Widerstand im Salzkammergut

Aufforderung den Spuren der Partisanen zu folgen in Buchform

Wohl einer der bemerkenswertesten Wanderführer ist jüngst im oberösterreichischen Kleinverlag "Edition Geschichte der Heimat" erschienen. "Auf den Spuren der Partisanen" ist der Band betitelt, der Wandern nicht nur als Freizeitsportart beschreibt, sondern seine gesellschaftspolitische Dimension berücksichtigt. "Nicht die Anzahl der zurückgelegten Kilometer" bringe heim, "sondern die erweiterte Einsicht in das vielgestaltige Leben der Menschen und deren materielle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen", formulierten die Naturfreunde 1911 das Prinzip des "sozialen Wanderns". Es sollte nicht allein um ein ­p; womöglich romantisch verbrämtes ­p; Naturerlebnis gehen, körperliche Betätigung in der Natur müsse durch politisch-soziales Lernen ergänzt werden, so lautete die Forderung der Naturfreunde. Ein Anspruch, der heute - in Zeiten absoluter Ökonomisierung und Kommerzialisierung sämtlicher Freizeitaktivitäten - aktueller ist denn je.
Dieser zeitgeschichtliche Wanderführer ist gleichzeitig eine Hommage an den Historiker und Naturfreund Peter Kammerstätter, der lange Zeit seines Lebens der Erforschung und Dokumentation des Antifaschistischen Widerstands im Salzkammergut gewidmet hat. Ihm fällt gewissermaßen das Verdienst zu, mit seinen historischen Wanderungen im Salzkammergut, aber auch im Hausruckgebiet, die Idee des sozialen Wanderns neu belebt zu haben.
Seine Arbeit zum Thema "Freiheitsbewegung im oberen Salzkammergut ­p; Ausseerland 1943 - 1945. Materialsammlung über die Widerstands- und Partisanenbewegung WILLY FRED" bildet die inhaltliche und historische Quelle für diesen Führer. Ein Werk, das Kammerstätter in jahrelanger Recherche vor Ort zusammengetragen hat. Denn Kammerstätters wichtigste Methode der Forschung war vor allem das direkte Gespräch mit den Menschen, den Zeitzeugen. Dieses große Wissen und die Erinnerung dieser Leute müssen geborgen und weitervermittelt werden. Seine historischen Wanderungen schienen ihm ein geeignetes Mittel, diese Geschichte, die kaum in Schulbüchern zu finden ist, an jüngere Generationen weiterzugeben. Bemerkenswert in diesem Buch ist auch ein Aufsatz des Salzburger Universitätsprofessors Gerhard Botz zur Tradition des Widerstands im Salzkammergut, über Landschaft und Gesellschaft und die großartigen Leistungen der Widerstandsbewegung in dieser Region. Insofern ist dieser Titel auch als zeitgeschichtliches Lesebuch zu sehen.

Der Wanderteil dieses Buches ist nicht, wie sonst üblich, nach geographischen Richtlinien organisiert, sondern nach der Chronologie der historischen Ereignisse. Die ersten drei der zwölf vorgeschlagenen Wanderungen folgen dem Fluchtweg von Sepp Plieseis, der im Oktober 1943 aus einem Nebenlager des KZ Dachau nächst Hallein fliehen konnte und sich, verfolgt von SS und Gestapo, ins Salzkammergut durchschlug. Sepp Plieseis war einer der wesentlichen Köpfe der Partisanenbewegung im Salzkammergut. Neben vorzüglich beschriebenen Wanderrouten (Christian Topf) findet man zu jeder Route historisches Hintergrundmaterial, nebst vielen Originalzitaten von Zeitzeugen, sowie literarische Beiträge zu den jeweiligen Ereignissen. Beispielsweise die Flucht des Chefs des NS-Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner im Mai 1945. Dieser ließ sich von einem Jäger auf die Wildenseealm im Toten Gebirge führen, um der Bestrafung für seine Kriegsverbrechen zu entgehen. Der Jäger stammte jedoch aus den Kreisen der Widerstandsbewegung. So konnte Kaltenbrunner wenige Tage danach von amerikanischen Militärs verhaftet werden. Der Schriftsteller Franz Kain schildert in seiner Erzählung "Der Weg zum Ödensee" eindrucksvoll Flucht und Verhaftung dieses Kriegsverbrechers. Auszüge finden sich auch in diesem Buch.
Die Wanderungen in diesem Führer, der unter Mithilfe der Naturfreunde Oberösterreichs herausgegeben wurde, bieten für alle Interessen und Konditionslagen etwas. Vom ausgedehnten Spaziergang in Bad Ischl zu einem Treff der Widerständler bis zur Gebirgsüberschreitung, die einiges an Kondition abverlangt. Insgesamt ein Führerwerk, derer es sicherlich mehr bedürfte für Leute, für die Wandern mehr ist als gipfelgeiles Alpinschwitzen

Ferdl Frühstück

Christian Topf: Auf den Spuren der Partisanen ­p; Zeitgeschichtliche Wanderungen im Salzkammergut; Edition Geschichte der Heimat, Grünbach 1996, 232 Seiten, S 248,-

Oktober 96


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