Fabrikanten
Date: Sun, 06 Dec 1998 18:37:38 +0100

Hallo
Anbei meine Stellungnahme fuer heute Abend
Ich bin wie angekuendigt in Berlin.
Liebe gruesse nach Linz Wolfgang

Die Fabrikanten: Stellungnahme zum KEP bzw. Forderungspapier der freien Szene

IST - ZUSTAND:
Wir arbeiten seit fast 10 Jahren und versuchen mit unseren Projekten ein neues Künstlerbild zu prägen. Wir setzen Kommunikationsstrategien im sogenannten, freien künstlerischen Bereich als auch für Auftragnehmer um. Und genau das machen uns Subventionsgeber immer wieder zum Vorwurf. Sie haben Angst, sie könnten - Gott weiß was - subventionieren! Da hilft auch keine jahrelang belegte Abrechnungspraxis, in der immer wieder nachgewiesen wird, wieviel wir selbst in Projekte investieren, an Geld, an Zeit, und an einer zur Verfügung stehenden Infrastruktur. In den letzten Jahren wurde der Sparstift angesetzt, in absoluten Zahlen ausgesprochen - keine weltbewegenden Summen - das ist bei unserem Subventionsvolumen nicht möglich. Aber prozentuell gesehen von Seiten der Stadt Linz doch relativ dramatisch.
1997 bekamen wir ÖS 120.000,- mit der ausgesprochenen Absicht die Subvention jährlich anzuheben, um in etwa mit den Landesförderungen gleichzuziehen. 1998 bekamen wir ÖS 100.000,- also eine Kürzung um fast 20 Prozent, mit der Absichtserklärung diesselbe Förderung in den darauffolgenden 2 Jahren ebenso auszuschütten, sofern die Projekte mit denen wir ansuchen okay sind. Und mehr sei eben nicht drinn. Dies führt mittlerweile zum Effekt, daß auch andere Subventionsgeber kürzen wollen: "Dann, wenn unser unmittelbar zuständiger Fördergeber ohnehin schon weniger zahlt und diese Budgets auch noch kürzt....”
Darüber hinaus zahlt die Stadt nur für Projekte, die im Stadtgebiet stattfinden, überregionale /internationale Projekte sind nicht unbedingt förderungswürdig - maximal die Fahrtkosten.

Dazu ein Auszug aus dem Basler Kulturentwicklungsplan, eine Stadt die wohl durchaus mit Linz vergleichbar ist: da heisst es bereits in den einleitenden Bemerkungen:
Intensivierung des Kulturaustausches mit dem Ausland.......Atelieres, Austauschprogramme...

Würden wir keine Auftragsarbeiten machen, könnten wir unter diesen Bedingungen schon lange nicht mehr existieren. Und daß wir durch unsere Arbeit und der zur Verfügung stehenden Infrastruktur Projekte erst ermöglichen, will man nicht einsehen.
Das Dilemma: Wir sollen keine Auftragsarbeiten machen, aber höhere Subventionen können auch nicht gewährt werden. Dh.im Klartext zu uns: Was ihr macht ist nicht okay, weil wir uns unter freier Szene etwas anderes vorstellen. Wenn ihr allerdings unseren Vorstellungen entsprecht, bekommt ihr auch nicht mehr Geld.
Wiederum Auszug aus dem Basler Kulturentwicklungsplan: Für Kulturinstitutionen gilt MAKING THE RULE, für Porjekte und wohl auch die freie Szene BREAKING THE RULE. Diesem Kulturverständnis des ständigen gegenseitigen Korrektivs können wir sehr viel abgewinnen.

Darüberhinaus wollen wir auf unsere Auftragsarbeiten keinesfalls verzichten:

a) weil wir viele Aufträge spannend finden. Nur eine verklärt romantische Sichtweise wünscht sich Künstler, die fernab im Dachbodenkämmerchen an ihren Obsessionen arbeiten.

b) weil uns die existentielle Unabhängigkeit von Subventionsgebern wichtig ist. Daher können wir nicht argumentieren, daß unsere Existenz bedroht ist, wenn Unterstützungen eingeschränkt werden, aber es leiden Freiräume und die Qualität der Projekte unter diesen schlechten Bedingungen. Und da unsere MitarbeiterInnen zu recht auf eine gerechte Entlohnung pochen, scheinen viele Projekte unmöglich bzw. können wir wahrscheinlich nur mehr 1 bis 2 Projekte pro Jahr in zwischenzeitlich zu entwickelnden Qualitätsstandards realisieren. Je professioneller also unsere Rahmenbedingungen werden (dazu gehören ordentliche, sozial abgesicherte Arbeitsbedingungen für MitarbeiterInnen wie sie der Staat ja auch fordert) umso weniger scheint es möglich, Projekte zu realisieren.

Dramatische Appelle haben bisher nicht gefruchtet. Wir werden zwar von manchen Fördergebern gerne als innovatives Modell angeführt, finanziell hat das keine Auswirkung.
Größere Projekte sind nur noch aufgrund Einzelengagements von Kulturbeamten bzw. Privatpersonen möglich. (wie z.B. THE GREEN LINE in Palästina/ Israel.)
Ansonsten werden unsere freien Projekte y. Yt. Aus Budgetgründen immer weniger an der Zahl.

