Neues aus dem Informationslaboratorium der Stadtwerkstatt

Von Gedanken rund um die Informationsgesellschaft, der Position des Individuums, bis zu den scheinbaren Quellen der Kreativität. http://acausal.info

Eigentlich fühle ich mich gar nicht philosophisch veranlagt und auch nicht als Informatiker, dafür hab ich mich zu wenig gebildet. Ich bin eher der praktische Mensch und stehe gern hinter der Werkbank oder schleppe Steine.
Aus dieser praktischen Veranlagung heraus bin ich seit über 30 Jahren im Bereich der Kunst und Technologie tätig, seit 20 Jahren beschäftige ich mich mit der Informationstechnologie und sehe dort im Moment Handlungsbedarf.
Die Netz-Kunst, als kritische Reflexion, ist ja seit dem Aufkommen des WWW eine Lachnummer geworden.
Den Handlungsbedarf sehe ich im Umgang der Informationsgesellschaft mit Individuen. Zu diesem Zweck haben wir 2014 in der Stadtwerkstatt ein Informationslabor gegründet, in dem wir die Probleme und Lösungen unseres maschinellen Informationszeitalters aufzeigen. Das Labor versteht sich als logische Konsequenz zu den Hack- und Fablabs, die in den letzten 20 Jahren als Kreativbiotope den Kunstkontext ins Schwitzen gebracht haben. Bei uns geht es nicht wie bei diesen Kreativlabs um Utopien durch Technologien. Bei uns soll es um die Frage gehen, warum gibt es die Informationstechnologie (IT). Kunst kommt von der Erschaffung des Künstlichen und von der Fähigkeit zur Abstraktion. Diese Abstraktionsfähigkeit wollen wir bei unseren Betrachtungen nutzen.
Neben dieser Reflektion des IST-Zustandes soll nach jener Kraft geforscht werden, die uns zur Entwicklung der IT brachte. Es geht in Folge um die Frage: was ist Information, was ist das Wesen davon. In den Naturwissenschaften findet man keine glaubhafte Betrachtungsweise. Können wir die Information kontrollieren? Die Informationstheorie ist gegenwärtig die angesagteste Theorie in diesem Bereich. Aber bei genauerem Betrachten ist sie bloß eine Nachrichtenübertragungstheorie und sie optimiert nur die Technologie. Wir wollen zuerst die Information an und für sich verstehen, bevor wir sie zu den »Empfängern« bringen wollen.

Was wir wissen: Die Information ist Hilfsmittel um Entscheidungen zu treffen. Soweit ich bei Dietmar Locher und anderen recherchiert habe, können wir diese Informationen über unsere Umwelt erhalten – indem wir uns über etwas informieren (zb im Internet). Wir können aber Entscheidungen auch über unsere Gefühle herbeiführen. Diese Gefühlsentscheidungen sind teilweise an den Erhalt unseres Körpers gebunden. Als Beispiel möchte ich das Gefühl des Hungers anführen, da fällt die Entscheidung etwas zu essen nicht schwer. Die Entscheidung was wir essen sollen, können wir von Umweltfaktoren abhängig machen oder nachschlagen, was gerade politisch korrekt ist. Jede Entscheidung ist mit Sicherheit eine Mischform aller Komponenten.
Mit der Entwicklung eines globalen maschinellen Informationsnetzes werden die Entscheidungen immer wichtiger, die für andere Personen nachvollziehbar sind. Alles wird immer weiter in einen kausalen Zusammenhang gebracht.
Hier liegt mein Problem mit der IT. In dieser einen Welt gibt’s keinen Platz mehr für »Neues«. Wir müssen uns rechtfertigen, wenn wir uns anders entscheiden als die Anderen. Das Individuum und damit die Kreativität und der Intellekt werden zurückgedrängt. Wir haben dieses globale Informa-tionsnetz aus unserem Bedürfnis nach Logik und Wahrheit selbst entwickelt. Die Kreativität von Individuen spielte bei dieser Entwicklung eine wesentliche Rolle. Die Kreativität, die nun in einem kausalen System nicht mehr notwendig ist. Ein kreatives Individuum definiert sich über seinen freien Willen als intellektuelle Leistung. Wir wollen uns in unserem Labor mit nicht-kausalen Dingen beschäftigen, um die Kreativität zu erhalten.

