Linz: Kultur-Kartell statt Bau-Kartell


Die Debatte, ob im Schatten der Hochkultur sich andere Kultur entfalten kann, ist noch immer nicht ausgestanden. Das Land Oberösterreich plant ein Musiktheater, die Stadt Linz ein Donaumuseum. Die Szene setzt sich zur Wehr und fordert ihrerseits die Einrichtung eines Impulstopfes für die Freie Szene. Ob das eine wirkliche Erfolgsstory ist, wird sich erst herausstellen. Zum jetztigen Zeitpunkt ist soviel klar: Das Kulturbudget des Landes OÖ für 2000 ist erhöht worden und Kulturreferent (=Landeshauptmann) Pühringer ist nicht abgeneigt, mit VerterterInnen der Freien Szene über den Impulstopf zu verhandeln. (s. Interview von Radio FRO: http://www.servus.at/FREIE-SZENE/main/puehringer.html).

Konkreter Anlaß für die Formierung der Freien Szene in Linz war, daß die Stadt Linz im Bemühen um einen Imagewandel die Erstellung eines Kulturentwicklungsplanes veranlaßte: eine Diskussion, wie sich die Kultur in Linz entwickeln soll und daraus formulierte Leitlinien für die zukünftige Kulturpolitik. Vorerst vergaß man hier zwar auf die Einbindung der Freien Szene, was aber dazu führte, daß die vehementesten Beiträge schließlich aus dieser kamen.

Der erste Schritt war, den Diskussionsprozeß aus dem offiziell vorgegebenen Rahmen herauszulösen. Eine Sammlung von Statements wurde im Versorger im Oktober 98 publiziert. Daraus entstand ein lange nicht dagewesenes Bündnis von Personen und Gruppen aus unterschiedlichsten kulturellen Tätigkeitsfeldern. Unter dem internen Codewort "Kartell" fanden Ende 98/Anfang 99 diverse Treffen von Kulturschaffenden und KünstlerInnen statt, bei denen intensive Diskussionen zu den Arbeitsbedingungen unabhängiger Kunst- und Kulturproduktion geführt wurden. Der Begriff "Freie Szene" wurde bewußt sehr breit verwendet, als Sammelbegriff für unabhängig von den Einrichtungen der Öffentlichen Hand arbeitende Institutionen und KünstlerInnen. Als Ergebnis dieser Auseinandersetzung entstand ein gemeinsames Positionspapier. Dessen Argumentationslinie kristallisierte sich um die inhaltliche Kritik an den kulturellen Großbauvorhaben von Stadt und Land: "Musiktheater und Donaumuseum können wohl kaum Antwort auf die sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen am Wandel vom Industrie- zum Informationszeitalter geben." lautete unser Ansatz. "Unter der Annahme, daß vor allem aus der Freien Kunst- und Kulturszene, die sich mehr produktiv und weniger reproduzierend mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzt, wesentliche Impulse und Innovationen für neue Entwicklungen in Gesellschaft und Kultur kommen, kann eine Reduzierung oder ein Gleichbleiben der Fördermittel zugunsten 'Repräsentativer Kultur' nicht akzeptiert werden." Neben zahlreichen Verbesserungsvorschlägen zu den Rahmenbedingungen für freie Kunst- und Kulturproduktion enthält das Positionspapier auch die konkrete Forderung nach einem "Impulstopf" für die Freie Szene, dotiert mit ÖS 20 Mill. Jährlich und zusätzlich zu den bestehenden frei verfügbaren Mittel. Gewidmet Projekten und vor allem auch infrastruktureller Förderung im freien Kunst- und Kulturbereich.

Das Positionspapier wurde firmiert von der Plattform "Offenes Forum Freie Szene", an Beamte und PolitkerInnen von Stadt/Land/Bund gerichtet und in einer Pressekonferenz am 22.1. 1999 der Öffentlichkeit präsentiert. Mehr als 100 UnterzeichnerInnen und viele anwesende KollegInnen verliehen der Sache Gewicht.

Vorerst kritisiert als unreflektierter Angriff auf das geplante Musiktheater, als "provinziell-gedankenloses Gewinsel der sogenannten‚ freien Szene'" (OÖN, 23.1.99), konnte doch im Laufe des Jahres 99 einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. Musiktheaterneubau und Absicherung der Freien Szene wurden allmählich junktimiert. Landesrat Haider (SP) griff die Anregungen des Offenen Forums Freie Szene auf und verhandelte mit Kulturreferenten LH Pühringer (VP) über eine Erhöhung des Budgets. In den OÖN vom 19.11. 99 war zu lesen: "Das Land OÖ hat sich in seiner Budgetsitzung bereits auf einen Beitrag geeinigt: 10 Mio erhält die Freie Szene im Jahr 2000, die weiteren 10 im Jahr 2001."

Als nächster Akt der gemeinsamen politischen Arbeit erfolgte von Sommer bis November 99 die Konkretisierung des "Impulstopfes" in Form der Erstellung von Förderrichtlinien: ein Topf, der zusätzlich zu den bestehenden Fördermitteln eingerichtet werden soll "mit Schwerpunktsetzung auf neue Technologien und Kommunikationsprojekte, unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von neuen Themen in Kunst und Kultur." Die weiteren Schritte sind nun Detailverhandlungen, um auf Landesebene für die Verwendung der Aufstockung in Form der Einrichtung des Impulstopfes zu appellieren und die Art und Weise der Vergabe gemäß unserer erarbeiteten Förderrichtlinien zu diskutieren. In der Stadt Linz liegt die beschlußfähige Fassung des Kulturentwicklungsplanes dem Gemeindrat vor. Die wesentlichen Forderungen der Freien Szene wurden berücksichtigt. Auch hier werden Verhandlungen zum Impulstopf stattfinden, um das dezidierte Bekenntnis zur Freien Szene seitens der Stadt trotz der angespannten Budgetlage in Form konkreter Maßnahmen einzufordern.

Organisiertes Handeln kann also durchaus Erfolg haben. La lotta continua.

Kulturentwicklungsplan http://www.linz.at/kultur/kep/k-start.htm
Positionspapier http://www.servus.at/FREIE-SZENE/pop_12-2-1999.html
Impulstopf http://www.servus.at/FREIE-SZENE/impuls.html

[mailto:offenes.forum@servus.at]

Gabriele Kepplinger


Artikel für "Kulturrisse" der IG Kultur Österreich, Jänner 2000