Es gibt keinen archaeologischen Nullpunkt der Historie, nie je. Da hilft kein Exerzitium in der Leere antiker Graeber, und keine Kontemplation des Archivs. Ephesos ist niemals unbesetztes Territorium, "Terra nullius" gewesen; Archaeologie hei§t immer auch conquering, mapping, Positivierung von Abwesenheit, "Concepts of Order in No Man's Land" (Cornelia Vismann).
Information und Aufzeichnung treten an die Stelle der aaesthetischen Materialitaet der Objekte. Damit wurde 1875 der Schritt zur Archaeologie als Datenspeicherung vollzogen, wie sie der Computer heute digital optimiert. Das Vorspiel zum oesterreichischen Unternehmen der Ausgrabung von Ephesos seit 1895 (Otto Benndorf und das Oesterreichische Archaeologische Institut) war die Entscheidung der Wiener Akademie, in Kooperation mit dem Berliner Corpus Inscriptionum Graecarum die Inschriften von Kleinasien zu verzeichnen. Der Kunstarchaeologie vorgeschaltet war damit die Informationswissenschaft.
Vergangenheit konfrontieren heiszt, immer schon sich in Repraesentation zu verstricken, und damit in Sprache vergangen zu sein. Ursprung, Anfang Herrschaft und Archiv: alle archŽ wird immer schon als logos gedacht, als Befehlssprache - Programmieren. Die Alternative heiszt Informatik statt Geschichte; das "19. Jahrhundert" (als Epochenbegriff selbst eine narrative Inszenierung von Informationsraeumen) hat sie unter dem Namen Corpus Inscriptionm Latinarum gekannt. So spricht Theodor Mommsen in seiner "Denkschrift Ÿber den Plan des C.I.L.", verfaszt 1847 in Italien fŸr die Preuszische Akademie der Wissenschaften in Berlin, Klartext:
Es ist also moeglich, Vergangenheit anhand es C.I.L. effektiv zu mobilisieren, ohne auf Narration zu verfallen. Tatsaechlich ist die Epigraphie das, was zwischen Geschichte und Archaeologie steht, vermittelnd und sich dazwischen schiebend, ganz nahe an der historischen Hilfswissenschaft der Diplomatik und der Palaeographie. Mommsen fordert vom Bearbeiter nach Moeglichkeit die kritische Autopsie des Befunds:
Zudem fordert Mommsen die "gleichmaeszige Behandlung" der ganzen Sammlung: eine Grundbedingung aller Informatik (das Standardisierungsprogramm der Vergangenheit heiszt Geschichte). Und auch das Reale aller Informatik wird deutlich, jenes Interesse, aus der sie ihre Autoritaet zieht: "Sammeln, sichten, kontroliren 22" , das ist der wissenschaftliche Wille zur Wahrheit identisch mit dem Willen zur Kontrolle des Wissens (besonders auch gegenueber nicht-institutionalisierten Agenten der Wissenschaft, den Amateuren und dilettanti).
Ephesos selbst - der Ort, der Name, ist waste land; begraben war Ephesos unter Kuestenschlamm:
Das war 1869, als der Architekt und Ingenieur J. T. Wood im Auftrag des British Museum den Tempel identifiziert und teilweise freigelegt hatte, um seine Kunstwerke fŸr das Londoner British Museum zu bergen - columnae caelatae, figurierte Saeulenbasen aus der Zeit vor und nach dem Brand:
Archaeologie auf Seiten der Kunst ist destruktiv:
Kunst als Monument lenkt ab von Information als Dokument. Auf Seiten der Information aber steht die Datenverarbeitung; jenseits der historischen Imagination haelt sich machine reasoning an das Vorgefundene.27 Diese Archaeologie ist keine antike Kunstgeschichte mehr, sondern science, eine exakte Wissenschaft, mathesis:
Die Praesenz der Vergangenheit (als Archiv, als Ruine) ist diskontinuierlich, also diskret; jede historische Erzaehlung verfehlt also in ihrer Suggestion von Geschlossenheit die archaeologische Lage. Demgegenueber definiert der informatische Blick den Gegenstand nicht mehr kunstaesthetisch, sondern modular:
In general a context contains a set of (computer readable and therefore retrievable) `descriptors' and of (non-machine-readable and therefore non-retrievable) commentaries." 29
Was Benndorf und Humann fanden, war unter anderem das antike Gebaeude einer Bibliothek "of several storeys, in which niches in the walls show where the bookcases had been" 31 - Archivologie.
Archaeologische Artefakte werden als Funktion einer Semiose zu historischen Dokumenten -
Der Akt der Registrierung, der Verzeichnung und Kontextualisierung steht einerseits in einem parergonalen Verhaeltnis zum Objekt, dem Semiophor (Krzysztof Pomian). David Crowther unterscheidet zwei Gruppen von artifacts attributes: intrinsische (Material, Dekoration) und relative (Kontext, Geschichte, Funktion). Darueber hinaus kommt das materiale Defizit der Semiotik ins Spiel, die Materialitaet des Zeichentraeâgers:
Trophaeenjagd ist blind fuer Strukturen.
Eine mithin synchrone, nicht mehr temporalisierte Operation, die den Unterschied von (individuellem, irreversiblem) Human- und (standardisiertem, reersiblem) Maschinengedaechtnis definiert; archaeologische Daten sind nicht Erinnerung, sondern radikale Gegenwart: "Data is generally stored in files, which are defined as organised collections of data." 30
References to Zwischen Monument und Dokument