FAZIT: Mit freier Szene ist nach wie vor "Selbstausbeutung§ gemeint....sowie Rahmenbedingungen die wohl in kaum einem anderen Bereich akzeptiert werden wuerden.

FORDERUNG FÜR UNS SELBST:

Finanzieller Bedarf für die Fabrikanten:
Wir fordern von der Stadt Linz als Subventionsgeber kurzfristig eine Verdoppelung unseres jährlichen Projektbudgets auf ÖS 200.000,- und mittelfristig eine Verdoppelung dieses Budgets.
Weiters die Möglichkeit anteilige Personalkosten und Infrastrukturkosten bei Subventionsabrechnungen geltend machen zu können. Für die Richtigkeit der Angaben der aliquoten Strukturkosten wird die Steuer- und Wirtschhaftsprüfungskanzlei "Leitner und Leitner "garantieren. Mit diesem Usus soll ebenso fuer andere Subventionsempfänger die auch kommerzielle Auftragsarbeiten abwickeln ein Argument der wettbewerbsverzerrendenden Subventionierung entkräftet werden.

Struktur im Umfeld
Gerade im Medienfeld sind mittlerweile soviele verschiedene Bereiche relevant, die wir nicht alle selber finanzieren können. Infrastruktur, Geräte die der Szene zur Verfügung stehen, wären für uns sehr hilfreich. (gerade im Video- und Filmbereich)
GENERELLE FORDERUNGEN

Wir fordern eine Starthilfe:
Unsere Forderungen sollen nicht nur bestehenden Projekten zugute kommen, sondern verstärkt anderen neuen Eigeninitiativen. Zumal mit der bestehenden Szene Anfängern gegenüber argumentiert wird, daß sie sich doch auch erst einmal bewähren müssen = jahrelang sich selbst ausbeuten müssen. Diese Forderung wollen wir nicht. Ganz im Gegenteil: aufgrund der doch weithin guten Erfahrung müssen Einzelinitiativen viel offensiver gefördert werden.
Eine Innovationsplattform scheint uns notwendig; z.B. ein Schiff, das eine Infrastruktur zeitlich begrenzt, jungen Initiatoren als Ausgangspunkt für Projektentwicklung zur Verfügung steht und mobil ist. (dieses Projekt wollten wir im Rahmen de EU - Kulturmonats `98 realisieren)

Strukturbausteine - das LEGOprinzip – kleine flexible strukturelle Dienstleistungseinheiten ergänzen bei Bedarf die freie Szene. Aus kleinen Bausteinen können bedarfsorientierte Grossstrukturen temporär eingerichtet werden: TEMPORÄRE KULTURRÄUME/ FLEXIBLE EINRICHTUNGEN, ZWISCHENNUTZUNGEN von freistehenden Immobilien ; zeitl begrenzte und auf den Bedarf abgestimmte Angebote wie Video Aufnahmeequippment, digitaler Schnittplatz (auch im Hinblick auf freies TV vgl FRO/, UnixAnlage für Highend Produktionen, PR-Werbung, Projektmanagement `=EU GELDER; EU PROJEKTE gerade im audiovisuellen Bereich..

Bestehende Institutionen
Bei den bestehenden Institutionen bin ich sehr skeptisch was die Zusammenarbeit als Verpflichtung betrifft. Möglicherweise ist ein Eigenfinanzierungspflichtanteil der zu einem noch sorgsameren Umgang der Mittel anhält gut. Durch die Stärkung des Potential der freien Szene werden die Institutionen verstärkt auf die freie Szene zugehen, und dieser soll eine Wahlmöglichkeit bleiben, also auch keine Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Wahlmöglichkeit heisst finanzielle Unabhängigkeit von Angeboten der Institutionen. Nur so kann eine Normalisierung erreicht werden. Zur Zeit wird uns und anderen das Gefühl der Bittsteller -vergleichbar eines weiteren Subventionsgeber- vermittelt.

Kulturzeitung
Linz braucht eine kritisch reflexive Auseinandersetzung mit dem Kulturgeschehen. Nachdem die wenigen noch vorhandenen Tageszeitungen keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem kulturellen Geschehen bieten, fordern wir eine unabhängige Zeitung vergleichbar dem Hillinger zu unterstützen. Unser Vorschlag: Die Mitteln der Monatszeitung "Was ist los” die nur wenig Akzeptanz findet, einer unabhängigen Zeitungsgruppe zur Verfügung zu stellen.

Kartell (zu dt. Interessengemeinschaft)
Wir fordern eine finanzielle Unterstützung zur Etablierung des Zusammenenschlusses der freien Szene. Sodass diese sich regelmäßig treffen, diskutieren und vor allem ihre Anliegen wirksam artikulieren kann. (Im Sinne eines Outsourcing von kulturpolitischen Agenden aus dem Magistratsbereich). Es werden mit dieser Arbeit nämlich kontinuierlich Aufgaben der Kulturententwicklung wahrgenommen.

Wolfgang Preisinger DIE FABRIKANTEN