Dazu müssen wir die Komponenten der Kreativität näher betrachten. Zur Kreativität gehören als erstes Individuen mit ihren Zielen. Ein Individuum ist über seinen freien Willen erkennbar. Zum Thema freier Wille kann man in Wikipedia über die Notwendigkeit des Zufalls lesen. Für eine TechnikerIn stellt sich dabei sofort die Frage: Wo kommt dieser Zufall her? Eigentlich müsste ein Zufallsgenerator im Individuum eingebaut sein! Als weitere Informationsquelle kommen Gefühl und Intuition dazu. Diese bestehen aus den chemischen Botenstoffen zur Erhaltung des Körpers und/oder bezeichnen die Summen-information der gesamten Evolution, die in unseren Genen gespeichert ist.
Eines der wichtigsten Faktoren für die Kreativität ist noch ein spontanes Ereignis, von dem wir eigentlich nicht wissen, wann und warum es entsteht. Dieses spontane Ereignis ist eigentlich der wichtigste Faktor, der Motor, der Attraktor, der eine Verschaltung dieser Informationsquellen ermöglicht. Mit viel Glück entsteht der kurze Augenblick, den wir »Geistesblitz« nennen.

Der Zufall wird zum wichtigsten Element, er ist verantwortlich für den freien Willen und für den Attraktor des spontanen Ereignisses. In der Theorie definiert sich ein guter Zufalls-generator über die Distanz zu dem System, in dem er verwendet werden soll. Also der Zufall muss außerhalb eines kausalen Systems generiert werden, sonst taugt er nichts.

Den Stellenwert des Zufalls können wir auch über die Welt der Emotionen erahnen, wenn wir in die untergehende Sonne blicken und am Meereshorizont unendlich viele glitzernde Lichtreflexionen nicht einordnen können. Der Blick in ein Feuer mit den nichtvorhersagbaren züngelnden Flammen und aufblitzenden Glutstücken. Das Plätschern eines Bachs. Das Getöse der Meeresbrandung. Die Lichtreflexionen der Wellenoberfläche. Wolken und Nebelschwaden. In Summe darf auch der Gesamtblick auf unsere Erde nicht fehlen. Ein blauer Planet präsentiert sich in einem faszinierenden Bild aus chaotischen Wolkenkonstel-lationen und dem unendlichen Glitzern der Weltmeere in der Sonne. Chaos als Quelle der Schönheit wirkt sonderbar in unserer von Logik und Profit geprägten Welt. Es sind meist die fraktalen Übergangsstrukturen der vier Grund-elemente, die uns das Potential des Zufalls und Kreativität vermitteln.

Falls wir die Kreativität erhalten wollen, müssen wir Teile vor dem globalen Informationsmonster schützen, das nur ein kausales System kennt und alles darin integrieren möchte. Den Zufall draußen zu halten ist keine schwierige Aufgabe, denn in einem kausalen System kann es keinen Zufall geben. Bei den restlichen Komponenten, die zur Kreativität beitragen, wird’s schon schwieriger. Dafür wollen wir möglichst klare Grenzen definieren, und Grenzübergänge schaffen, die wir mit Firewalls schützen sollten.

Die logische kausale Welt des Informationsnetzes ist sogar von den akausalen Ereignissen abhängig. Mit kausalen Algorithmen kann man keinen Zufall generieren. Man braucht diesen aber um durch Verschlüsselungs-techniken Einzigartigkeiten im Netz zu erzeugen.

