Linz: Kultur-Kartell statt Bau-Kartell
Konkreter Anlaß für die Formierung der Freien Szene in Linz war,
daß die Stadt Linz im Bemühen um einen Imagewandel die Erstellung
eines Kulturentwicklungsplanes veranlaßte: eine Diskussion, wie
sich die Kultur in Linz entwickeln soll und daraus formulierte
Leitlinien für die zukünftige Kulturpolitik. Vorerst vergaß man
hier zwar auf die Einbindung der Freien Szene, was aber dazu führte,
daß die vehementesten Beiträge schließlich aus dieser kamen.
Der erste Schritt war, den Diskussionsprozeß aus dem offiziell
vorgegebenen Rahmen herauszulösen. Eine Sammlung von Statements
wurde im Versorger
im Oktober 98 publiziert. Daraus entstand
ein lange nicht dagewesenes Bündnis von Personen und Gruppen aus
unterschiedlichsten kulturellen Tätigkeitsfeldern. Unter dem
internen Codewort "Kartell" fanden Ende 98/Anfang 99 diverse
Treffen von Kulturschaffenden und KünstlerInnen statt, bei denen
intensive Diskussionen zu den Arbeitsbedingungen unabhängiger
Kunst- und Kulturproduktion geführt wurden. Der Begriff
"Freie Szene" wurde bewußt sehr breit verwendet, als Sammelbegriff
für unabhängig von den Einrichtungen der Öffentlichen Hand arbeitende
Institutionen und KünstlerInnen. Als Ergebnis dieser Auseinandersetzung
entstand ein gemeinsames Positionspapier. Dessen Argumentationslinie
kristallisierte sich um die inhaltliche Kritik an den kulturellen
Großbauvorhaben von Stadt und Land: "Musiktheater und Donaumuseum
können wohl kaum Antwort auf die sich ändernden gesellschaftlichen
Bedingungen am Wandel vom Industrie- zum Informationszeitalter geben."
lautete unser Ansatz. "Unter der Annahme, daß vor allem aus der Freien
Kunst- und Kulturszene, die sich mehr produktiv und weniger
reproduzierend mit den gesellschaftlichen Verhältnissen auseinandersetzt,
wesentliche Impulse und Innovationen für neue Entwicklungen in
Gesellschaft und Kultur kommen, kann eine Reduzierung oder ein
Gleichbleiben der Fördermittel zugunsten 'Repräsentativer Kultur'
nicht akzeptiert werden." Neben zahlreichen Verbesserungsvorschlägen
zu den Rahmenbedingungen für freie Kunst- und Kulturproduktion enthält
das Positionspapier auch die konkrete Forderung nach einem "Impulstopf"
für die Freie Szene, dotiert mit ÖS 20 Mill. Jährlich und zusätzlich
zu den bestehenden frei verfügbaren Mittel. Gewidmet Projekten und
vor allem auch infrastruktureller Förderung im freien Kunst- und
Kulturbereich.
Das Positionspapier wurde firmiert von der Plattform "Offenes Forum
Freie Szene", an Beamte und PolitkerInnen von Stadt/Land/Bund
gerichtet und in einer Pressekonferenz am 22.1. 1999 der Öffentlichkeit
präsentiert. Mehr als 100 UnterzeichnerInnen und viele anwesende
KollegInnen verliehen der Sache Gewicht.
Vorerst kritisiert als unreflektierter Angriff auf das geplante
Musiktheater, als "provinziell-gedankenloses Gewinsel der sogenannten‚
freien Szene'" (OÖN, 23.1.99), konnte doch im Laufe des Jahres 99 einiges
an Überzeugungsarbeit geleistet werden. Musiktheaterneubau und Absicherung
der Freien Szene wurden allmählich junktimiert. Landesrat Haider (SP)
griff die Anregungen des Offenen Forums Freie Szene auf und verhandelte
mit Kulturreferenten LH Pühringer (VP) über eine Erhöhung des Budgets.
In den OÖN vom 19.11. 99 war zu lesen: "Das Land OÖ hat sich in seiner
Budgetsitzung bereits auf einen Beitrag geeinigt: 10 Mio erhält die
Freie Szene im Jahr 2000, die weiteren 10 im Jahr 2001."
Als nächster Akt der gemeinsamen politischen Arbeit erfolgte von
Sommer bis November 99 die Konkretisierung des "Impulstopfes" in
Form der Erstellung von Förderrichtlinien: ein Topf, der zusätzlich
zu den bestehenden Fördermitteln eingerichtet werden soll "mit
Schwerpunktsetzung auf neue Technologien und Kommunikationsprojekte,
unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von neuen Themen in Kunst
und Kultur." Die weiteren Schritte sind nun Detailverhandlungen, um auf
Landesebene für die Verwendung der Aufstockung in Form der Einrichtung
des Impulstopfes zu appellieren und die Art und Weise der Vergabe gemäß
unserer erarbeiteten Förderrichtlinien zu diskutieren. In der Stadt Linz
liegt die beschlußfähige Fassung des Kulturentwicklungsplanes dem
Gemeindrat vor. Die wesentlichen Forderungen der Freien Szene wurden
berücksichtigt. Auch hier werden Verhandlungen zum Impulstopf stattfinden,
um das dezidierte Bekenntnis zur Freien Szene seitens der Stadt trotz
der angespannten Budgetlage in Form konkreter Maßnahmen einzufordern.
Organisiertes Handeln kann also durchaus Erfolg haben. La lotta continua.
Kulturentwicklungsplan
http://www.linz.at/kultur/kep/k-start.htm
[mailto:offenes.forum@servus.at]
Gabriele Kepplinger
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