Filialen und sucht Arbeitskräfte für Verkauf und Regalbetreuung. Gesucht werden mobile und flexible Frauen für 10 Stunden Arbeit in der Woche. Das heißt, die Frauen sind nur geringfügig beschäftigt und haben keinen Anspruch auf Kranken - Arbeitslosen - oder Pensionsversicherung.
13. November
In Hamburg ist die erste Ladung an genmanipulierten Sojabohnen längst gelöscht. Gesundheitsministerin Krammer will diese Sojabohnen kennzeichnen, Umweltminister Bartenstein gar nicht erst ins Land lassen. Beides ist nach EU - Recht illegal. Die EU - BeitrittsverhandlerInnen haben 1994 keine Ausnahmeregelung für die Richtlinie 79/112 ausgehandelt. Die Schweden schon. Jetzt darf ein von der EU zugelassenes Produkt in Österreich nicht mehr einseitig gekennzeichnet werden. Ein Importverbot ist sowieso nicht erlaubt. Österreich müßte erst nachweisen, daß das Gen - Soja gesundheitsschädlich ist und damit Bescheide der EU widerlegen.
14. November
Schüssel kam vom jüngsten EU- Außenministertreffen mit folgendem Auftrag heim: Arbeitslosigkeit soll auf nationaler Ebene bekämpft werden. Herbert Buchinger ist Chef des AMS. Er hat zuwenig Budget, um für Arbeitslose sinnvolle Maßnahmen zu setzen. 1997 stehen 5 Milliarden Schilling zur Verfügung, dazu kommen 1, 15 Milliarden aus dem EU - Sozialfonds und rund 300 Millionen Schilling EU - Gelder aus dem Vorjahr, weil wegen der Brüsseler Bürokratie die Förderungen zu spät angekommen sind. Die Geldknappheit trifft natürlich die "Kunden" des AMS. Die werden vermittelt, vermittelt, vermittelt. Der Reisebüromensch als Tankwart, die Näherin mit kleinen Kindern als Küchengehilfin mit Arbeitszeit bis 23 Uhr, samstags und sonntags auch. So ein "Vermitteln" bedeutet vor allem für Frauen nicht unbedingt rein in einen neuen Job, sondern raus aus den Bezügen des AMS.
Ab Jänner gibt es neue Ladenschlußzeiten, bei den öffnungsziten der Kinderbetreuungseinrichtungen ändert sich nichts. 66 Stunden in der Woche dürfen die Geschäftsbesitzer offen halten, unter der Woche bis 19 Uhr 30, am Samstag bis 17 Uhr. Was den offenen Samstag betrifft, sind wir jetzt auf EU - Niveau. Am Sonntag haben auch noch sechs weitere EU - Staaten geschlossen. Früher oder später wird auch der Sonntag harmonisiert.

Dezember 96


wir lesen hören schauen linz