Als einen der ersten Schritte zu einem Infolab müssen wir (jetzt) den Begriff der Kunst loswerden. Wir sollten stattdessen nur mehr den Begriff der akausalen Information verwenden. Es genügt aber nicht einfach, wenn über einen eigenen Port mit einem eigenen verschlüsseltem TCP/IP Protokoll Rauschen übertragen wird. Die Quellen der Kreativität müssen im Referenzsystem bleiben und können nicht in die IT übertragen werden. Dort, im Herzen der Menschen, in den Traumwelten der Individuen, die dadurch eine Referenzposition schaffen und so ihre Seelenenergie erhalten.

Gemeinsame Werte in diesem akausalen Bereich sind aber brandgefährlich und müssen ganz genau hinterfragt werden. Darunter fallen Religionen, Esoterik, Schamanismus und jegliche Gemeinsamkeiten von Emotionen wie z.B. Liebe und Hass (ui! ui!). Im Bereich der akausalen Information wirken sich also alle gemeinsam definierten Werte negativ auf die persönliche Kreativität aus.

Unter Einbeziehung der individuellen Werte ist es möglich, unsere Kreativität zu erhalten. Wir haben also diese globale informationsverarbeitende Monstermaschine geschaffen, die uns nun in die Enge treibt, weil sie für uns die logisch nachvollziehbaren Argumente als die Besseren definiert. Als ich 1983 den ersten Homecomputer als kreatives Hilfsmittel kaufte, wusste ich noch nicht, dass dadurch die Kausalität unseres Systems zunimmt.

Es ist eigentlich nur eine Zeitfrage, wann wir das Wetter und alle chemischen Prozesse des Lagerfeuers analysieren können. Wann alle Lichtbrechungen an Wolken oder Wellen prognostiziert werden und somit unsere Romantik komplett entzaubert wird. Dann wird es für uns Menschen Zeit, nach neuen Quellen der Entropie Ausschau zu halten.

Es geht im Infolab aber um alle akausalen Prozesse, die zu fördern sind. Die akausale Information, die bis jetzt vor allem die Kunst und die Quantenphysik (Zufall) vermittelt hat. Die Musik, oder die Impressionen von Bildern und Handlungen etc. Werke, die über die individuellen Zufalls-generatoren der KünstlerInnen entstanden sind. Diese sind nicht über logische Argumente zu vermitteln. Ich möchte in diesen Bereichen beim Terminus der akausalen Information bleiben, um nicht länger mit dem Begriff der Kunst argumentieren zu müssen – Kunst ist nur eine Spielwiese der kausalen Welt und sie hat Narrenfreiheit. Das beinhaltet aber auch, dass kritische Hinterfragung von Dingen nicht ernst genommen wird.
Ausgenommen ist natürlich jener Bereich der akausalen Information, mit dem ein Marktwert erzeugt werden kann und dadurch in das kausale System integrierbar ist.
Also wenn wir mit dem Infolab den Motor zu neuen Ideen und Kreativität erhalten wollen, sollten wir uns in der Zukunft mehr Gedanken über den Begriff der akausalen Information machen und die Kunst vergessen. Dadurch werden die Bereiche sauberer getrennt und sind überschaubarer. Die Generierung des spontanen Ereignisses haben wir schon in unserer Hand – und das ist gut so.
Historisch gesehen ist das Infolab im Haus der Stadtwerkstatt am richtigen Platz. Seit Jahrzehnten wird hier akausale Information gefördert. Wir haben wie andere Institutionen auch, lange an das Potential der digitalen Medien geglaubt. Wir haben auch Medienbereiche initiiert, die nun eigenständige Vereine geworden sind. Wir waren vor 30 Jahre UtopistInnen, als wir mit dem Glauben an die Vielfalt und dem Wunsch nach Demokratisierung der Medien Meilensteine für die Medienstadt Linz legten. Nun ist es aber an der Zeit zu schauen, wer bei unserer Tür ein- und ausgeht.

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