An den TITTEN nuckeln

Was soll man mit all den Überflüssigen, Leistungsschwachen, Arbeitslosen, Taugenichtsen in der Welt anfangen, fragten sich einige für die Weltenlenkung berufenen Konzernbosse und Funktionäre. Einer von ihnen, der jahrelange Berater von Ex-US-Präsident Jimmy Carter, Zbigniew Brzezinski prägte hiefür in einem bemerkenswerten Zynismus den Begriff "Tittytainment", die er sich als eine Kombination von <entertainment> und <tits> vorstellt. Da man die "surplus people" nicht einfach aus der Welt schaffen, oder ohne sich zu kümmern, ihrem Schicksal überlassen kann, soll man sie an den Titten des Kapitals nuckeln lassen und mit betäubender Unterhaltung bei Laune halten.

Photo: Hans BellmerVielerorts schwellen die Gesänge von Untergang, Endzeit, Chaos an; Globalisierungsfallen, Organisierte Kriminalität, Finanzcrashes, Fundamentalismen, Hunger, Armut, Bevölkerungswachstum, usw. bedrohen unsere Welt. In diesem Klima gedeihen allerlei theoretische Vereinseitigungen mit relativem Erkenntniswert bis hin zu esoterischen, halluzogenen Vorstellungen und Szenarien. Und viele Linke lassen sich dabei den Kopf waschen, die Besonneren gestehen die Zweifel, Verwirrungen und Ohnmacht ein, wieder andere erkennen auf einmal mysteriöse Kräfte, die scheinbar aus dem Bauch der Welt ihre Wirkungen entfalten.
Es mag dem gelassenen Zynismus eines amerikanischen Weltkommentators wie Brzezinski, den Großteil der Weltbevölkerung mit Milch und Bildern bei Laune zu halten, entsprechen, in Wirklichkeit aber wird es aber bei der Verwirrung der Sinne und Vernebelung des Bewußtseins nicht bleiben; leider haben die Menschen auch noch ein körperliches Anhängsel, dessen Ausreizung bestimmte Schmerzgrenzen kennt.

Ohne die beängstigende Entwicklung, sei es in der kapitalistischen (Welt-)Wirtschaft, in der Gesellschaft oder in der Politik, relativieren oder gar bagatellisieren zu wollen, muß aber auch darauf verwiesen werden, daß historisch gesehen, sich der Kapitalismus nicht das erste Mal anschickt, seine Verwertungsbedingungen so umzustrukturieren, daß die Profitrate wieder durchschnittlich der normalen Gier entspricht. Die wohlfahrts- und sozialstaatliche Ausstattung des Kapitalismus in den 60- und 70-er Jahren in den wirtschaftlichen Zentren war einerseits dem menschheitsgeschichtlichen Schock, den der Faschismus der Welt versetzt hat und der damit verbundenen nachher boomenden Wirtschaft geschuldet und andererseits dem sozialistischen Weltsystem zu zeigen, schaut her, was ihr sozial könnt, können wir auch und ohne blöder, offensichtlicher Unterdrückung. Mit dem Zusammenbruch des Sozialismus und den jahrzehntelangen ziemlich erfolgreichen Bemühungen, den Faschismus vom Geruch des Kapitalismus in seiner extremsten Form zu befreien, wurden die historisch vorübergehend aufgebauten Schamgrenzen gegenüber unverhüllter Ausbeutung und sozialer Not wieder niedergerissen. Viele verfielen der Illusion, der Kapitalismus wäre zu zähmen, er wäre ein anderer geworden.
Um ja nicht auf das Kernproblem, nämlich der weltweiten Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft so ungleichzeitig, diskontinuierlich, nationalstaatlich unterschiedlich der Verlauf auch sein mag, - was ja zur Verwirrung nicht unwesentlich beiträgt -, zu kommen, werden alle möglichen Erscheinungen und Wirkungen als Ursachen ausgegeben. Einmal sind es die "Finanzmärkte", die die Weltwirtschaft kollabieren lassen und das produktive Kapital strangulieren, ein andermal wird ein "Ende der Arbeit" prophezeit, weil anscheinend die Maschinen/die Technik ohnehin alles machen und nur mehr ein paar Ingenieure gebraucht werden. Wieder ein andermal lassen manche die Nationalstaaten verschwinden, weil sie ja dem riesigen global flottierenden Finanz- und Spekulationskapital hilflos ausgeliefert sind und ihm gegenüber ihre Souveränität verlieren - von den demokratieheilenden Wirkungen, die von der weltweiten kommunikationstechnologischen Vernetzung ausgehen sollen, einmal ganz abgesehen.

Wenn man schon von Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft spricht, dann geht es natürlich zuerst einmal um die Löhne, um die "lästigen" Lohnnebenkosten (wie Sozial-, Arbeitslosen,- und Pensionsversicherungen) dann weiter um die Flexibilität, Mobilität, Ruf- und Parkbereitschaft der Arbeitskraft, um die Vernebelung des Bewußtseins hin zur Produktionsfamilie und Ausräumung des Klassenbewußtseins, um die Zerschlagung der interessensorganisierenden Einrichtungen wie Gewerkschaften, Umfunktionierung der Betriebsräte hin zu verständnisvollen Lohndrückern und Streikbrechern, und bis hin zum Arbeitsdienst, Zwangsarbeit. Ein Zauberwort, das in letzter Zeit immer häufiger kursiert, heißt Risikogemeinschaft. "Es meint eine Marktwirtschaft, die nicht von sozialen Errungenschaften oder präventiven Zahlungen für die Befriedigung domestiziert ist, sondern unverfälscht wirken kann - als das in die zivile Gesellschaft übernommene darwinistische Naturgesetz. Wer im Konkurrenzkampf brutal und geschickt genug ist, gewinnt zu Recht. Wer auf der Strecke bleibt, darf als Loser potentiell oder real entsorgt (ausgemerzt) werden." (Thomas Ebermann/Rainer Trampert in konkret 3/95, S. 30)

In Österreich kann dieses Programm "Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft" von einer Haider-FPÖ am effizientesten umgesetzt werden, weil es deren Programm ist; die SPÖ und ÖVP haben hiefür zuviel ideologischen, organisatorischen, historischen Ballast, usw. - die SPÖ ist zu langsam, zu zögerlich, hat zuviele Rücksichtnahmen zu machen; die ÖVP aber schickt sich immer mehr an, diesen über Bord zu werfen; außerdem braucht sie nur in ihrer ständestaatlichen Rumpelkammer herumwühlen, um die Rezepte zu finden.

Eine Gelegenheit, die Gehirnzellen der Linken wieder etwas auf Trab zu bringen, ist die Veranstaltung mit Thomas Ebermann und Rainer Trampert, den Autoren des Buches "Die Offenbarung der Propheten", in der Arbeiterkammer Linz am Donnerstag, den 21. November.
Franz Primetzhofer


November 96


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